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Mein geheimes Leben in der Pornoindustrie

Photographed by Lauren Perlstein.
Manchmal, wenn ich eine Schreibblockade habe, scanne ich mich durch meinen Facebook Feed und klicke ab und an auch gezielt Freunde an und nehme deren Pinnwände unter die Lupe. Ja, da sind Bilder von Urlauben, frisch geborenen Kindern oder Partybilder von besoffenen Nächten. Dazwischen finden sich aber Selfies mit dem Pornstar Ron Jeremy, Fotos von StripperInnen in knappen Outfits und Links zu Artikeln über die neuesten Innovationen bei Sexspielzeug.
Hauptberuflich bin ich als freischaffende Autorin tätig, aber es gab da ein paar Jahre, in denen meine Leidenschaft für das Schreiben nicht meine Miete gezahlt hat. Wir alle haben schon mal komische Jobs gemacht, um den Monat über die Runden zu kommen, sei es Babysitten, Burger im McDonald's braten oder als Aushilfe im Supermarkt arbeiten. Um meine aufkeimende Karriere im Journalismus zu finanzieren, habe ich Schwarz in der „Unterhaltungsbranche für Erwachsene“ – sprich: in der Pornoindustrie – gearbeitet. Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst: Ich bin kein Pornstar und habe auch nie als solcher gearbeitet. Drei Jahre lang habe ich als Promomodel gearbeitet und ein Teil meiner Aufträge beinhaltete die kontroverse Sexindustrie. Bis heute wissen nur ein paar wenige, enge Freunde über diesen Teil meines Lebens Bescheid. Für die meisten Menschen in meinem Umfeld wäre diese Enthüllung eine große Überraschung.
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Ich bin im Umland von Detroit aufgewachsen – das einem Sexfilm am nächsten stehende, das ich je in meiner Jugend sehen habe, war wohl der Film Fear, den ich bei einer Freundin sah. Ihr Vater hat schnell den Fernseher ausgeschalten, als er damals zufällig in das Zimmer reinkam und sah, wie sich Mark Wahlberg in einer Achterbahn an Reese Witherspoon ranmachte. Meine Eltern war ebenso konservativ. Bis auf das typische Gespräch über Störche und Blümchen und Bienen, wurde Sex bei uns im Haus als Thema nie behandelt. Meine Eltern haben es nicht sehr begrüßt, wenn ich bei meinen damaligen festen Freunden übernachten wollte und haben die Tatsache immer vermieden anzusprechen, dass ich mit meinem Ehemann zusammen zog noch bevor wir verheiratet waren. Ich habe es dennoch gemacht und bin mit ihm zusammen gezogen, habe ihnen aber erst vier Monate später davon erzählt, als wir bereits verlobt waren.
Mit dem Modeln habe ich mit zehn Jahren angefangen. Es war immer ein Nebenjob und eine tolle Art, ein wenig Extrageld für Konzerte und Reisen zu verdienen. Ich hatte nie gedacht, dass es ein Job wäre, den ich dauerhaft machen würde. Aber dann zog ich nach Los Angeles, um meine journalistische Karriere im Entertainmentbereich voranzutreiben. Hier wurde ich schnell einem Agenten vorgestellt, der mich dann ratzfatz als Model für Promotionjobs unter Vertrag nahm. Also habe ich an den Wochenenden oder ab und an auch unter der Woche abends meinen Promotionjob gemacht: Habe Menschen bei Konzerten in Photo Booths gelockt, damit sie dort mit einer Coca Cola posieren können; Habe auf dem Sunset Strip freie Jack Daniel Shots verteilt; Und habe bei Conventions Menschen dazu verführt, sich T-Shirts bedrucken zu lassen. Alles ging eigentlich sehr easy von der Hand, bis mich eines Tages mein Agent anrief und mir einen großartigen Job vorschlug: 2000 Dollar für zwei Tage arbeiten. Es war für ein kleines Startup, das gerade versuchte im Sexspielzeugmarkt groß zu werden.
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Die Firma hieß Masque und das Produkt war ein auflösbarer Streifen, den man auf seine Zunge legen musste und dann den Eindruck bekam, man hätte oralen Sex. Mein Job bestand darin, einen kurzen Rock zu tragen und einen Stand bei einer Messe der Pornoindustrie zu bewachen. Als ich nach dem ersten Arbeitstag nach Hause kam, habe ich mich überraschenderweise super bestärkt gefühlt. Für den Job musste ich meine Komfortzone verlassen – ich war Ende 20, verheiratet und bin mit dem Glauben aufgewachsen, dass alle in der Pornoindustrie Geschlechtskrankheiten, Drogensucht oder ein polizeiliches Strafregister hatten. Und trotzdem hatte ich so viel Spaß! Ich mochte die Menschen, die ich kennenlernte, und ich fand es schön, einem kleinen Startup helfen zu können. Aber durch meine traditionelle Erziehung konnte ich nicht anders, als mich schlecht zu fühlen. Meinen Eltern erzählte ich so gut wie keine Details über meinen Job in Vegas. Auch meinen Freunden gegenüber entschärfte ich die Jobs. Bis auf einen ganz kleinen, inneren Kreis an Leuten, die allesamt sehr aufgeschlossen waren, wusste keiner so wirklich Bescheid, was ich da eigentlich tat. Den Bezug zum Schreiben verlor ich allerdings gänzlich.
Ich machte mir Sorgen, was Menschen von mir halten würden und ob ich den gleichen Stereotypen ausgesetzt war, wie viele andere in der Sexindustrie. Also dachte ich, wäre es am Besten, wenn ich es für mich behalte. Nach dem Vegas Job kamen mehrere Jobs für Masque rein und nach und nach nahm ich auch andere Jobs in der Industrie an. Ich habe Testproben bei einer Party im Pleasure Chest in L.A. verteilt, wo der 57 Jahre alte Pornostar Nina Hartley den Besuchern vorgemacht hat, wie das mit der Fellatio richtig gemacht wird. Ich wurde auch für die Immobilienbroschüre zu einer 4,5 Millionen Dollar Immobilie des selbsternannten "King des Pornos" fotografiert. „Wir wollen einige Mädchen im Hintergrund stehen haben, um das Haus luxuriöser wirken zu lassen,” sagt er von dem Balkon herunterschauend. Natürlich war die Kohle gut, aber ich mochte vor allem auch die Menschen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Der Job hat einfach Spaß gemacht!
Ich habe mein eigenes Selfie mit Ron Jeremy. Ich habe mich zum Abendessen mit einem Typen getroffen, der Vibratoren in der Form von Quietschentchen herstellt. Ich habe mich mit einem Bondage Guru angefreundet, weil wir beide ET lieben aber dafür Alanis Morissette hassen. Diese Erfahrungen haben mich zu einem besseren Menschen gemacht. Weil ich keine Komfortzone verlassen habe. Das Konzept von „normal” habe ich völlig über Bord geworfen und habe gemerkt, dass die Leute in der Industrie genau das tun, was wir anderen auch tun – hart arbeiten, um ihr Leben zu finanzieren. Viele meiner Kollegen sind verheiratet und viele von ihnen sind stolze Eltern. Sie sind nicht der Abschaum, für den viele sie wohl halten. Sie lieben was sie tun – und wieviele Menschen können das wirklich ehrlich über ihre Jobs sagen?
Nach fünf Jahren ist Masque pleite gegangen. Und ich habe meinen Fokus wieder gänzlich auf meine Schreibkarriere gelegt. Aber einen letzten Promojob habe ich noch für meinen Agenten gemacht, bevor ich mein altes Leben in eine Box gepackt habe. Ich wurde von einer Firma angeheuert, um deren neueste Thermotechnologie bei einer Solar-Convention zu promoten. Bei dem Job hat ein Mann seine Bierflasche auf den Boden fallen lassen. Während er es aufhob, versuchte er, unter meinen Rock zu gucken. Als ich in der Mitte meiner Schicht nach Hause ging, dämmerte mir, dass die Vorbehalte gegenüber der Pornoindustrie super unfair sind. Wie die Pornostars sagen: „Die Welt, in der die Gelüste von Erwachsenen befriedigt werden, ist wenigstens vor allem eines: Professionell.“
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