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„Ich kann keinen Eisprung bekommen & trotzdem will ich ein Baby“

Foto: Sophia Giesecke
Nimmst du die Pille? Auf diese Frage antworten die meisten Frauen in ihren Zwanzigern mit einem eindeutigen „Ja“. Verständlich, denn die Pille erleichtert uns viele Dinge. Die Einnahme ist unkompliziert und bringt zudem ein paar sehr angenehme Nebeneffekte mit sich. Doch welchen Hormoncocktail Frauen täglich zu sich nehmen & welche Neben- und Nachwirkungen auftreten können, das wird häufig zu wenig oder gar nicht thematisiert. Wir finden, es fehlt eine angemessene Informationspolitik! Diese Kluft wollen wir schließen und läuten nach ausgiebiger Recherche und Gesprächen mit Expert*innen die Themenwoche „BitterSweet“ rund um die Antibabypille ein, um dich umfassend und differenziert zu informieren.
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Als Teenager habe ich mich immer gefragt, ob ich problemlos schwanger werden kann. Obwohl ich seit meinem 14. Lebensjahr die Pille genommen habe, um genau das zu verhindern. Vielleicht war es eine gewisse Vorahnung, dass es nicht so sein würde. Heute, mit 28, habe ich einen Kinderwunsch und die Familienplanung kann losgehen, aber ich weiß ganz sicher, dass es nicht so ist: Ich habe PCO – das polyzystische Ovar-Syndrom.
Obwohl laut PCOS-Selbsthilfe Deutschland e.V. rund fünf bis zehn Prozent aller deutschen Frauen davon betroffen sind, habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele gar nicht wissen, was es mit dieser Stoffwechselstörung, die nur geschlechtsreife Frauen bekommen können, überhaupt auf sich hat. Ich wusste auch lange Zeit nicht, was das ist, geschweige denn, dass ich es habe. Doch ein Ultraschall beim Frauenarzt und die dazu passenden Symptome wie Akne, Haarausfall, Bluthochdruck, Übergewicht, fehlende Periode und zu viele männliche Hormone im Blut ließen keinen Zweifel an der Diagnose.

Ohne Menstruation, kein Eisprung. Und ohne Eisprung auch kein Baby.

Viele Frauen mögen jetzt vielleicht denken: „Wie toll, keine lästige Menstruation alle drei Wochen!“ Ich hingegen beneide jede meiner Geschlechtsgenossinnen um ihre regelmäßige, monatliche Blutung. Und ihren Eissprung. Denn ohne Menstruation, kein Eisprung. Und ohne Eisprung auch kein Baby.
Ich habe zwar Eibläschen in meinen Eierstöcken, ganz viele sogar, doch sie reifen nicht zu Ovarien heran. Im Ultraschall lässt sich daher die sogenannte und für PCO typische „Perlenkette“ in meinen Eierstöcken erkennen. Durch die vermehrten männlichen Hormone in meinem Körper können sie einfach nicht zu einem reifen Ei heranwachsen, um nach dem Eisprung befruchtet zu werden.
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Die Ursachen für PCO sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Übergewicht spielt jedoch eine zentrale Rolle. Frauen mit PCO leiden nämlich oft an einer Insulinresistenz. Die Zellen reagieren nicht mehr auf das hormonelle Signal des Insulins, den Zucker aus dem Blut aufzunehmen, was den Blutzuckerspiegel ansteigen (Hallo Heißhungerattacken!) und den Körper unaufhörlich Insulin produzieren lässt. Das begünstigt einerseits Übergewicht und steigert andererseits die Produktion von männlichen Hormonen. Das wiederrum steigert die Insulinproduktion im Körper. Ein Teufelskreis.
Auf ein Baby verzichten muss ich deshalb aber zum Glück nicht. Auch wenn der Weg zur Schwangerschaft deutlich schwerer ist. Anders als bei meinen Freundinnen, die einfach die Pille absetzten und fröhlich darauf los vögelten, bis es nach drei oder sechs Monaten endlich fruchtete, muss ich eine Hormontherapie machen. Was das genau bedeutet? Stress! Ich war noch nie so oft beim Arzt und musste auch noch nie so oft Blut lassen. Teilweise fühle ich mich schon wie ein Junkie, der an der Nadel hängt, so zerstochen sind meine Armbeugen.
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Das sogenannte „Zyklusmonitoring“, Hormonanalyse im Blut und Ultraschallüberwachung, ist jedoch wichtig auf dem Weg zum Wunschbaby. Die Hormontherapie im Detail sieht wie folgt aus: Da ich keine Periode habe, muss sie künstlich mit Hormontabletten ausgelöst werden. Setzt nach ca. 14 Tagen die Blutung ein, muss ich zum Arzt oder zur Ärztin und mir Blut abnehmen lassen. Da jede Frau im Normalfall ca. 14 Tage nach dem ersten Tag der Blutung ihren Eisprung hat, muss ich am ersten Tag der Menstruation mit der künstlichen Stimulation beginnen. Das kann oral mit Tabletten geschehen. Oder subkutan mit Hilfe von Spritzen. Da die Tabletten bei mir nicht zu einer Follikelreifung geführt haben (natürlich nicht, warum soll es auch einfach gehen, wenn es kompliziert geht?!) muss ich mich jetzt jeden Abend mit einem Fertigpen in den Bauch spritzen. Nach sieben Tagen muss ich wieder zum Arzt, um zu schauen, ob sich etwas getan hat. Mir wird erst Blut abgenommen und danach im Ultraschall geguckt, ob ein Follikel gewachsen ist. Ein Ei ist übrigens bei 18-22 Millimeter sprungreif.
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Ich weiß noch ganz genau, wie aufgeregt ich beim ersten Kontroll-Ultraschall war. Und wie enttäuscht, als kein großer Follikel da war! Dieses Gefühl musste ich noch ein paar Mal erleben. Zum Verständnis: Ich habe mit der Dosis 50 angefangen zu spritzen und musste in 12,5er Schritten bis 150 steigern, ehe sich endlich etwas tat. Als es dann zum ersten Mal ein großes Ei gab, war ich unendlich glücklich. Endlich wurde ich für den ganzen Stress belohnt!

Du weißt, du willst ein Baby und hast nur diesen einen Moment...

Doch nach dem Stress ist vor dem Stress. Denn wenn es ein Ei gibt, dass man mit Hilfe von Hormonen springen lassen kann, also ein künstlich herbeigeführter Eisprung, heißt es GVnP – Geschlechtsverkehr nach Plan. Eins kann ich sagen: Mit Spaß hat das Ganze nicht mehr wirklich viel zu tun. Mein Mann muss bei diesem Prozedere zwar nichts Anderes tun, als es mit mir zu tun, doch genau das erübrigt sich als besonders schwierig, wenn es auf Knopfdruck und genau „jetzt“ passieren soll. Und der Druck lässt sich leider nicht vermeiden, denn wenn der Eisprung ausgelöst ist, idealerweise morgens, MUSS man am gleichen Abend, am nächsten Morgen und am nächsten Abend Sex haben, um möglicherweise schwanger zu werden.
Nach dem Auslösen findet der Eisprung ca. 36 Stunden später statt. Danach ist das Ei gerade einmal sechs Stunden befruchtungsfähig, ehe es verkümmert und mit der Periode ausgeschieden wird. Wie soll das bitte ohne Stress und Druck gehen?! Du weißt, du willst ein Baby und hast nur diesen einen Moment...
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Geil ist anders. Und deshalb artet das alles bei mir und meinem Mann oft auch in Streit aus. Ich mache Druck und er hat so überhaupt keine Lust auf Knopfdruck. Noch ein Teufelskreis. Als wäre es nicht sowieso schon schwer genug, die ganzen Hormone (von denen man übrigens Wassereinlagerungen, Pickel und Stimmungsschwankungen bekommt!) und Arztbesuche zu ertragen.
Bis jetzt sind wir seit einem Jahr in Behandlung und hatten zwei Eisprünge. Schwanger bin ich leider noch nicht geworden. Keine wirklich gute Bilanz. Aber noch bin ich guter Dinge, dass es klappen wird. Wenn nicht, müssen wir eine künstliche Befruchtung machen lassen. Ein Baby aus der Petrischale. Wie romantisch. Und von den Kosten will ich gar nicht reden. Satte 5000 Euro kostet der Traum von einem Baby bei einer künstlichen Befruchtung! Als gesetzlich Versicherte würde meine Kasse immerhin 50 Prozent der Kosten übernehmen. Aber auch nur, weil ich mittlerweile verheiratet, über 25 Jahre und unter 40 Jahre alt bin. Trotzdem: 2500 Euro hat man auch nicht einfach mal so locker sitzen. Manchmal fühle ich mich ganz schön benachteiligt – dabei habe ich mir die Krankheit nicht ausgesucht.
Letztendlich bin ich aber froh, dass es solche Möglichkeiten für Frauen wie mich gibt. Ein Jahr gebe ich den Hormonen noch, ehe die Petrischale ihr Glück versuchen darf. Wenn unser Wunder (und das ist es im wahrsten Sinne des Wortes!) dann endlich kommt, wird die Tortur vergessen sein. Genau wie der Schmerz nach einer natürlichen Geburt.
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