Nimmst du die Pille? Auf diese Frage antworten die meisten Frauen in ihren Zwanzigern mit einem eindeutigen „Ja“. Verständlich, denn die Pille erleichtert uns viele Dinge. Die Einnahme ist unkompliziert und bringt zudem ein paar sehr angenehme Nebeneffekte mit sich. Doch welchen Hormoncocktail Frauen täglich zu sich nehmen & welche Neben- und Nachwirkungen auftreten können, das wird häufig zu wenig oder gar nicht thematisiert. Wir finden, es fehlt eine angemessene Informationspolitik! Diese Kluft wollen wir schließen und läuten nach ausgiebiger Recherche und Gesprächen mit Expert*innen die Themenwoche „BitterSweet“ rund um die Antibabypille ein, um dich umfassend und differenziert zu informieren.
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Wie verschiedene Statistiken aus den vergangenen Jahren konstant belegen, ist die Pille bei über der Hälfte der Befragten das bevorzugte Mittel zur Verhütung. Nur etwa zehn Prozent haben sich eine Spirale einsetzen lassen. Auch bei Frauenärzt*innen ist die Pille das Verhütungsmittel, das auf Nachfrage stets als erstes genannt wird. Statt wie bei der Spirale einmalig zahlen zu müssen, sind Frauen durch die Einnahme der Pille immer wieder dazu angehalten, sich neue Rezepte zu holen. Dadurch steigen die Kosten, Ärzte und Pharmaunternehmen profitieren. Ist es also ein Zufall, dass die meisten Frauen wie selbstverständlich mit der Pille verhüten? Auch für mich gab es nie eine andere Wahl.
Im Alter von etwa 16 Jahren ließ ich mir die Pille verschreiben. Es gab eigentlich nie einen Zweifel daran, dass genau dieses Verhütungsmittel goldrichtig für mich ist. Allerdings machte sich damals auch niemand die Mühe, mich über Alternativen aufzuklären oder davon zu überzeugen, dass ich aufgrund meiner bis dato noch gar nicht vorhandenen sexuellen Aktivität (ja, ich war spät dran) keine Pille brauchte. Ich begann also brav meine tägliche Dosis Hormone zu schlucken und war glücklich. Wir wurden Freunde. Es gab ja auch jede Menge Vorteile: Meine Periode kam regelmäßig, die Schmerzen waren überschaubar und außerdem – super wichtig – nahm jedes Mädchen, das ich kannte, die Pille.
Ich hätte mich natürlich im Internet informieren und dort nach anderen Möglichkeiten schauen können, allerdings war um die Jahrtausendwende die Internetrecherche noch nicht so verbreitet wie heute.
Wie sinnvoll ist es, die Pille gegen Spirale zu tauschen?
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Wir hatten zwei glückliche gemeinsame Jahre, meine Pille und ich, eigentlich hätte es ewig so weitergehen können. Wäre meine Hausärztin nicht eines Tages aufgefallen, dass mein Testosteronspiegel so manchen Kerl vor Neid hätte erblassen lassen. Sie prognostizierte Wuki-artigen Haarwuchs und Muckis wie Arni. Das will ja keiner. Also nahm ich die folgenden zwölf Jahre munter eine regulierende Pille, die inzwischen in Deutschland nicht einmal mehr als Verhütungsmittel zugelassen ist und nur noch als Aknemittel verschrieben wird – nicht, dass mir dieses kleine Detail einer der vier Frauenärzte, bei denen ich die vergangenen Jahre war, mitgeteilt hätte. Als schließlich in Frankreich einige Todesfälle mit diesem Produkt in Verbindung gebracht wurden, bekam ich Wind davon: „Ach, guck, das ist doch meine Pille!“ Ich entschied, dass ich keine Lust mehr auf die kleinen Tabletten hatte.
Was aber stattdessen? Eine Freundin hatte gute Erfahrungen mit der Hormonspirale gemacht. Einmal eingesetzt bleibt das Ding jahrelang im Körper; die Periode bleibt einfach komplett aus. Nicht mein Ding, aber das Prinzip klang reizvoll. Also entschied ich mich nach einer kurzen Besprechung mit der Frauenärztin meines Vertrauens für eine Gold-Kupfer-Spirale. Gleiches Prinzip, dafür garantiert hormonfrei.
Wie viel kostet das Einsetzen einer Spirale?
Zwar ist das kleine, aus Plastik, Gold und Kupfer gefertigte Biest in der Anschaffung mit rund 200 Euro und dem Preis fürs Einsetzen nicht ganz günstig, aber dafür hat man anschließend drei bis fünf Jahre lang Ruhe. Die Spirale wird in der Gebärmutter verankert und gibt dort konstant Ionen ab. Diese verändern den Gebärmutterschleim und beeinträchtigen die Beweglichkeit der Spermien. Eine Schwangerschaft kann nicht zustande kommen. Jedenfalls im besten Fall, denn natürlich ist auch die Spirale nicht zu 100 Prozent sicher. Ihr Pearlindex, der angibt, wie sicher ein Verhütungsmittel ist, entspricht jedoch ziemlich genau dem der Pille und macht die Spirale damit zu einer der verlässlichsten Verhütungsmethoden. Das reichte mir.
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Nachdem mir die Spirale eingesetzt wurde – ja, tut ein bisschen weh, ist aber schnell vorbei – verbrachte ich den Abend mit starken Krämpfen auf der Couch, schluckte eine Paracetamol und schleppte mich dann ins Bett. Ich schlief erstaunlich schnell ein, um am nächsten Morgen in meinem neuen Leben zu erwachen. Hello, Sunshine! Es war großartig. Die Schmerzen waren weg, ich ging sofort zum Sport. Einziges Manko: Da die Spirale während der Periode eingesetzt wird, dürfen während des weiteren Verlaufs der ersten Blutung keine Tampons verwendet werden. Zum ersten Mal überhaupt verließ ich mit einer Binde das Haus und fühlte mich wie frisch gewickelt. Lieber ich, als ein kleines, schreiendes Bündel, dachte ich mir, und fühlte mich sofort besser.
Wirklich krass war aber, was mit mir in den folgenden Wochen passierte. Der vollständige Abbau der Hormone erfordert seine Zeit, einige Frauen haben noch monatelang mit den „Nachwirkungen“ der Pille zu kämpfen. Meine Tage blieben drei Monate lang aus, weshalb ich dann ziemlich viel Geld in Schwangerschaftstests investierte. Als ich den „Nicht schwanger“-Ergebnissen nicht mehr traute und gerade panisch einen Termin beim Frauenarzt vereinbart hatte, kündigten sie sich plötzlich wieder an. Vor lauter Freude hätte ich fast eine Whatsapp-Gruppe gegründet.
Mit welchen Nebenwirkungen ist nach dem Einsetzen der Spirale zu rechnen?
Sind meine Schmerzen schlimmer geworden? Nein. Blute ich tagelang wie kurz vorm Ausbluten? Auch das nicht. Es ziept ein bisschen, es blutet ganz normal, aber der ganze Spuk ist sogar ein bisschen angenehmer als vorher. Außerdem kann ich ihn besser akzeptieren, da ich weiß, dass er nun wirklich so abläuft, wie von Mutter Natur vorgesehen.
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Seit den sechs Monaten, in denen ich nun mit der Spirale verhüte, hat sich aber nicht nur körperlich einiges verändert. Ich bin grundsätzlich ein emotionaler Mensch, wenn es ganz doof läuft, kommt sogar ein leichter Jähzorn durch und ab und an neige ich zu depressiven Stimmungen. Eigentlich. Denn neuerdings bin ich so ausgeglichen, entspannt, freundlich und zufrieden mit mir wie noch nie. Ich kenne mich kaum noch wieder, es ist fast schon ein bisschen gruselig. Ich habe mich in der Vergangenheit immer gefragt, was wohl passiert, wenn ich irgendwann die Pille absetzte, ob ich zunehmen oder meine Haut schlechter würde. Dass die Hormone aber noch viel mehr als nur Äußerlichkeiten beeinflussen, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Manchmal höre ich ganz bewusst in mich hinein und kann sagen: Ich mag mein neues Ich, und ich weiß, dass ich nie wieder Hormone schlucken werde.
Ich will nicht sagen, dass das Absetzen der Pille aus jeder Frau einen besseren Menschen macht oder es das Allheilmittel für sämtliche Zipperlein ist, aber für mich war es die bislang beste Entscheidung meines Lebens. Und mein Testosteronspiegel? Der hat sich bisher sehr unauffällig verhalten. Warten wir’s ab.
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