Wirkt Trockenshampoo besser auf nassem, sauberem Haar? Ich hab’s getestet

TikTok ist definitiv eine echte Quelle smarter Haar-Tricks. Erst letzten Monat habe ich dort vom „Hair Cycling“ erfahren, wofür mir meine Haare seitdem dankbar sind. Dasselbe gilt für Glykolsäure gegen Schuppen, die ich bis dahin nur im Gesicht verwendet hatte. Diese Idee ist so gut, dass sogar eine Trichologin (eine Haar-Ärztin) davon begeistert war, mit der ich darüber gesprochen habe.

Diese Woche ist mein TikTok-Feed überraschenderweise voller Tricks rund um Trockenshampoo – das ich scheinbar bisher immer falsch verwendet habe. Für mich ist Trockenshampoo die Rettung, wenn ich das Waschen meiner fettigen Haare noch um einen Tag hinauszögern will. Ich sprühe es mir auf den Haaransatz, massiere es mit meinen Fingern ein und bürste meine Haare dann gründlich durch, um das Puder gleichmäßig bis in die Spitzen zu verteilen.

Als ich aber eine Handvoll TikTok-Videos sah, die mir nahelegten, die Anwendung von Trockenshampoo auf trockenem Haar sei eigentlich Quatsch, wurde ich neugierig. Die TikTokerin Jillian Jane dankt der Stylistin Katrina Ives in ihrem Video für diese Idee. „Ich kann meistens drei Tage mit der nächsten Haarwäsche warten“, erzählt Jillian, „aber ich habe eine andere Creator gesehen, die nach dem Haarewaschen Trockenshampoo in ihrem noch nassen Haar verteilt, das daraufhin länger bis zur nächsten Wäsche durchhält.“ Jillian meint, entscheidend sei dafür, das Trockenshampoo nach dem Einarbeiten mit einem Föhn zu versiegeln.

Das beeindruckende Volumen war das Erste, was Jillian auffiel. Obwohl sie kein Volumenprodukt verwendet hatte, hatte ihr Haar mehr Schwung, auch am Haaransatz. Der wirkliche Hinweis darauf, dass TikTok hier Recht haben könnte, kam aber erst drei Tage später – drei Tage, nachdem Jillian nach dem Haarewaschen direkt Trockenshampoo in ihr nasses Haar eingearbeitet hatte. „Es ist deutlich weniger fettig als sonst am dritten Tag“, sagte sie. Selbst an Tag 2 war weit und breit kein Fett zu sehen. „Meine Haare sahen komplett sauber aus“, erzählte sie, „und auch heute sind sie noch ziemlich gut!“ Auch TikToker:innen wie @rio.makino und hair salons sind überzeugte Fans. Aber funktioniert das wirklich?

Mein absolutes Lieblings-Trockenshampoo ist Living Proof Perfect Hair Day (PhD) Shampoo (26,95 € via Sephora). Wenn du lieber weniger ausgeben möchtest, ist das Trockenshampoo von Batiste (3,95 € via DM) eine gute Wahl. Ich griff hierbei zum Trockenshampoo von Living Proof, weil ich davon nur sehr wenig Produkt brauche. Noch dazu verspricht Living Proof, mit diesem Trockenshampoo tatsächlich die Haare zu reinigen, indem es Fett aufsaugt, und ich habe festgestellt, dass meine Kopfhaut und Haare danach sehr sauber riechen.

Als ich meinen Kolleg:innen von dem Hack erzählte, wurde direkt die Vermutung geäußert, das weiße Puder könnte sich in meinen nassen Haaren zu einer Art klebrigem Teig entwickeln – und das befürchtete ich auch. Trockenshampoo enthält aber ja kein Mehl, sondern Reisstärke, das Fett aufsaugt, während hydrierte Kieselerde für Volumen und Textur sorgt.

Mein Haar ist in den Spitzen meist sehr trocken, am Ansatz aber fettig. Also wusch ich mir mit dem The Body Shop Shea Intense Repair Shampoo (14,00 € via The Body Shop) und dem dazu passenden Shea Intense Repair Conditioner (9,00 € via The Body Shop) die Haare, verteilte danach eine münzgroße Menge Moroccanoil Hydrating Styling Cream (34,95 € via Sephora) in meinen Spitzen und sprühte mir schließlich großzügig Trockenshampoo in die Haare – genau so, wie ich es drei oder vier Tage nach der Wäsche machen würde, sobald meine Haare fettig werden. Das Produkt ist nicht unsichtbar und sah auf meinen dunkelbraunen Haaren doch sehr weiß aus. Sobald ich aber anfing, es mit meinen Fingerspitzen einzureiben, verschwand es weitestgehend.

Ein wichtiger Schritt bei diesem Hack – zumindest laut TikTok – ist das Einarbeiten des Trockenshampoos mit einem Föhn. Also föhnte ich mir die Haare, und überraschenderweise schien das Trockenshampoo die dafür benötigte Zeit zu halbieren (vielleicht, weil es den Großteil des Wassers aufsaugte). Ich war jedenfalls froh darüber, an diesem Abend fünf Minuten weniger in meine Haarpflege investieren zu müssen.

Ich kann nicht leugnen, dass der Trick bei mir für unglaubliches Volumen sorgte und das Trockenshampoo meinem Haar einen ordentlichen Boost verlieh. Weil ich sehr dicke Haare habe, kann es sogar sein, dass es ein bisschen zu viel Volumen war; weil ich gerade aber kurze Haare habe, glätte ich sie mir ohnehin. Meine Frisur sah voller und irgendwie edler aus, als hätte ich mich gerade im Salon stylen lassen. Ich hatte vorher vermutet, ich würde das Trockenshampoo an meinen Haarwurzeln merken – meine Haare waren allerdings genauso glatt und weich, wie sie nach dem Föhnen immer sind. Das Produkt fühlte sich an meinen Händen zwar an wie Kreide, aber auch das war nach einmaligem Händewaschen vorbei.

Weil ich derzeit einen Boyfriend-Bob trage, fasse ich meine Haare im Laufe des Tages sehr oft an, um sie mir aus dem Gesicht zu schieben. Kein Wunder, dass sie also schon nach dem ersten Tag fettig werden! Nenn es Zauberei oder einfach Wissenschaft, aber am nächsten und übernächsten Tag nach diesem Hack war in meinen Haaren keine Spur von Fett zu sehen. Am dritten Tag fiel mir direkt am Haaransatz vorne doch ein wenig Fett auf – wo ich die Haare am meisten berühre –, aber insgesamt sah meine Mähne deutlich weniger fettig aus als sonst, und ich schaffte es auch einen weiteren Tag, ohne zum Trockenshampoo greifen zu müssen. Sogar am fünften Tag hätte ich meine Haare nicht unbedingt waschen müssen. Weil ich aber ein Bad nahm, bei dem die Unterseite meiner Frisur klitschnass geworden war, wusch ich sie mir dann doch (wenn auch widerwillig).

Ich wollte mir unbedingt eine Profimeinung zu diesem Trick einholen. Also fragte ich den Haarspezialisten Jay Dharamshi und den Haarstylisten Neil Moodie: Bringt Trockenshampoo auf nassem, gewaschenem Haar wirklich was, oder hatte ich bloß eine besonders gute Haar-Woche gehabt? Und ist der Trick für jede:n geeignet, selbst für Menschen mit empfindlicher Kopfhaut? Es stellte sich raus, dass sich die Experten dahingehend nicht ganz einig waren.

Jay glaubt, es könne sich definitiv lohnen, das Trockenshampoo auf diese Art zu verwenden. „Es ist super, um fettigem Haar vorzubeugen, wenn deine Haare dazu neigen, schnell fettig auszusehen“, sagt er. „Trockenshampoo funktioniert gut auf nassem Haar direkt nach der Wäsche, weil es Öl schon absorbieren kann, bevor es das Haar überhaupt fettig aussehen lässt. Dadurch sieht das Haar länger frisch aus und bekommt zusätzliches Volumen.“

Jay betont aber auch, dass Trockenshampoo deine Haare nicht wirklich reinigt, sondern bloß Talg absorbiert und das Haar somit sauberer aussehen lässt. Ihm zufolge sollte es auch nur zwischendurch verwendet werden, nicht als fester Bestandteil deiner Haarpflegeroutine.

Obwohl ich mit meinem fettigen Haar eindeutig eine Verbesserung bemerkt hatte, ist Neil von diesem Hack weniger überzeugt. Er nennt das Ganze einen Trend. „Meiner Meinung nach verfehlt der Trick den eigentlichen Zweck eines Trockenshampoos. Dieses Produkt ist dafür entworfen worden, einen oder zwei Tage nach der Haarwäsche verwendet zu werden und überschüssiges Fett im Haar zu absorbieren.“ Er befürchtet, Trockenshampoo könnte deinem Haar die natürlichen Öle entziehen, wenn du es auf sauberen, nassen Haaren anwendest – und diese Öle braucht dein Kopf eigentlich, um Haut und Haare mit Feuchtigkeit zu versorgen.

Neil warnt außerdem, dass das Sprühpuder die Poren in der nassen Kopfhaut langfristig verstopfen könnte. Wenn sich auf deinen Haaren und deiner Kopfhaut viele Produktablagerungen ansammeln (und daraufhin fettig werden bzw. die Kopfhaut zu jucken beginnt), solltest du ein tiefenreinigendes Shampoo verwenden, empfiehlt er – zum Beispiel das Olaplex 4C Clarifying Shampoo (29,95 € via Olaplex), das wir selbst schon getestet haben. Ansonsten reicht dein normales Shampoo. 

Du siehst also: So ganz einig ist sich die Haarpflege-Community hierbei noch nicht. Ich kann aber nicht leugnen, dass der Trick in meinem Fall gut funktioniert hat. Trotzdem würde ich ihn nicht jedes Mal anwenden, nachdem ich mir die Haare gewaschen habe, weil ich Angst habe, mir damit die Kopfhaut und Haare auszutrocknen (danke für die Warnung, Neil). Letzten Endes geht natürlich nichts über eine gründliche Haarwäsche, um dir und deinen Haaren ein bisschen Energie einzuhauchen. Während besonders voller Wochen, bei Festivals oder auch nur unterwegs, wenn ich nicht die Zeit habe, um mir öfter die Haare zu waschen, ist dieser Hack aber auf jeden Fall Gold wert.