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Warum Yoga mich ankotzt & wie ich lernte, zu entspannen

Foto: Erin Yamagata.
Kürzlich sah ich mich inmitten einer Yoga-Stunde im Spiegel. Mein Gesicht war rot und zu einer unansehnlichen Grimasse verzogen – das genaue Gegenteil von Zen. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass das alles auf eine überaus komplexe Yoga-Position zurückzuführen war, aber ich saß, mit meinen Händen vor der Brust, wie das betende Emoji. Wann ist das endlich vorbei? dachte ich mir. In letzter Zeit macht mich Yoga wütend, und anscheinend bin ich nicht die Einzige, der es so geht. Es gibt viele Gründe, warum Leute nicht zufrieden mit ihrem Yoga-Unterricht sind: Oftmals sind die Unterrichtsstunden teuer und werden hauptsächlich von schlanken, blonden Frauen besucht; Instagram vermittelt den Eindruck, es ginge vordergründig um ansehnliche Posen und die Perfektion der brückenartigen Chakrasanas; Verletzungen sind ein fester Bestandteil der Praxis, möglicherweise verursacht durch unqualifizierte Lehrkräfte; und die gute, alte Hindu-Philosophie ist zu einer massenkompatiblen Körper-Geist-Übung geworden. Doch keiner dieser Kritikpunkte war mir an diesem Abend präsent, als ich auf meiner Matte saß und mir das Namaste herbeisehnte (a.k.a. das Ende), anstatt mich immer wieder für ein weiteres Vinyasa aufrichten zu müssen. Ich konnte mit dem Finger auf keinen bestimmten Faktor X zeigen, der diese Wut in mir auslöste, aber meine Frustration war so beharrlich, wie die Matte unter mir klebrig war, und sie hielt mich von etwaiger Form der Entspannung ab. Yoga war mein Allheilmittel. Ich habe damit angefangen, als ich mit 18 frisch ans College kam und blieb die nächsten zwölf Jahre dabei. Ich war nie fanatisch, aber ein bis zwei Unterrichtsstunden waren meine wöchentliche Flucht und Regeneration; sie gaben mir das physische Training, das mein Körper brauchte, und den inneren Frieden, den ich mental benötigte. Ich habe mich schon als Kind immer sportlich betätigt und brauchte auch als Erwachsene immer Bewegung um glücklich zu sein. Yoga hat mich in meinen 20ern durch die Höhen und Tiefen – Trennungen, den Tod eines guten Freunds, neue Jobs und sämtliche Umzüge – begleitet, und mir durchweg Stabilität und ein Gefühl von Kontinuität gegeben. Bis zu dem Moment, in dem es knallte. Ich war „zur Probe“ in einem dieser edlen, dumpf beleuchteten Yoga-Studios; es war von Anfang an klar, dass ich nie die vollen Stundenpreise zahlen würde. Ich war gerade umgezogen und hatte mich seit Wochen nicht mal ansatzweise gedehnt. Alle um mich rum hingegen schienen gerade aus der Generalprobe des Cirque du Soleil ins Yoga-Studio geschwebt zu sein. Ich gab mein Bestes um der Yogalehrerin zu folgen, aber es fühlte sich so an, als hätte ich etwas nicht mitbekommen: eine Ansage, die alle Teilnehmer dazu aufforderte, bei jeder nächstbesten Gelegenheit einen Handstand in die Übung einzubauen. Yoga soll dich dazu bringen, den Blick einwärts zu wenden – ich, hingegen, war einzig und allein dazu in der Lage, die Akrobaten um mich rum anzustarren und in der Not in die Stellung des Kindes zurückzuweichen, um auf den Boden zu schauen. Das war das erste Mal, dass ich einfach gehen wollte. Was tue ich hier? fragte ich mich. Seit wann sieht mein herabschauender Hund aus, als wäre er von einem Auto angefahren worden? Wenn ich noch einmal „Wirbel für Wirbel aufrollen, bis ihr aufrecht steht“ höre, drehe ich durch. Im Anschluss fragte ich ein paar Freunde, ob sie sich nach dem Yoga auch schon mal schlechter gefühlt haben als vorher, oder ob ich die Einzige bin, bei der von einer Stunde Chatarungas miese Stimmung aufkommt. Der Konsens ergab, dass man frustriert aus der Yoga-Stunde kommt, wenn man die Kommunikation mit dem Lehrer oder der Lehrerin nicht stimmt – das rufe ein Gefühl von verschwendeter Zeit hervor, von Unterforderung und aus dem Fenster geworfenem Geld. Eine Freundin vertraute mir außerdem an, dass es noch weitere Wuttrigger gibt: laute Atmer auf der Matte neben einem oder, mein Favorit, Trainer, die Beckenbodentraining in Gruppen vorschlagen. Ich hatte ähnliche Frustrationsmomente erlebt (mit Ausnahme der Beckenbodengymnastik), konnte die Ursache meines Ärgers aber auf keine genaue Einzelheit zurückführen. Eine unbestimmte Mischung aus warum bist du nicht schon weiter in deiner Karriere/hast du nicht mehr Rücklagen/bist du so schnippisch zu deinem Mann? Es half nicht, dass alle, die scheinbar wirklich Yoga praktizierten, durchweg glücklich zu sein schienen. Ja, genau, die Strahlemenschen auf Instagram, aber auch meine Freunde, die mehr Hingabe bewiesen als ich. Ich hatte mich nicht von Yoga getrennt, ich habe es in die Peripherie meines Lebens geschoben. Jedes Mal, wenn ich meine Yogamatte anschaute, wie sie zusammengerollt in der Ecke stand, überkamen mich Schuldgefühle, und das nicht nur, weil sie 80 Dollar gekostet hat und ich mir versprochen hatte, sie jeden Tag zu benutzen. Im Jahr zuvor hatte ich meine 200-stündige Ausbildung zur Yoga-Lehrerin absolviert, ich hatte mich in yogische Schriften vertieft und gelernt, wie man Posen demonstriert – alles in der Hoffnung, neben meinem (wohlgemerkt etwas einsamen) freiberuflichen Journalistendasein einen Tag pro Woche Yoga-Unterricht zu geben. Jetzt, nur Monate später, scheute ich mich vor den Yoga-Stunden und musste alle Nachfragen meiner Freunde und Familie, ob ich denn schon unterrichte, negieren. Ich murmelte irgendetwas von zu beschäftigt und behauptete, dass ich derzeit größtenteils einfach zuhause trainiere.
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Ich habe Yoga zu viele Rollen zugeschrieben: Training, Therapie, Treffpunkt, Teilzeitjob.

Nicht gewillt aufzugeben, fand ich mich in einer restaurativen Yoga-Stunde wieder. Die Beschreibung des Kurses im Internet umfasste Wörter wie Verjüngung, Heilung und nährend, alles Dinge, die mir fehlten. Sobald meine Matte ausgerollt war, schien es, als hätten wir uns den Rest der Stunde nicht weiter bewegt. Stattdessen legten wir uns, von leichten Decken umhüllt, auf Polster und führten Michelinmännchen-Varianten traditioneller Yoga-Posen aus. Ich verließ den Unterricht mit einem wohlig-warmen Bauchgefühl, wie ich es einst nach einer harten Stunde Poweryoga verspürte, nur, dass ich jetzt nicht einmal den leichtesten Schweißfilm aufwies. Ein Teil von mir konnte nicht recht glauben, dass ich Geld bezahlt hatte, um vor anderen Leuten unter einer Decke zu liegen. Ich sagte mir unentwegt, dass ich mich bald wieder an das harte, das wahre Yoga herantrauen würde, aber jedes Mal, wenn ich aus einer Powerstunde herauskam, fühlte ich mich unausgeglichen, als hätte ich die Welle verpasst, auf die alle aufgesprungen waren. Ich rang mich durch und fragte schließlich eine Freundin, die Reiki und Yoga lehrte, warum ich mich mit intensiveren Yogaarten nicht mehr identifizieren konnte. Sie sagte es auf ayurvedische Art (Ayurveda als antike Heilungsphilosophie ordnet Menschen drei Elementen zu, unter denen Menschen funktionieren: Wind, Erde und Feuer), und erklärte, dass Leute mit meiner Art von Ambition oft über eine Feuerseite verfügen. Yoga-Kurse, die den Körper erhitzen, können dieses innere Feuer zusätzlich entfachen und zu mehr Reizung und Irritation führen – vor allem dann, wenn es noch andere Stressoren gibt, wie einen Umzug oder Jobwechsel. Meine Freundin empfahl mir restauratives Yoga und ihre Worte beruhigten mich sofort. Die seichteren Sitzungen taten mir gut, und trotzdem fragte ich mich weiterhin, ob ich nicht doch irgendwann die Frustrationsschwelle überwinden und den Spaß an Poweryoga wiederfinden würde. Vor meinem inneren Auge sah ich mich immer wieder als kleines Kind, wie ich turnte, meine Arme in die Luft schwang und in einer soliden Brücke abschloss. Mir wurde klar, dass ich Yoga viele Rollen zugeschrieben hatte: Training, Therapie, Treffpunkt unter Freunden,Teilzeitjob. Jetzt wurde mir plötzlich gesagt, ich sollte meine Beine hochlegen und eine Decke über meinen Oberkörper legen. „Das Ziel von restaurativem Yoga, wenn es denn ein spezifisches gibt, ist maximale Entspannung“, sagte eine Lehrerin kürzlich. Mir reicht das – für den Moment.
Übersetzt von Rea Mahrous
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