Es passiert bei fast jeder Familienfeier. Manchmal ist es eine Frage, manchmal ein Kommentar, der Gedanke aber bleibt der gleiche: Wann findest du endlich einen Mann?
Immer wieder sagen mir Cousinen, dass eine ernste Beziehung bei mir „längst überfällig“ sei. Onkel geben mir den Rat, ich solle doch jemanden finden, „bevor es zu spät ist“ – mit „zu spät“ ist mein 30. Geburtstag nächstes Jahr gemeint. Tanten fragen mich regelmäßig, ob es nicht „merkwürdig“ sei, die „einzige Single-Frau“ zu sein, ob es noch andere gebe. Meine Großmutter versichert mir immer wieder, dass „sich noch ein Guter finden wird“.
Erst letztes Wochenende habe ich meine Eltern besucht. Als ich mit meiner Mutter am Mittagstisch saß, sagte sie mir in ihrem mütterlich-wohlwollenden Ton, „Nun, ich bete, dass du jemanden findest, der zu dir passt.“
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Ich schreckte zusammen. Ihre Aussage hatte mir kurzzeitig die Sprache verschlagen. Das ist es, worum meine Mutter sich Sorgen macht? Das ist es, wofür sie betet? Dass ich aufhöre, Single zu sein?
„Das brauchst du gar nicht“, erwiderte ich, nachdem ich wieder zu mir gekommen war. „Bete doch lieber dafür, dass ich meine Arbeit gut mache und finanziell auf eigenen Beinen stehen kann, so ganz alleine.“
Ich weiß, dass meine Mutter es gut meint, wie die meisten anderen Mütter auch. Sie möchte, dass es mir gut geht und ich glücklich bin. Trotzdem ist es eine bodenlose Frechheit, ja geradezu herablassend, dass so viele meiner Familienmitglieder und Freunde tatsächlich glauben, dass mir als Single etwas fehlt. Dass ich so nicht glücklich werden kann. Nicht wirklich glücklich.
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‚Was ist mit dir? Warum bist du nur so… anders?‘ Aber bin ich das wirklich?!
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Denn wenn ich single bin, dann fehlt meinem Leben etwas und ich bin anscheinend zu blöd oder blauäugig, um es zu kapieren. Sie aber haben es durchschaut: Mein Single-Leben ist Trauer und Frustration in Dauerschleife. Meine Abende verbringe ich hauptsächlich damit, Oliva-Pope-große Weingläser in mich hineinzukippen, während ich in dramatischen Gesten zu „All By Myself“ mitsinge – oder eher seufze.
Wenn mir Leute sagen, dass sie mich gerne in einer Beziehung sehen wollen, dann weiß ich, dass das Quatsch ist. Was sie eigentlich meinen: Sie wollen mich verheiratet sehen. Denn wenn es wirklich um Beziehungen ginge, hätten sie bemerkt, dass ich schon längst in Beziehungen stecke. In vielen sogar! Ich habe das Glück, mehr Freunde zu haben, als ich zählen kann. Ich stehe sämtlichen Cousinen und Cousins näher, als so manch einer seinen Geschwistern, und zu meinen Eltern habe ich auch einen guten Draht. Ich habe beste Freundinnen aus Schulzeiten, die für mich eher Schwestern sind. Und all diese Beziehungen sind mir wichtig. Sie sind echt, tiefgründig, leidenschaftlich und liebevoll. Sie sind mein Rückgrad und mein Sicherheitsnetz. Sie machen mich glücklich und sie bedeuten auch Arbeit – so, wie alle Beziehungen.
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Die Entscheidung, Single mit vielen platonischen Beziehungen zu sein, bereitet offensichtlich vielen meiner Liebsten Kopfschmerzen. Ich sehe es in ihren Gesichtern, höre es in der Art, wie sie mit mir sprechen. Was ist mit dir? Warum bist du nur so… anders? Aber bin ich das wirklich?!
In einer Umfrage der New York Times im September wurden Frauen gefragt, wie wichtig die Ehe für ihre Lebensplanung ist, ganz egal ob aktuell oder perspektivisch. Das Ergebnis war nicht allzu überraschend: 47% der Befragten antworteten mit „sehr wichtig“.
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Ich war immer alleine – alleine, nicht einsam – und so mag ich es.
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Doch eine Sache gab mir Hoffnung: 17% der befragten Frauen sagten, dass ihnen die Ehe „überhaupt nicht wichtig“ sei. Das bedeutet, dass es da draußen viele Frauen gibt, die zwar in Beziehungen sind, aber nicht das Bedürfnis haben, einem Ring zu viel Bedeutung zukommen zu lassen. Außerdem sind darunter wahrscheinlich auch einige, denen es, wie mir auch, herzlich egal ist, ob sie jemals den oder die Richtige finden, und die es nicht zur Aufgabe Nummer 1 machen, eine/n Partner/in zu finden.
Manch einer verliert in Anbetracht solcher Aussagen vielleicht die Hoffnung, vielen wird von der Vorstellung mulmig. Sie glauben, dass ich nicht weiß, wovon hier die Rede ist und zweifeln. Aber lasst mich erklären: Ich bin Einzelkind. Ich war immer alleine – alleine, nicht einsam – und so mag ich es. Ich hatte Beziehungen mit Männern, für andere habe ich geschwärmt, ich hatte Affären, Friends with Benefits und Typen, mit denen ich nichts als guten Sex hatte. Aber das war’s dann eben auch. Wenn sie passé sind, dann sind sie passé. Ich hatte nie das Bedürfnis, eine dieser Beziehungen unnötig in die Länge zu ziehen. Nicht, weil es keinen „guten“ unter ihnen gab und auch nicht aus anderen Gründen, sondern einfach, weil ich es nicht wollte.
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Vielleicht bin ich einfach 29 Jahre alt und habe „den Richtigen noch nicht gefunden“, wie meine Mutter es sagt. Vielleicht war ich auch einfach noch nie so richtig verliebt. Vielleicht ist die Großstadt, in der ich lebe, auch einfach der falsche Ort, um diese Art von Liebe zu finden? Möglicherweise hat das Zeitalter des digitalen Dating mein Herz erfrieren lassen. Vielleicht, aber wirklich nur ganz vielleicht, bin ich schon glücklich.
Ich liebe es, Tanzstunden zu nehmen und mich ehrenamtlich zu engagieren. Ich finde es großartig, meine Netzwerke auszubauen und so immer wieder an neue Menschen, neue Orte und neue Aktivitäten herangebracht zu werden. Ich liebe alle meine Freunde und meine ganze Familie. Genauso liebe ich es aber auch, mal freitagabends alleine ins Kino oder essen zu gehen. Ein gewisser Teil meiner Freizeit soll mir und nur mir gehören. Weshalb ich mir im Übrigen auch kein Haustier anschaffe und auch keinen Kaktus.
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Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, sich unvollständig zu fühlen, nur weil man alleine ist.
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Einige meiner Freunde waren bereits verheiratet und sind geschieden, weitere stecken in jahrelangen Beziehungen, die sie schon längst nicht mehr erfüllen. Andere meiner Freunde sind glücklich verheiratet und blühen in ihrer Zweisamkeit erst richtig auf. Ich habe Freundinnen, die Mütter werden und Freundinnen, die sich selbst den Kopf darüber zerbrechen, ob sie ihr Leben lang alleine bleiben. Dass irgendeiner von ihnen verrückt oder komisch ist, glaube ich nicht. Jeder entscheidet für sich und ich respektiere das.
Ich kenne viele dieser traurigen Klischeemomente nicht. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, sich unvollständig zu fühlen, nur weil man alleine ist.
Vielleicht lerne ich noch jemanden kennen, der meine Ansichten um 180 Grad verändert. Ich hoffe einfach, dass dieses starke Glück, das ich schon alleine verspüre, eine potenzielle Beziehung noch stärker und glücklicher machen würde. Aber vielleicht wird da auch nie jemand sein. Vielleicht bleibe ich für immer Single.
Und wisst ihr was? Die Vorstellung macht mir keine Angst. Ich finde sie sogar absolut okay. Das muss niemand teilen, es ist nämlich genauso okay, heiraten zu wollen, wenn das eben das eigene Verständnis von Glück bedeutet. Aber ich möchte in Ruhe gelassen werden, genauso wie ich anderen auch keine Predigt darüber halte, was ich für Nachteile in Beziehungen sehe. Ich möchte weder Kommentare, noch mitleidig auf die Seite gelegte Gesichter und auch keine Trauer-erfüllten Blicke. Hört auf, zu hoffen, dass ich jemanden finde – hofft lieber darauf, dass ich glücklich bin.