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Was die neuen Geschlechteroptionen bei Tinder für mich als Transfrau bedeuten

Seitdem Tinder kürzlich verlauten ließ, die Einstellungen bezüglich des Geschlechts eines Benutzers über das Mann-Frau-Modell hinaus auf 37 neue Optionen erweitert zu haben, grübele ich darüber nach, ob diese Errungenschaft nun tatsächlich Berge versetzt hat oder einfach nur mächtig Wellen im Pool meiner potentiellen Dating-Partner schlagen wird. Natürlich ist es durchaus positiv, die Möglichkeit zu haben, seinem Gegenüber jegliche Feinheiten der eigenen geschlechtlichen Identität direkt mitteilen zu können. Das Ganze sagt jedoch sehr viel mehr über den Wandel der Gesellschaft aus, als über die meine Chancen ein Date zu finden. Es bewegt sich etwas in der Gesellschaft. Strukturen weiten sich und erlauben es immer mehr, immer unterschiedlicheren Menschen teilzuhaben. Das kann nur etwas Gutes sein, etwas Positives, etwas Richtiges. Wir haben schließlich lang genug von draußen an die Tür geklopft. In einem Zeitalter, in dem festgefahrene Geschlechterrollen im Grunde niemandem mehr gerecht werden – auf ihren Tinderprofilen posieren Männern vor Bergkulissen und mit Haien, Frauen eifern den Looks der Promidamen nach und von Transfrauen erwartet man, dass sie sich superfeminin geben – kann es nur positiv sein, sich von den Fesseln des binären Modells zu befreien. Es ist wichtig, sich selbst in dem existierenden System wiederfinden zu können und sich darin eingebunden zu fühlen. Es ist wichtig authentisch sein zu können; Hier bin ich, ich möchte dich kennenlernen, ich hätte nichts gegen Sex und nur so nebenbei: Ich bin eine Transfrau, die sich im Grunde als geschlechtsneutral empfindet. Das fühlt sich einfach richtig und gut an. Ich denke, dass wir in 20 Jahren nicht mehr fragen müssen: Wann wusstest du es? Wie wusstest du es? Wie bist du bisher damit umgegangen? Weiß deine Familie davon?
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Für eine ältere Frau ist Dating niemals einfach, egal, wie alt deine Muschi ist.

Heutzutage stellen die Menschen aber all diese Fragen. Die Klärung dieser Fragen ist den Menschen wichtig und bis schließlich ein breiteres Spektrum an unterschiedlichen Menschen Räume wie Tinder für sich erobert haben, werden sie diese Fragen auch weiterhin stellen. Vielleicht ist genau das die Absicht hinter den neuen Optionen: Die Vielfältigkeit der Teilnehmer auszubauen und all diese Fragen so irgendwann verstummen zu lassen. Die Erweiterung der Einstellungen mag vermutlich nicht das Dating-Dilemma lösen und viele Transfrauen werden auch weiterhin ihre Samstagabende alleine verbringen; das wird wohl auch so bleiben, besonders, bei jenen, die bereits ein gewisses Alter erreicht haben. Das ist wirklich ein großer Teil des Problems – für eine ältere Frau ist Dating niemals einfach, egal, wie alt deine Muschi ist. Egal, welche Möglichkeiten du hast, die Leute über dein Geschlecht aufzuklären, ab einem bestimmten Punkt bist du einfach unsichtbar. Du kannst dich selbst bezeichnen, als was du willst, aber die Leute werden dich immer zuerst als eine ältere Frau wahrnehmen, als „alternd“ und traurigerweise auch als „zu alt für Sex“. Aber Tinder hat Recht. Wir müssen anfangen, die Grenzen einzureißen, die uns immer wieder in Gedächtnis rufen wollen, dass Transgender nur Räume für Transgender besetzen sollten, wie Nachtclubs für Transgender oder Datingportale für Transgender. Ich versuche hier niemandem die Schuld zu geben, aber bisher hat man uns lediglich den kleinen Finger gereicht. Vor zehn oder auch nur fünf Jahren wäre es allerdings noch unmöglich gewesen, sich als Transfrau bei einem solchen Datingportal anzumelden. Vielleicht müssen wir also einfach nur den Sprung wagen und die festgefahrenen Erwartungen an die Geschlechter durchbrechen. Als ich mich dazu entschied zur Frau zu werden, war ich als Lehrerin tätig. Die Leute waren ernsthaft geschockt, dass ich, trotzdem ich meine geschlechtliche Identität verändert hatte, meinen Job auch weiterhin ausführen wollte. Spult man zehn Jahre vor, gibt jede Menge Lehrer und Schüler, die Transgender sind und an unseren Schulen lehren und lernen. Ihre persönlichen Entwicklungen und Geschichten müssen nicht mehr verheimlicht werden. Wir sind zwar noch lange nicht am Ziel, aber es tut sich etwas. Vor einigen Jahren habe ich auf einer sehr bekannten Dating-Seite – Tinder gab es damals noch nicht – ein Experiment versucht (kein wissenschaftliches). Zunächst habe ich lediglich ein Foto von mir hochgeladen – eines, auf dem ich nett lächelte. Ich log bezüglich meines Alters und legte mir ein paar unverfängliche Hobbies zu (lesen, Kino, Essen gehen mit Freunden). Es meldeten sich eine Menge Interessenten und potentielle Dates. Aus reinem Interesse verabredete ich mich mit einigen von ihnen. Doch sobald die Wahrheit ans Licht kam, endete das Ganze jedes Mal im Desaster. Dann fügte ich meinem Profil die Information hinzu, dass ich Transgender bin. Geradeheraus und ohne Umschweife.
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Würden sich mehr Männer für mich interessieren, wenn ich mich von vornherein als Transfrau identifizieren könnte?

Die Anzahl der Verehrer, die sich zuvor für die junge, unkomplizierte Blondine interessiert hatten, sank gegen Null. Ein paar Männer fragten mich, ob ich mich bereits einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hätte und um ehrlich zu sein, wirkte das jedes Mal wieder abschreckend. Ich mag unkomplizierten Spaß, aber für diese Männer fand sich meine geschlechtliche Identität in meiner Hose und nicht in meiner Seele, meinem Sein. Ihnen zu erlauben, mich aufgrund meiner Genitalien zu beurteilen, fühlte sich einfach so falsch an. Ich frage mich: Würde ich das gleiche Experiment heute noch einmal starten, gäbe es einen Unterschied? Würden sich mehr Männer für mich interessieren, wenn ich mich von vornherein als Transfrau identifizieren könnte? Wenn ich dann auch noch hinzufügen würde, dass ich sowohl Transgender als auch HIV positiv bin, würden die Zahlen wohl vollkommen in den Keller fallen. Sich selbst authentisch darstellen zu können, spielt natürlich eine Rolle. Viele sprechen davon, dass sie keine Stempel brauchen oder diese ablehnen, aber meistens sind genau das die Leute, für die die Schubladen tatsächlich passen. Nur wenn du nicht in eine Schublade passt, wirst du dir ihrer bewusst, weil man versucht dich in etwas hineinzupressen, das sich einfach nicht richtig für dich anfühlt. Wenn wir laut und stolz aussprechen können, wer wir wirklich sind, ist das ein echter Fortschritt. Ich bin eine stolze, politisch engagierte Transfrau und das bringt mich und meine Persönlichkeit ziemlich einfach und exakt auf den Punkt.
Foto: Courtesy of Tinder
Worte sind wichtig, neue Worte zu etablieren ist wichtig, denn wie viele Menschen bei Tinder mögen noch nie den Begriff „genderqeer” gehört haben? Oder haben noch nie jemanden getroffen, der seine geschlechtliche Identität als „nicht-binär” bezeichnet? Worte schaffen Räume und Legitimation und es kann nicht nur an uns sein, der Transgender-Gemeinde, diese Worte zu gebrauchen, um uns selbst zu beschreiben. Wenn andere uns Optionen schaffen, gibt man uns Raum uns zu entfalten, wenn auch nur für einen Moment, in dem wir nach einem spannenden Flirt Ausschau halten...
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