Wenn ich meinen Freunden oder meiner Familie von einem neuen Typen erzähle, reagieren alle sehr euphorisch. Sie wollen alles über ihn wissen und im Detail hören, wie wir uns kennengelernt haben.
Rede ich über einen aktuellen Freund – darüber, wie wir uns im Urlaub in Portugal kennenlernten und den Urlaubsflirt zu einer transatlantischen Fernbeziehung machten –, staunen die meisten. Ein Detail unserer Geschichte hebe ich mir allerdings immer für den Schluss auf:
„Er hat diesen tollen Marketingjob und wir haben ja beide Journalismus studiert. Er reist viel – und er ist 23.“ Ich bin 33 Jahre alt.
Die meisten schnappen dann erstaunt nach Luft oder nicken verständnisvoll, manchmal zwinkert man mir auch komisch aufmunternd zu. Irgendeine Reaktion kommt auf jeden Fall immer. Es ist, als würden meine Gesprächspartnerinnen und -partner sich regelrecht dazu aufgefordert fühlen, auf unseren Altersunterschied zu reagieren.
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Mittlerweile empfinde ich dieses Verhalten nicht nur als unfair, sondern als sexistisch. Wäre mein Partner nur wenige Jahre jünger als ich – oder wesentlich älter – wäre das Alter überhaupt kein Thema. Wenn jemand weiß, wovon ich spreche, dann wohl keine geringere als das 43-jährige Supermodel Heidi Klum. Für ihre Beziehung mit einem 13 Jahre jüngeren Mann musste sie in der Vergangenheit ordentlich Kritik einstecken. Ein Glück gibt Heidi bösen Zungen auch bei diesem persönlichen Thema ordentlich Kontra. Auch andere prominente Frauen wie Madonna, Jennifer Lopez, Robin Wright, Kim Catrall, Mariah Carey, Susan Sarandon und Demi Moore (die übrigens auch mal mit Heidis aktueller Flamme Vito zusammen war) wissen, wovon die Rede ist. Die sexistische Kritik an Beziehungen älterer Frauen mit jüngeren Männern ist nichts Neues. Und Heidi Klum, die einen smarten, kultivierten 30-jährigen Partner hat, gehört nun auch zu den Opfern dieser Doppelmoral.
Meiner Erfahrung nach schlägt Männern, die mit wesentlich jüngeren Frauen zusammen sind, eher eine Welle der Anerkennung entgegen. Oder wie es die New York Daily News ausdrückten: „In Hollywood ist es eine altehrwürdige Tradition, dass ältere Männer mit jüngeren Frauen zusammen sind.“ Unlängst waren Sean Penn, Mel Gibson und Robin Thicke wegen ihrer deutlich jüngeren Partnerinnen in den Schlagzeilen. Doch schon im alten Hollywood brüstete man(n) sich mit extremen Altersunterschieden. Man denke an Humphrey Bogart und Lauren Bacall (25 Jahre Altersunterschied) oder an Frank Sinatra und Mia Farrow (30 Jahre). Diese Form der heterosexuellen Beziehungsdynamik ist längst zur Norm geworden.
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Die Tatsache, dass er jünger ist, hebe ich mir oft bis zum Ende auf.
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Frauen, die mit jüngeren Männer zusammen sind, werden hingegen als „Cougars“ (dt. Puma) abgestempelt, die sich ihre Beute arglistig geschnappt haben. Vertreter der Freudschen Theorie attestieren einen Mutterinstinkt oder es wird gesagt, dass die Frauen „wahnsinnig gut im Bett“ sein müssen. Versuche, die schier unglaubliche Tatsache zu rechtfertigen, dass ein jüngerer Mann mit einer älteren Frau zusammen ist – ganz so, als seien Faktoren wie gegenseitige Anziehung, Liebe und Respekt nicht genug. Im Jahr 2009 erschien dann auch in der New York Times ein Trend-Artikel über die sogenannten „Cougars“. Ich muss schon zugeben, dass ich mich manchmal gefragt habe, ob es vielleicht meine „Altersweisheit“ war, die einen nichts ahnenden Jüngling in mein Netz geführt hat. Eine solche Denke lässt jedoch die Tatsache außen vor, dass es in meiner Beziehung noch eine zweite, vollkommen selbstständige Person gibt – den Mann.
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Mein Partner hat seinen eigenen Kopf, eigene Wünsche und Bedürfnisse. Vielleicht sind seine Vorstellungen in 10 Jahren nicht mehr dieselben – mit 24 Jahren waren auch meine Vorstellungen vom Leben bei Weitem nicht endgültig festgelegt – aber für ihn spielte und spielt die Reflexion über diese Aspekte einer Beziehung eine große Rolle für die Weiterentwicklung und das Gelingen unserer Partnerschaft.
Als wir zusammen gekommen sind, hat sich das, trotz des Altersunterschiedes, unheimlich natürlich, entspannt und gut angefühlt. Alles ist auf ganz dynamische Art passiert. Die pathologische Nervosität, die mich üblicherweise packt, sobald ich mich auf einen neuen Mann einlasse, spielte mit ihm keine Rolle. Ich habe natürlich keinerlei wissenschaftlichen Nachweis für den Zusammenhang dieser Tatsache mit dem Alter meines Partners, dennoch ist unsere Beziehung für mich nicht nur die erste mit einem wesentlich jüngeren Mann, sondern auch die erste ganz ohne Angstzustände. Sollte unser Altersunterschied also tatsächlich einen wesentlichen Einfluss auf unsere Beziehung haben, so würde ich sagen, dass dieser bisher nur positiv war.
Auf lange Sicht ist die für mich größte Sorge das biologische Timing. Noch stehen wir am Anfang unserer Beziehung; über das Thema Kinder haben wir vage gesprochen und mein Freund hat Verständnis für meine möglichen zukünftigen Wünsche. Bisher hat er noch nicht Reißaus genommen und es scheint, als wären wir uns auch bei diesem Thema einig.
Ich will nicht behaupten, dass jüngere Mann generell großartige Partner sind; ebensowenig geben ältere Männer immer eine tolle zweite Hälfte ab. Keine Beziehung kommt mit der Garantie für immer zu funktionieren – ganz egal wie es um den Altersunterschied der Beteiligten steht. Nicht mal bei meiner aktuellen Beziehung bin ich mir zu 100% sicher. Aber für den Moment funktioniert es. Weil wir beide intelligente Menschen sind und gewisse Werte und politischen Positionen teilen. Weil die Chemie in höchstem Maße stimmt und weil der Wunsch, den anderen besser kennenzulernen mit jedem neuen Tag wächst. Für mich war das gute alte Sprichwort „Age is just a number“ nie passender, als jetzt. Und ich wette, Heidi Klum sieht das ganz genauso. Niemand kommt auf die Idee, Sean Penn oder Robin Thicke danach zu fragen, wie es sich anfühlt, eine jüngere Frau zu daten. Genauso sollte sich niemand das Recht herausnehmen, einer Frauen diese Frage zu ihren Beziehungen mit jüngeren Männern zu stellen. Wir leben im Jahr 2017. Ich finde, es ist längst an der Zeit, Beziehungen zwischen älteren Frauen und jüngeren Männer normal zu finden.
Letztendlich gehen die Details einer Beziehung nur die beiden Personen etwas an, die sie führen. Alle anderen sollten ihre unaufgeforderten Meinungsäußerungen für sich behalten und nur dann unterstützend zur Seite stehen, wenn sie darum gebeten werden.