Die Vorstellung, dass beim Sex beide Partner kommen und das womöglich auch noch gleichzeitig, klingt zwar fantastisch – die Realität sieht dann aber meistens doch anders aus. Für viele scheint solch ein Idealablauf einfach nicht umsetzbar. Seit einiger Zeit ist in diesem Zusammenhang auch immer wieder vom so genannten Orgasm Gap die Rede, ein Begriff, der an den aus der Arbeitswelt bekannten Gender Pay Gap angelehnt ist und besagt, dass Frauen schlechter bezahlt und nicht gleichberechtigt behandelt würden.
Orgasm Gap: Ist Frauen der Orgasmus ihres Partners wichtiger?
Etliche Studien zum Orgasm Gap wollen beweisen, dass Frauen in einer heterosexuellen Beziehung seltener zum Höhepunkt kommen als ihre männlichen Partner. Und weiterhin, dass Frauen der Orgasmus ihres Partners sogar wichtiger als ihr eigener Höhepunkt sei. In einer Umfrage des Population Research Institute wurden etwa 6000 Frauen zu ihren sexuellen Bedürfnissen interviewt. Rund 38% der Befragten gaben tatsächlich nicht nur an, dass sie dem männlichen Orgasmus Vorrang gewähren, sondern, dass sie den Sex auch ohne Höhepunkt gut fanden.
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Geben Frauen sich mit weniger zufrieden? Haben Frauen ohne Orgasmus weniger Spaß im Bett? Sehen sie ihren eigenen Orgasmus nur als eine Art Bonus an, den es manchmal on top oben drauf gibt?
Es ist nun mal so: die männliche Sexualität funktioniert in der Tat anders als die der Frau. Während der Weg zum Höhepunkt beim Mann einer relativ stringenten Dramaturgie folgt – nämlich Erregung, Erektion, Ejakulation – läuft der Sex bei der Frau längst nicht so linear ab. Der weibliche Körper ist in diesen Belangen komplexer, vielleicht auch komplizierter angelegt. Ihr Höhepunkt ist eben nicht so sichtbar, nicht klar von einem Anfang und einem Ende markiert – auch wenn es natürlich einige Merkmale gibt, die einen Orgasmus erahnen lassen. Von einem erhöhten Puls, angeschwollenen Schamlippen oder Gebärmutterkontraktionen ist immer wieder die Rede, als eindeutig biologisch Zeichen gelten sie jedoch nicht. Sie sind zudem auch bei jeder Frau anders ausgeprägt. Manche Frauen durchleben beim Sex ein Auf und Ab, sind mal weniger erregt, dann wieder mehr.
Ist unser Verständnis von Sex zu männlich geprägt?
Der Geschlechtsakt wird bis heute zudem eher aus einer männlichen Perspektive vermittelt, weil es eben einfacher ist. Uns Frauen wurde beim Thema Sex oft eine passive Rolle zugeschrieben, der Frauenkörper leider allzu oft nur als Projektionsfläche für die Lust des anderen gesehen. Das wurde uns so beigebracht und vielleicht denken wir das in manchen Situationen tatsächlich selbst. Hinzu kommt, dass die weibliche Sexualität oftmals mit Ängsten besetzt ist, einer ungewollten Schwangerschaft zum Beispiel. Das alles ist gewiss nicht die Schuld der Männer, denn diese fühlen sich ja meistens selbst besser, wenn die Frau auch gekommen ist. Es nützt auch rein gar nichts, dass Frauen nun anfangen die männliche Sexualität herabzusetzen oder mehr Orgasmen einzufordern, denn Stress und Leistungsdruck bringen niemanden weiter.
Vielmehr sollten wir für ein generelles Umdenken plädieren. Dass Frauen weniger kommen, muss nicht immer per se als Indikator für schlechten Sex gelten. Eigentlich ist es sogar so, dass der weibliche Höhepunkt gar nicht immer zwingend der Orgasmus sein mus.
Wer die Anzahl an Orgasmen als Barometer für guten Sex nutzt und daraus schließt, dass die Frau weniger Spaß am Kommen hat, liegt einfach falsch. Einige Wissenschaftler verurteilen derartige Studien deshalb auch als zu simplifizierend. Frauen sollten hingege endlich anfangen ihren eigenen Orgasmus als wichtig zu empfinden. Und dazu gehört in erster Linie auch, dass Frauen ihren eigenen Körper kennenlernen, individuell verstehen wie er funktioniert, damit kann sie ihre Bedürfnisse auch ihrem Partner kommunizieren kann. Nicht das „Wie oft“, sondern wie ihr dahin kommt zählt! Und ihr werdet sehen, wenn sich mehr Selbstbewusstsein entwickelt, kommen die Orgasmen automatisch.
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