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Was du eine bisexuelle Person niemals fragen solltest

Design: Yazmin Butcher
Vor dem ersten Lockdown besuchte ich gemeinsam mit einer Freundin, die ebenfalls bisexuell ist, eine Comedy-Show. Vor dem Event warnte sie mich davor, dass dieser Comedian hie und da Anekdoten über Frauen erzählt, die sich zwar als queer identifizieren, aber dennoch meistens mit Männern ausgehen und keinen Oralsex mit Frauen haben wollen. Als der Moment dann tatsächlich kam und diese ironisch gemeinten Geschichten den Raum durchquerten, lachte das Publikum peinlich berührt. Damit war ich mal wieder mit der Unterstellung konfrontiert, dass ich als bisexuelle Person nicht homosexuell genug sei. Mit solchen Stereotypen habe ich schon seit Schulzeiten zu kämpfen – und ehrlich gesagt wird der Witz langsam alt.
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Obwohl bisexuelle Personen einen großen Anteil der Queer-Community ausmachen, sind sie ständiger Diskriminierung ausgesetzt. Wir werden als unentschlossen angesehen – als homosexuelle Menschen, die bloß Angst davor haben, sich zu outen. Unsere Sexualität wird für eine Übergangsphase gehalten, die irgendwann einmal enden wird. Wir werden weiterhin diskriminiert – egal, ob angenommen wird, dass wir die Wahl haben, zu wem wir uns hingezogen fühlen, dass wir uns „Optionen offen halten“ oder hauptsächlich auf Männer stehen. Ein kleiner Tipp: Frag eine bisexuelle Person niemals, welches Geschlecht sie bevorzugt. Unsere sexuelle Orientierung ständig unter Beweis stellen und uns vor Freund:innen, Familienmitgliedern, Partner:innen und der Queer-Community für sie rechtfertigen zu müssen, zehrt ganz schön an unserem Selbstwertgefühl. Außerdem belasten diese Umstände unsere Beziehungen und halten uns davon ab, wir selbst sein zu können: Kein Wunder also, dass wir innerhalb der LGBTQ+-Gemeinschaft als „stilles B“ bezeichnet werden.
Diese Stigmatisierung ist einer der Hauptgründe dafür, warum ich mich erst mit 32 als bisexuell geoutet habe. Als Teenie, der in den frühen 2000er-Jahren aufwuchs, sah ich wenig bis gar keine geouteten bisexuellen Personen in den Medien. Wann immer ich dann endlich doch welche zu Gesicht bekam, wurde ihre Bisexualität in einem fragwürdigen Licht dargestellt. In Serien wie O.C., California wurde Bi-Sein zu einem Übergangsritus für College-Mädchen oder einer „Zwischenstation auf dem Weg nach Gaytown“ degradiert – wie Carrie in Sex and the City witzelte. Ich erlebte mit, wie Willow in Buffy – Im Bann der Dämonen plötzlich lesbisch wurde, nachdem sie in den vorherigen Staffeln einen Langzeitfreund gehabt hatte – als ob Bisexualität von den Autor:innen nicht einmal in Erwägung gezogen worden wäre.
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Ich vermied es, mich zu outen, weil ich ernsthaft glaubte, ich müsse mich gleichermaßen zu Männern wie zu Frauen hingezogen fühlen. Nur so hätte ich mich als bisexuell identifizieren können.

Aus diesem Grund bezeichnete ich mich selbst jahrelang als „zum Großteil hetero“ oder „bi-neugierig“, während ich darum kämpfte, herauszufinden, was ich denn nun tatsächlich war. Obwohl ich mich zu Frauen hingezogen fühlte, war meine Anziehung zu Männern stärker. Deshalb dachte ich, dass ich eher in die heterosexuelle Kategorie fiel. Ich vermied es, mich zu outen, weil ich ernsthaft glaubte, ich müsse mich gleichermaßen zu Männern wie zu Frauen hingezogen fühlen. Nur so hätte ich mich als bisexuell identifizieren können. Natürlich weiß ich heute, dass das nicht der Fall ist: Sexualität ist nicht statisch, sondern dynamisch.

Anziehung hat mit dem Individuum und nicht mit dem Geschlecht zu tun. Das scheinen jüngere Generationen besser als die vor ihnen zu verstehen. Tatsächlich zeigen Studien, dass sich zwei Drittel der Generation Z als ausschließlich heterosexuell identifizieren und diese Bevölkerungsgruppe eine weniger binäre, flexiblere Auffassung von Sexualität hat. Als ich ein Teenie war, herrschte viel mehr Druck, in eine bestimmte Schublade passen zu müssen. Außerdem schien es auch, als müsste man seine Sexualität quantifizieren. Ich habe meine Erfahrungen mit Frauen regelmäßig heruntergespielt, weil ich üblicherweise mehr Dates mit Männern hatte.
Die meisten Menschen, die offen zu ihrer Bisexualität stehen, werden oft dazu gedrängt, ihre sexuelle Orientierung unter Beweis zu stellen. Bi-Frauen werden häufig mit folgender Frage bombardiert: „Wann bist du eigentlich das letzte Mal mit einer Frau ausgegangen?“ Familienmitglieder gehen außerdem davon aus, dass man „das andere Ufer“ verlassen hätte, wenn man nach einer Erfahrung mit einer Frau dann wieder mit einem Mann ausgeht. Der Kampf für Anerkennung hört aber hier nicht auf: Mit der gleichen Art von Vorurteilen muss man sich aber auch innerhalb der Queer-Community auseinandersetzen.
Eine Studie fand heraus, dass bisexuelle Personen oft als unzuverlässig, nicht vertrauenswürdig und sogar Krankheitsüberträger:innen stereotypisiert werden. Eine andere Untersuchung ergab, dass Hetero-Frauen Bi-Männer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung weniger attraktiv finden und sie seltener daten würden. Bisexuellen Menschen wird auch zugeschrieben, unentschlossen und unfähig zu sein, monogam zu leben. Letzteres ist der Grund dafür, warum wir bei Paaren, die auf der Suche nach Frauen für einen Dreier sind, so unglaublich beliebt sind – wie sie uns dabei jedoch für gewöhnlich behandeln, ist entwürdigend und entmenschlichend. All diese Faktoren wirken sich extrem negativ auf die bisexuelle Gemeinschaft aus: von Problemen wie verinnerlichter Bi-Phobie, über erhöhte Stress-Level, die auf unseren Minderheiten-Status zurückzuführen sind, bis hin zu höheren Raten von sexueller Gewalt gegen Bi-Frauen. Bisexuelle Menschen bilden außerdem eine der Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von Depressionen, psychischen Problemen und Selbstmordgedanken betroffen sind. Studien zeigen, dass das größtenteils daran liegt, dass sie eine Minderheitengruppe ausmachen, die von ihrer eigenen Gemeinschaft ausgeschlossen wird.
Als jemand, der bisexuell ist und zwei unterschiedlichen ethnischen Volksgruppen angehört, verstehe ich, wie es sich auf die Psyche auswirkt, eine gemischte Identität zu haben, die von beiden Welten ausgegrenzt wird. Nach meinem Outing habe ich drei Jahre gebraucht, um endlich den Mut zu fassen, mich zu verabreden. Ich hatte einfach viel zu große Angst davor, abgelehnt zu werden. Als Femme hatte ich zudem noch die Befürchtung, in Queer-Clubs als Hetero-Zuschauerin angesehen zu werden, anstatt mich als ein anerkannter Teil dieser Gemeinschaft zu fühlen. Mein Queer-Sein schien sich einfach von dem der anderen Mitglieder der Community zu unterscheiden. Erst in letzter Zeit, als ich zufällig ein Paar im Internet traf, das mich als vollständige Person und nicht als sexuelle Requisite zum Aufpeppen ihres Sexlebens behandelte, fühle ich mich aber zunehmend akzeptiert. Jetzt kann ich mehr und mehr ich selbst sein. Damit falle ich definitiv aus der Reihe. Eigentlich sollte das aber die Regel und keine Ausnahme sein. So wie jede:r die eigenen Dating- und Sexvorlieben hat, ist Bisexualität nun mal kein Lebensstil mit Einheitsgröße.

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