Von allen Veränderungen, die wir im letzten Jahr durchleben mussten, ist das Verschwimmen von Privat- und Arbeitsleben wohl die körperlich und emotional anstrengendste. Wohingegen wir früher versucht haben, das Meiste aus unserem Morgen rauszuholen – noch schnell ein Workout hier, ein Kaffee da, ehe wir uns fertig machen, ein Outfit aussuchen und gestylt und mental bereit den Arbeitsweg antreten, sieht das heute das anders aus.
Viele von uns fallen aus dem Bett und schlurfen mehr oder weniger angezogen zum Laptop – manche zumindest im Pyjama, andere vielleicht oben hui, unten pfui (oder gleich ganz nackt). Die Grenzen zwischen „wach“ und „schlafend“, „zu Hause“ und „bei der Arbeit“ kann kaum noch jemand erkennen. Meist ist das ein Nachteil – in einer Hinsicht hat das Ganze aber auch einen eindeutigen Bonus. So ist mir zum Beispiel im letzten Jahr aufgefallen, dass unsere Leser:innen rund um die Mittagszeit vor allem auf eine bestimmte Art von Artikeln klicken – zum Beispiel „17 total normale Haushaltsgeräte, die eigentlich Dildo-Ersatz sind“ oder „14 Tipps zum Masturbieren, für die dir dein Körper noch danken wird“.
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Was sagt mir das? Naja – dass viele Leute mitten am Arbeitstag masturbieren.
Und warum auch nicht? Es war schließlich noch nie einfacher, eine solche „Mittagspause“ einzulegen. Trotzdem solltest du natürlich nicht gleich eine Jeffrey-Toobin-Nummer abziehen; wir reden hier von Solo-Spaß zwischen den eigenen vier Wänden, zwischen Video-Calls, nicht währenddessen.
Beatrize*, 28 und Versicherungsangestellte, entdeckte ihre Vorliebe fürs mittägliche Masturbieren, nachdem sie sich ein Sexspielzeug mit grandiosen Bewertungen bestellt hatte. Kaum hatte sie das Paket bekommen, stellte sie fest, dass sie ja nichts davon abhielt, das Toy direkt mal auszuprobieren. Und als ihr Homeoffice-Lifestyle zur Gewohnheit wurde, merkte sie, dass die Masturbation für sie der perfekte Ausgleich für ein stressiges Telefonat oder ein zähes Meeting war. „Das gibt mir quasi sofort einen Gute-Laune-Push. Ich kann mich dadurch neu konzentrieren und lasse die negativen Erlebnisse nicht so sehr meinen restlichen Tag beeinflussen“, sagt sie.
Einige Leute gehen in der Mittagspause um den Block spazieren, holen sich kurz irgendwo was zu essen oder gehen Gassi mit dem Hund, um ein bisschen Druck abzubauen. Alternativ ist die Mittagspause auch super für ein Nickerchen, ein Workout oder eine Episode deiner Lieblingsserie – oder eben für einen bombastischen Orgasmus. Ja, rein theoretisch ist das Masturbation während des Arbeitstags, und ja, das kann das Ganze anfangs etwas komisch machen. Aber der Jobstress überträgt sich gerade sowieso schon in unser Privatleben und schwappt dabei auch gern mal ins Schlafzimmer – zum Beispiel, wenn er uns vom Schlafen abhält, oder wenn wir direkt im Bett arbeiten. Warum sollten wir also nicht die Entspannungsmöglichkeiten nutzen, die sich uns während der Arbeitszeiten im Homeoffice bieten?
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Amy*, 23 Jahre alt und Angestellte in der Musiklizenzbranche, baut ihre neue Routine in jede Mittags- oder andere Pause ein, die sich ihr im Alltag bietet. Manchmal klappt’s jeden Tag; an anderen Tagen ist sie zu beschäftigt, und dann kommt sie eben nur ein paar Mal pro Woche zum Masturbieren. „Das ist definitiv eine spontane Sache“, sagt sie, „aber ich versuche, diese Pausen einzulegen, wenn die Arbeit gerade ein bisschen weniger von mir fordert und ich weiß, dass ich mich nicht gerade selbst befriedige, während meine Vorgesetzten verzweifelt versuchen, mich zu erreichen.“
„Anfangs war ich ein bisschen paranoid“, meint Beatrize, die sich, wie auch Amy, Sorgen machte, jemand könnte genau dann anrufen, wenn sie sich von ihrem Schreibtisch entfernt. „Dann wurde mir aber klar, dass mich niemand überwacht und ich einfach mal loslassen und es genießen sollte.“ Sie fügt hinzu, dass sie trotzdem ein paar Regeln zum Wie und Wann hat: „Länger als zwölf Minuten mache ich nicht, weil mein Computer nach 15 Minuten in den Standbymodus wechselt und meinen für alle Kolleg:innen sichtbaren Status umstellt.“
Masturbation ist eine dieser völlig menschlichen, ganz normalen Sachen, die trotzdem irgendwie als Tabuthema gelten. Dabei sehen wir in Video-Calls aus dem Homeoffice, wie das private Umfeld unserer Kolleg:innen aussieht, mit wem sie zusammenwohnen, welche Haustiere sie haben, wie sich ihre Kinder währenddessen benehmen, wie sie sich zu Hause anziehen. Und während wir uns früher bei der Arbeit beieinander über den Büro-Kaffee oder die eiskalte Klimaanlage beschwert haben, tauschen wir uns jetzt virtuell über den Homeoffice-Lifestyle aus. Trotzdem bleibt die Selbstbefriedigung während des Arbeitstages immer noch irgendwie „geheim“ – mit ein paar Ausnahmen. „Zwischen mir und einigen meiner Kolleg:innen liegt ein ganz schöner Altersunterschied; deswegen würde ich sagen, das Thema ist total tabu“, meint Beatrize. „Meine eine Kollegin, die so alt ist wie ich, weiß aber von meinem Hobby… und ich glaube, sie teilt es selbst!“
Wenn unsere Klickzahlen jedenfalls eines verraten, dann das: Die Anzahl der Leute, die rund um die Mittagszeit ein bisschen Spaß mit sich selbst haben, ist größer, als du vielleicht denkst. Und wenn deine Reaktion darauf Empörung oder Ärger ist, verpasst du vielleicht einfach nur was.
*Einige Namen wurden von der Redaktion geändert.