Ich war total entsetzt. Diese Stellung kriege ich niemals hin, sagte ich mir selbst und neigte meinen Kopf, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Vor mir auf dem Bildschirm: zwei dünne, weiße Frauen mit geschlossenen Augen und den Mündern zum perfekten „O“ geformt. Ich nahm an, das lag daran, dass sie vor Lust laut stöhnten. Ich hatte die PC-Lautstärke komplett runtergedreht – aus Angst, meine Eltern könnten sonst hören, was ich mir da gerade anschaute, mit 13 Jahren, sicherheitshalber versteckt in meinem Kleiderschrank.
Lesbische Pornos zu finden war nicht schwer. Jede Porno-Seite hat dafür eine eigene Kategorie – und schon nach einer kurzen Google-Suche hatte ich Zugang zu jeder Menge Gratis-Videos. Das schwarze Fenster meines Browsers im Inkognito-Modus gab mir das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun.
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Da in den Sexualkunde-Stunden an meiner Schule nie auch nur erwähnt worden war, dass sich auch Menschen ohne Penis selbst befriedigen können, war ich damals komplette Masturbationsanfängerin. Also schaute ich mir das Video mit der gleichen Begeisterung an, als sei es eine Folge Gilmore Girls. Zumindest, bis plötzlich mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte. Eine Nachricht von Adam, ebenfalls Teenager, der nach Axe-Deo roch und einen klitzekleinen Schnurrbart auf der Oberlippe hatte, der mir überhaupt nicht gefiel. Ehrlich gesagt gefiel mir gar nichts an Adam. Ich hatte aber Angst, in die Queerness „abzurutschen“, wenn ich nicht schnell genug einen festen Freund fand.
Damals waren Pornos meine einzige Anlaufstelle, um meine sexuelle Identität zu verstehen. Sie beeinflussten mein beschränktes Verständnis von Sex, körperlicher Autonomie und Lust. Für viele von uns war und ist Pornografie eine Form der Sexualkunde – oft mit (wenig überraschenden) durchwachsenen Ergebnissen. Dabei schauen manche Kinder schon mit neun Jahren zum ersten Mal Pornos; Studien zufolge kann der frühe Kontakt mit Pornografie allerdings langfristige negative Folgen haben. Abgesehen davon, dass unethische Pornos ihren Zuschauer:innen geistig schaden können, tragen sie – wie alle anderen Medien auch – zum Aufbau und Erhalt unterbewusster Narrative bei, die unsere Gesellschaft beeinflussen und sogar zu systemischen Problemen wie sexueller und rassistischer Gewalt beitragen können.
Versuche, Pornos zu „moralisieren“ oder Teenager:innen davon abzuhalten, sie sich anzuschauen, sind nichts Neues – und ehrlicherweise nicht sonderlich hilfreich. Stattdessen empfehlen Sexualpädagog:innen, „intersektionelle Porno-Bildung“ in altersgemäße Sexualkundeprogramme zu integrieren. Denn wenn diese Videos nicht aus einem kritischen Blickwinkel heraus angeschaut werden, werden Pornos auch weiterhin schädliche und irreführende Vorstellungen rund um Sex und die Welt, in der wir Sex haben, vermitteln.
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Um es mal klarzustellen: „Porno-Bildung“ heißt nicht, Pornos im Klassenzimmer zu zeigen, und es bedeutet auch nicht, dass Lehrer:innen ihre Schüler:innen zum Schauen von Pornos ermutigen sollten. Es ist lediglich ein Anerkennen der Tatsache, dass Pornos zu unserer „extremen Online-Kultur“ dazugehören – und sich damit auch nicht ignorieren lassen. „Wir müssen Schüler:innen daran erinnern, dass dahinter eine Entertainment-Industrie steckt. Das soll keine Bildung sein“, meint Justine Ang Fonte, Pädagogin für intersektionelle Gesundheit.
Porno-Bildung soll Schüler:innen dazu ermutigen, kritisch über das nachzudenken, was sie sich anschauen. Fonte vergleicht das gern mit anderen Kursen zur Medienbildung. „Es geht darum, die Messages von diesem Content zu verstehen, die Absichten dahinter zu erkennen und zu überlegen, wie er damit verbundene Themen vermittelt – wie zum Beispiel Sexualität“, erklärt sie. Solche Unterrichtsstunden können zum Beispiel versuchen, das zu dekonstruieren, was wir auf dem Bildschirm gezeigt bekommen; beispielsweise, indem der Unterschied zwischen „realistisch“ und „unrealistisch“ erläutert wird, oder welche sexuellen Praktiken als sicher, welche als riskant gelten.
Der intersektionelle Aspekt der „intersektionellen Porno-Bildung“ ist ein wichtiger Punkt. Laut einer neuen Übersicht über Studienliteratur sind die meisten Herangehensweisen an Porno-Bildung heteronormativ und von öffentlichen Meinungen beeinflusst (das heißt, sie sind wenig akademisch). Zudem geht es dabei selten um soziale Konsequenzen der Pornografie – wie zum Beispiel ihren Einfluss auf unser Bild von Macht, Gender, Sexualität und Hautfarbe.
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Pornos waren meine einzige Anlaufstelle, um meine sexuelle Identität zu verstehen. Sie beeinflussten mein beschränktes Verständnis von Sex, körperlicher Autonomie und Lust.
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Die meisten jungen Menschen schauen sich Pornos an. Warum also sollten wir sie nicht besser darauf vorbereiten, was sie da zu sehen bekommen? Schließlich begegnet ihnen dieser Content immer häufiger; PornHub, OnlyFans, Apps wie Dipsea – es gibt immer mehr Plattformen dafür. Und PornHub behauptet, täglich 150 Millionen Besucher:innen auf der Seite zu haben. „Es wäre ignorant zu glauben, Kinder und Jugendliche unter 18 würden sich keine Pornos anschauen“, meint Fonte.
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Die meisten Jugendlichen stolpern eher zufällig darüber, manchmal via Social Media oder Gaming-Plattformen. Über 60 Prozent aller Kinder zwischen 11 und 13 geben an, ihr erster Kontakt zur Pornografie sei unabsichtlich geschehen. „Sie tippen zum Beispiel aus Neugier ‚Busen‘ ins Google-Suchfeld“, erklärt Dr. Gail Dines, führende Expertin dafür, wie Pornografie unsere Identität, Kultur und Sexualität beeinflusst, und Autorin von Pornland: How Porn Has Hijacked Our Sexuality. Dr. Dines betont, ein großer Anteil der gratis und leicht verfügbaren Videos sei „hardcore“ und zeige aggressiven Sex. Ethische Pornos, die legal produziert werden, ihre Darsteller:innen respektieren und sexuelle Diversität zelebrieren, stecken jedoch oft hinter einer Paywall und sind für Jugendliche ohne Kreditkarte nur schwer zugänglich.
Denk mal an Billie Eilish, die sagte, sie sei „am Boden zerstört“ darüber, schon mit 11 Jahren gewalttätige, missbräuchliche Pornos gesehen zu haben. In einem Interview in der Howard Stern Show erzählte sie, Pornos hätten „mein Gehirn wirklich zerstört“ und ihr Albträume beschert. Jahre später, als sie sexuell aktiv wurde, hätten es ihr die Pornos erschwert herauszufinden, was ihr selbst gefiel: „Die ersten paar Male, als ich, ihr wisst schon, Sex hatte, sagte ich nicht Nein zu Dingen, die schlecht für mich waren. Das lag daran, dass ich glaubte, genau das sollte mir gefallen.“
Der Einfluss von Pornografie auf das sich noch entwickelnde Gehirn lässt sich nicht leugnen. Es gibt Studien, die zeigen, dass Jugendliche, die „Hardcore-Pornos“ schauen, häufig geringere Kapazitäten für intime Bindungen und gesunde Beziehungen haben und eher zu Depressionen, riskantem und gefährlichem sexuellen Verhalten, sexuellem Zwang und sexueller Gewalt neigen. Jungen Leuten schlichtweg zu sagen, sie sollten sich das nicht anschauen, kann da nicht die Lösung sein; stattdessen sollten wir ihnen die Werkzeuge in die Hand geben, um sowohl ethische als auch unethische Pornos – die beispielsweise rassistische und identitäre Stereotypen darstellen – schauen zu können, ohne langfristige Schäden davonzutragen.
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„Wenn wir nicht wollen, dass junge Menschen ihr Sexualkunde-Wissen auf Pornos aufbauen, brauchen wir qualifizierte Pädagog:innen, die ihnen das Richtige vermitteln“, meint Fonte. „Ansonsten ist das, als würdest du The Fast & The Furious gucken und danach davon ausgehen, Auto fahren zu können.“ Diese Analogie hört man unter Sexualpädagog:innen recht häufig – und das nicht ohne Grund. Wir lernen schon sehr früh, dass Hollywood-Produktionen nur wenig mit der Realität zu tun haben. Warum sollte uns also nicht dieselbe Erwartung gegenüber Pornografie vermittelt werden?
Es geht nicht nur darum, Porno-Bildung in die Schule zu holen; genauso wichtig ist, wie sie gelehrt wird – und dabei spielt, wie gesagt, eine intersektionelle Herangehensweise eine entscheidende Rolle. Bilder haben erwiesenermaßen einen starken Einfluss auf uns, und Pornos sind voller rassistischer, homophober und sexistischer Stereotypen. Selbst wenn die Pornos nicht per se für diese Probleme in unserer Gesellschaft verantwortlich sind, sorgen sie für eine Normalisierung gefährlicher Einstellungen gegenüber Minderheiten. „Ich will meine BIPOC- und queeren Schüler:innen beschützen“, meint Fonte. „Ihre Mitschüler:innen werden völlig anders repräsentiert. Dadurch werden sie selbst nur noch mehr an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Ich will, dass aus ihnen eine bessere Generation wird – und ich denke, das kann uns durch bessere Bildung auch gelingen.“
Porno-Webseiten sind für ihre zahlreichen Kategorien bekannt, und lassen dich die Videos anhand deiner sexuellen Orientierung filtern – aber eben auch anhand deiner womöglich rassistischen Präferenzen. Auf PornHub gibt es derzeit rund 30.000 Videos in jeder der folgenden Kategorien: „Ebony“ („Ebenholz“, sprich: Schwarz), „Asian“ und „Interracial“. Laut PornHubs Jahresrückblick von 2021 blieb „Japanese“ zum zweiten Jahr in Folge die beliebteste Kategorie, gefolgt von „Lesbian“ und „Ebony“. Es gibt aber keine Kategorie namens „White“ – was sich Fonte damit erklärt, dass „weiß“ auf PornHub eben als die Norm gilt, wohingegen alles andere auf ein „Genre“ reduziert wird.
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„Wenn wir einen Menschen auf ‚Ich will zu einem spezifischen Aussehen masturbieren‘ reduzieren, ist das entmenschlichend“, meint Fonte. „Wenn wir bei diesem Anblick dann zum Orgasmus kommen, verstärkt dieser Dopamin-Schub die bestehenden Verknüpfungen in unserem Gehirn.“ PornHub hat nicht auf Refinery29s Bitte um einen Kommentar dazu geantwortet, wieso sie Kategorien wie Hautfarbe und Ethnizität verwenden. Als wir sie für diesen Artikel kontaktierten, verwies man uns an ihr „Sexual Wellness Center“.
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Wenn wir einen Menschen auf „Ich will zu einem spezifischen Aussehen masturbieren“ reduzieren, ist das entmenschlichend.
Justine Ang Fonte
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Die Hautfarbe als Porno-Genre verstärkt außerdem rassistische Gewalt, findet Fonte. „Dadurch werden Hautfarben fetischisiert“, meint sie. Als Beispiel erwähnt sie sexuelle Gewalt, Stalking und Mord gegenüber asiatischen Frauen sowie Stereotypen in Pornos, die Schwarze Männer als „aggressiv“ darstellen. Solche Klischees können furchtbare Konsequenzen haben, selbst auf unterbewusster Ebene. Eine Analyse von 2008 ergab, dass Kinder, denen im TV spezifische Vorstellungen und Bilder gezeigt wurden, die rassistische Stereotypen befeuern, diese schädlichen Vorstellungen eher als real betrachteten. „Die rassistische Kodierung von Schwarzen Männern in der Pornografie zu ignorieren, ist ein Beleg für weißes Privileg“, meint Dr. Dines.
Fonte wünscht sich von Schüler:innen einen kritischen Blick auf den Content, den sie konsumieren, und ein Bewusstsein dafür, wie sie mit den Menschen im wahren Leben umgehen. Junge Leute sollten außerdem hinterfragen, wie Porno-Darsteller:innen gezeigt und behandelt werden – und wie sich das auf ihre eigene Identität auswirken kann. Zum Beispiel, indem sie sich fragen: Wieso sage ich, ich stehe auf asiatische Frauen?, oder: Wieso betrachte ich Schwarze Männer als „meinen Typ“? „Dadurch bist du nicht gleich ein:e Rassist:in. Trotzdem solltest du gründlich darüber nachdenken“, empfiehlt Fonte.
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Intersektionalität bei der Porno-Bildung kann den Schüler:innen dabei helfen zu verstehen, wie die Darstellung rassistischer Stereotypen in Pornos direkten Einfluss auf die Gewalterfahrung von Randgruppen haben kann. Gleichzeitig entwickeln sie ein besseres Verständnis für ihre verinnerlichten Vorlieben – und dafür, woher diese eigentlich kommen.
In der „Sex Re-Education“-Umfrage von Refinery29 im Jahr 2021 gaben von 1.425 Befragten nur 5 Prozent der Leute mit schulischer Sexualkunde-Erfahrung an, diese hätte sie wirklich auf die reale Welt vorbereitet. 80 Prozent berichteten, ihre Schulen hätten ihnen überhaupt kein Wissen rund um Sex in der LGBTQ+-Community vermittelt. Klar ist also: Wir bekommen nicht genug gute Sexualkunde – und während Homophobie weiterhin ein großes Problem unserer Gesellschaft ist, wird es für Kinder immer schwieriger, mehr über das zu erfahren, was sie sich heimlich im Inkognito-Modus anschauen, und noch schwieriger, sich damit Erwachsenen in ihrem Umfeld anzuvertrauen.
Als ich auf die Oberschule kam, wusste ich nicht, ob ich es wirklich erregend fand, Mädchen zu küssen – oder ob sich das Patriarchat schlicht und einfach wünschte, ich fände es erregend. Jungs schienen lesbische Pornos „heiß“ zu finden, schauten auf tatsächliche Lesben aber eher herab. Als Jugendliche verwirrte mich meine sexuelle Identität daher komplett, und meine einzige Erfahrung mit „queeren Frauen“ stammte aus Pornos – die weißen, dünnen, und superfemininen Frauen, die ich mir in meinem Schrank ansah. Rückblickend ist mir klar, wie sehr das Aussehen dieser Frauen damit zu tun hatte, dass das Genre eben noch weitestgehend für die Lust von Männern gedacht war. Aber wusste ich das damals schon? Natürlich nicht.
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Ich bin übrigens nicht die Einzige, die sich mit lesbischen Pornos irgendwie selbst helfen wollte (oder will). Im neuesten PornHub-Nutzerdaten-Bericht – der die „meistgeschauten“ Kategorien nach Gender unterteilt (hier bedeutet das Männer und Frauen) – war das „Lesbian“-Genre unter Frauen sogar am beliebtesten. Leider helfen uns die meisten Pornos nicht dabei, unsere sexuelle Identität besser zu verstehen, weil sie keine akkurate Darstellung von echtem Sex und echter Intimität sind, warnt Dr. Dines. „Was wir ‚lesbische Pornos‘ nennen, sind meist keine echten ‚lesbischen Pornos‘“, sagt sie. „Sondern das, was sich Männer darunter vorstellen, was Lesben so treiben.“
Wenn lesbische Pornos also nicht für lesbische Frauen gedreht werden – tragen sie dann zur weiteren Stigmatisierung echter Lesben bei? Das fragt sich auch Fonte. „Die sexuelle Objektifizierung wirkt entmenschlichend. Dadurch fällt es Täter:innen leichter, Gewalt auszuüben“, ergänzt sie. Wenn alles, was wir über den Lesbianismus wissen, aus Pornos kommt, führt das womöglich zur Hypersexualisierung von Lesben – und die wiederum zur sexuellen Belästigung oder sogar zum Missbrauch queerer Frauen. Noch dazu sorgt die gesellschaftliche Stigmatisierung unserer Beziehungen womöglich für Gewalt innerhalb von Beziehungen, die einer verinnerlichten Homophobie und Scham entspringt.
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Wenn wir nicht wollen, dass junge Menschen ihr Sexualkunde-Wissen auf Pornos aufbauen, brauchen wir qualifizierte Pädagog:innen, die ihnen das Richtige vermitteln. Ansonsten ist das, als würdest du The Fast & The Furious gucken und danach davon ausgehen, Auto fahren zu können.
Justine Fonte Ang
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Die Konsequenzen davon spüre ich auch in meinem eigenen Leben. Als geoutete, stolze, queere Frau wurde ich dennoch schon mehrmals von Männern bei Dates mit Frauen dazu aufgefordert, zu „beweisen“, dass es ein Date sei. Oder sie stellten mir unangebrachte Fragen gestellt: „Wie lecke ich meine Frau am besten?“ Wenn Frauen, die mit Frauen schlafen, in Pornos immer weiter als „Entertainment“ und/oder „Bildung“ dargestellt werden, kann meine Sexualität natürlich nur existieren, um die Bedürfnisse eines Mannes zu erfüllen.
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Andere Kategorien von LGBTQ+-Pornografie (zum Beispiel trans oder nichtbinär) sind in der Branche stark unterrepräsentiert. (Zum Vergleich: PornHub hat über 30.000 Videos in der Kategorie „Lesbian“, aber nur 17 in der Kategorie „Transgender“.) Dabei gibt es natürlich mehr als nur 17 Pornos mit trans Darsteller:innen. Fonte zufolge müssen diese Darsteller:innen aber oft komplett als männlich oder weiblich „durchgehen“ („pass“ nennt sich das im Englischen), um mehr Arbeit zu bekommen. Oder diese Videos werden unter abwertenden Begriffen wie „shemales“ (mit über 36.000 Videos) gelistet, was nur zur weiteren Fetischisierung beiträgt.
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie es überhaupt aussehen würde, wenn große Porno-Seiten deine Identität nicht auf irgendein Genre reduzieren würden. Als Pädagogin bewirbt Fonte Pornos zwar nie – wünscht sich aber doch, dass mehr Erwachsene von der Existenz ethischer Pornografie wüssten, die ihrem Publikum eine Vielfalt sexueller Vorlieben und Identitäten bietet.
„Du bekommst da genau das zu sehen, wozu du dich hingezogen fühlst. Das ist eine echte Superkraft dieser Generation – verglichen mit der Blondine mit großen Brüsten in den Pornoheften von früher“, sagt Fonte. In anderen Worten: Ethische Pornos erlauben dir mehr Freiraum, um Neues zu entdecken. Du hast mehr Optionen denn je, alle möglichen Arten der Repräsentation von Sex zu sehen und genau rauszufinden, worauf du eigentlich stehst – wohingegen du vor Jahrzehnten nur die typischen, toxisch-maskulinen Vorstellungen in Pornomagazinen oder auf -videokassetten zur Auswahl hattest. Heute können wir erkunden, was uns gefällt – genau so, wie es uns gefällt. „Nicht-rassistische, ethische Pornos lassen dich erkennen, wozu dein Körper imstande ist“, ergänzt Fonte.
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Bis intersektionelle, umfassende und altersgemäße Porno- und Sexualkunde von qualifizierten Sexualpädagog:innen aber in den Schulen ankommt, werden wir auch weiterhin beobachten können, dass sich junge Menschen von Pornos Antworten auf ihre Fragen rund um Sex und Sexualität erhoffen. Eine schlechte Sexualkunde kann geradewegs zur Konfrontation mit sexueller Gewalt sowie zu einem fehlenden kritischen Verständnis dazu führen, wie sich Rassismus, Sexismus und Homophobie in Pornos auf unsere Gesellschaft auswirken können. Wenn die Porno-Bildung aber ein fester Bestandteil von Sexualkunde würde, könnte sie dabei helfen, Identitäten zu normalisieren, die viele gezwungenermaßen verheimlichen – ob nun aufgrund von verinnerlichter Scham oder tatsächlicher externer Gefahr.
Für mich waren die lesbischen Pornos der erste Schritt, um meine Sexualität zu erkunden. War das eine gute Idee? Ich weiß es nicht. Wenn ich aber eine ausgewogenere Sexualkunde bekommen hätte, hätte ich sicher weniger Angst vor meiner ersten sexuellen Erfahrung mit einer Frau gehabt (und ehrlich gesagt wohl auch mehr Zeit, um Gilmore Girls zu gucken).
Nachdem ich meine ersten Erfahrungen in diesem schicksalhaften Kleiderschrank heute rückblickend ein bisschen besser einordnen kann, fühle ich mich nicht mehr von den Erwartungen eingeengt, die mir die Porno-Branche aufzuzwingen versucht. Stattdessen lehne ich meinen Kopf zurück, öffne meinen Mund zu einem „O“ – und schmeiße mir ein paar M&Ms in den Rachen, während ich zur Fernbedienung greife. Meine zwei brünetten Lieblinge tauchen auf dem Bildschirm auf. Meine Partnerin sitzt neben mir auf der Couch und fängt an, mit meinen Haaren zu spielen; das leichte Ziehen fühlt sich gut an. Vielleicht führt diese sanfte Berührung zum Sex. Vielleicht auch nicht. So oder so weiß ich jetzt, wer ich bin, was ich mag, und mit wem ich all das tun will. Das ist genau die Art von sexueller Selbstbestimmung, die wir alle verdienen.
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Ich lasse mich fallen und denke: Uh, ja. Genau so hab ich’s gerne.
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