Alyssa Andrews hat eine Mission: Sie will jede queere Person, die auf dieser Welt lebt, malen. Und bis jetzt läuft es ganz gut. In den ersten paar Monaten des Projekts #AllQueerBods zeichnete sie 100 queere Menschen. Hunderte von Anfragen warten schon in ihrer Mailbox auf sie, wahrscheinlich sind es jetzt sogar noch mehr. Aber das schreckt Alyssa nicht ab: „Ich lehne keine Person ab“, schreibt sie auf ihrer Website. Um am Projekt teilzunehmen, musst du nur ein Kriterium erfüllen und eine Sache machen. Du musst queer sein und ihr ein Foto von dir schicken (allqueerbods@gmail.com). Vielleicht dauert es ein bisschen, bis dein Bild fertig ist (logisch, bei dem Ansturm!), aber irgendwann wird sie auch dich malen.
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Wir haben mit der Künstlerin über die Inspiration hinter dem Projekt gesprochen und über die Kraft, queeren Personen dabei zu helfen, sich so zu sehen, wie sie gesehen werden wollen.
Das Interview wurde aus Gründen der Lesbarkeit redaktionell gekürzt.
Refinery29: Erzähl mir von #AllQueerBods. Was hat dich zu diesem Projekt inspiriert?
Allysa Andrews: Alles fing damit an, dass ich Portraits von Freund*innen malte. Weil die so gut ankamen, beschloss ich, auch fremde Personen zu zeichnen. Mir ging es aber nicht darum, einfach jeden zu portraitieren, der mir vor die Nase läuft. Ich wollte mit meiner Kunst etwas aussagen. #AllQueerBods entstand dann letztendlich, weil sich immer mehr queere Menschen an mich wanden und mich fragten, was sie machen müssen, damit ich sie male. Und so war das Projekt geboren.
Das ist fantastisch! Ich habe einige Bilder gesehen und finde, dass sie eine wundervolle, extrem ausdrucksstarke Möglichkeit sind, die queere Community darzustellen. Hast du viel Feedback bekommen?
Es ist unglaublich! Von der Sekunde an, in der ich sagte, dass ich jede*n malen würde – kostenlos und ohne jede Bedingung – erreichten mich so viele Geschichten. Das war einfach überwältigend. Am Anfang zeichnete ich, um zu zeichnen. Es hatte keine wirkliche Bedeutung. Aber dann schrieben mir so viele Leute und erzählten mir, dass sie ein wirklich schwieriges Jahr hatten oder dass sie es schwer haben, weil man nicht akzeptiert, dass sie queer sind. Ich bekomme oft Anfragen von trans* Personen, die das Gefühl haben, dass Fotos ihrer Person nicht gerecht werden. Deshalb wünschen sie sich Zeichnungen, die ihren Charakter besser einfangen können und so zeigen, wie sie sind. Manchmal werden mir auch sehr intime Geschichten wie erzählt wie zum Beispiel: „Ich war 30 Jahre lang verheiratet und dann stellte ich fest, dass ich mich als queere Person identifiziere.“
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Du malst die Portraits vom Foto ab. Also triffst du niemanden persönlich, richtig?
Das ist tatsächlich eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird ist. Ich antworte dann immer, dass ich lieber jemanden so zeichne, wie sie*er sich selbst sieht oder von der Welt gesehen werden möchte. Wenn ich dich der Öffentlichkeit zeige, dich in ein Kunstwerk verwandele, möchte ich dich als den Menschen darstellen, der du selbst glaubst zu sein. Es geht nicht darum, wie ich dich wahrnehme.
Das hast du schön gesagt. Viele Leute lästern über Selfies, dabei kann es wirklich Kraft geben, allen das Gesicht zu zeigen, das man zeigen möchte.
Genau. Es ist ein Moment voller Selbstbewusstsein. Egal wie unsicher du bist oder was gerade in deinem Leben schiefläuft, machst du ein Foto von dir, in dem du so aussiehst, wie du dich magst, möchtest du es häufig der ganzen Welt zeigen. Es zeigt den Menschen eben die Seite, die wir ihnen gern zeigen, weil wir uns mit ihr wohlfühlen. Ich finde das schön und verstehe nicht, wieso wir uns darüber lustig machen.
Diese Ansicht passt auch super zu der Idee von Pride, weil sich die queere Community in der Öffentlichkeit zeigt und sich selbst feiert. Denkst du, dass diese Art von Freude kraftvoll sein kann?
Ich denke, in Freude steckt sehr viel Kraft. Für mich geht es bei Freude und Stolz nicht unbedingt darum, in allem nur die positiven Aspekte zu sehen oder schlechte Situationen wegzureden. Aber ich bin davon überzeugt, dass es einem Kraft geben kann, wenn man sich selbst erlaubt glücklich zu sein – vor allem, weil wir in einer Welt leben, die chaotisch und manchmal verletzend sein kann. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sagen „Was uns nicht umbringt, macht uns stark“. Wenn uns negative Sachen passieren, ist das einfach scheiße. Aber ich finde es wundervoll, wenn du dich bewusst dafür entscheidest, glücklich zu sein – in einer Welt, die nicht will, dass du glücklich bist.
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Was machst du, um glücklich zu sein – vor allem, wenn du mit schlimmen Dingen konfrontiert wirst?
Ich hole mir Unterstützung von meiner Community und frage Menschen, die ich respektiere und bewundere, um Rat. Sie bringen Licht in dunkle Situationen. Trotz aller Herausforderungen, denen wir uns immer noch stellen müssen und von denen es auf jeden Fall noch viele gibt, leben wir länger, sind sichtbarer und robuster. Hinter uns liegt eine schwere Vergangenheit und das ist uns allen bewusst. Ich finde, das hat etwas wirklich Kraftvolles.
Der Fakt, dass wir diese Vergangenheit haben und dass Kinder zur Welt kommen, denen wir von der queeren Geschichte erzählen können, ist unglaublich. Frühere Generationen wuchsen unwissend auf – sie hatten keinen Schimmer von ihrer Vergangenheit. Zu wissen, dass das bei den kommenden Generationen anders sein wird, macht für mich das sonst chaotische Dasein auf der Welt etwas positiver.
Wir haben viel über Freude und Wut gesprochen. Findest du, dass es für jüngere Generationen wichtig ist, beide Emotionen in der queeren Community zu sehen?
Auf jeden Fall. Es sollte nichts zensiert werden in unserem Leben. Ein großes Problem von Menschen aus Randgruppen ist es, dass man ihnen oft sagt, dass sie sich beruhigen sollen. Oder in einer bestimmten Art und Weise reden sollen. Selbst, wenn man sich beschweren möchte, müssen gewisse Standards eingehalten werden. Alles wird kontrolliert und überwacht. Aber wir sollten nicht zulassen, dass unsere Emotionen zensiert werden.
Als queere Person bin ich manchmal wütend über Dinge, die passieren und nicht richtig sind. Die Menschen sollten meine Wut hören und sehen können. Sie sollen sehen und fühlen, wie es ist, wenn einer Community Leid zugefügt wird und merken, was das mit den Leuten macht. Aber ich glaube auch, dass Freude einen wichtigen Teil unserer Community ausmacht. Sie würde verloren gehen, wenn wir in der Öffentlichkeit immerzu wütend wären und nur im Privaten glücklich. Ich kann traurig über eine Sache sein und aktiv gegen sie kämpfen, aber trotzdem über einen Witz lachen, wenn mir danach ist. Wenn ich mich durch mein Glück davon abhalten lasse, das große Ganze zu sehen, dann wird Freude zu Ignoranz und das ist ein Problem.
Freude kann zum Fortschritt der Community beitragen. Wir müssen uns gegenseitig dabei helfen, schwierige Zeiten durchzustehen. Aber das sollte noch nicht alles sein. Es geht nicht nur darum, irgendwie klarzukommen. Wir sollten glücklich sein. Ich denke, dass wir unsere Wut nutzen können, um Dinge durchzustehen und Freude, um glücklich zu leben.