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Meine Frau und ich bekommen ein Baby, dabei kann ich Kinder nicht ausstehen.

Seit Jahren sage ich meiner Frau, wir sollten eine Band gründen. Dass ich ein ausgesprochen mieser Gitarrist bin und sie das Rhythmusgefühl eines Eichhörnchens hat, ist mir vollkommen egal. Ich habe Rock’n’Roll schon immer mit allem gleichgesetzt, was gut und schön ist auf dieser Welt. Nur zu gerne würde ich deshalb in die Seiten hauen, während die Frau meines Lebens aufs Schlagzeug eindrischt als ob es kein Morgen gäbe.
In meinem Kopf waren wir immer ein Duo: Unsere eigene Version der White Stripes, die dumme Songs spielt, die nur wir verstehen. Seit einiger Zeit muss ich mich jedoch mit einem neuen Gedanken anfreunden: Sollten wir eines Tages eine Band gründen, werden wir ein Trio sein. In zwei Monaten wird unser erstes (und sicherlich einziges) Kind das Licht der Welt erblicken. Würde dieser Familienzuwachs nur meine Musikfantasien beeinflussen, könnte ich irgendwie damit umgehen. Das Problem ist jedoch: Es geht hier um wesentlich mehr.
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Ich habe Kinder noch nie ausstehen können und mein Interesse, ein Vater zu sein, geht seit jeher gegen null. Elternschaft ist in meiner Welt ungefähr so wie Bluesrock der Sechziger und Siebziger: Langweilig und geschmacklos. Schön, wenn Leute Freude dran empfinden, ich tu’s nicht. Bis vor zwei Jahren ging es meiner Frau genau wie mir. Wir sind seit fast zehn Jahren zusammen und vier davon verheiratet. Überraschenderweise hat sie ihre Meinung jetzt doch geändert. Nicht, dass sie mir jemals ein Ultimatum à la „Wenn wir kein Baby bekommen, verlasse ich dich“ gegeben hätte, aber ich habe gemerkt, dass ihr das Thema sehr wichtig ist. Unser Kompromiss war, dass wir Mutter Natur entscheiden lassen, ob wir Familienzuwachs bekommen oder nicht. Mutter Natur hat entschieden.
Als ich die Nachricht bekam, dass meine Frau schwanger ist, traf es mich so, als hätte sich meine Lieblingsband getrennt. Für mich fühlte es sich an, als würde etwas zu Ende gehen. Meine Jugend, meine Freiheit, mein Freifahrtschein, mich gnadenlos über unsere Freunde lustig zu machen, die schon Kinder haben: Wie sie besudelte Babypuppen aus irgendwelchen Hecken retten müssen oder den halben Tag mit halb zerkauten Bananenstücken auf dem Shirt rumlaufen, die ihr hochintelligenter Nachwuchs ihnen auf die Schulter gesabbert hat. Wenn ich an solche Sachen denke, wird mir schlecht. Kreischende Babys verursachen bei mir die schlimmsten Gefühle. Ich würde lieber zehn Stunden auf einem Eric Clapton Konzert verbringen, als mir auch nur zehn Sekunden dieses blöde Geheule zu geben. Wie bereits gesagt: Ich kann Kinder echt nicht ausstehen.
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Ich weiß, mit dieser Meinung stehe ich unter meinen Altersgenossen relativ allein da. Glaubt man einigen Umfragen, wollen mehr Männer als Frauen in meiner Generation eine Familie gründen. Schaue ich mir mein soziales Umfeld an, kann ich das nur bestätigen. Viele meiner Schulfreunde haben schon ein bis zwei Kinder, und sie sind allesamt richtig begeisterte Väter. In den sozialen Medien posten sie fröhlich die irrelevanten und immer gleichaussehenden Bilder ihrer Kinder. Ich nutze das als Ausrede, hier nicht aktiv zu sein. Auf mich wirkt ihr Gehabe einfach nur angeberisch und selbstgefällig. Wie ein minutenlanges Gitarrensolo im Bluesrock. Keiner außer demjenigen, der auf der Bühne steht, braucht das.
Meine Verachtung für Kinder reicht so weit, dass ich darüber schon einige Freunde verprellt habe. Die, die mir geblieben sind, sagen seit ein paar Monaten Sachen wie „Du wirst bestimmt ein toller Vater.“ Was sie nicht verstehen, ist, dass ich das nie sein wollte. Normalerweise antworte ich deshalb: „Wahrscheinlich wäre ich auf ein toller einhändiger Drachenflieger, sollte ich eines Tages in die Situation kommen, auf einem Berg zu stehen und meine einzige Möglichkeit, dem Bären, der mir gerade den rechten Arm gebrochen hat, zu entfliehen, wäre mich einhändig mit einem Hängegleiter ins Tal zu retten. Manche Situationen kann man aber auch einfach vermeiden.“ Ich verstehe einfach nicht, wieso sich manche Leute das Leben freiwillig selbst so schwer machen wollen. Da haben sie die Liebe ihres Lebens gefunden, jemanden, von dem sie wissen, er wird immer für sie da sein. Und da haben sie trotzdem noch das Gefühl, dass etwas fehlt? Dass sie noch ein weiteres Bandmitglied brauchen?
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Elternschaft ist in meiner Welt ungefähr so wie Bluesrock der Sechziger und Siebziger: Langweilig und geschmacklos.

Das schlimmste an der aktuellen Situation ist, dass ich niemanden habe, mit dem ich über meine Gedanken sprechen kann. Meine Frau ist ein großartiger Mensch und sie hat nicht falsch gemacht. Sie hat es verdient, glücklich zu sein und sich zu freuen. Ich für meinen Teil habe die letzten sechs Monate damit verbracht, darüber nachgedacht, welche Urlaube wir mit Kind nicht mehr machen können und welche Alben ich mir nicht mehr kaufen kann, wenn das Baby erstmal da ist. Jedes Mal wenn ich darüber nachdenke, Geld für mich selbst auszugeben, muss ich jetzt an Windeln oder die Unigebühren eines Kindes denken, dass ich noch nicht mal kenne.
Vielleicht kommt es in den letzten Abschnitten anders rüber, aber ich bin weder ein schlechter Mensch noch egoistisch. Obwohl es die weit verbreitete Meinung über Menschen ist, die Kinder nicht mögen. Dabei haben wir nur andere Prioritäten. Ich genieße meine Freiheit und liebe die ruhigen Nächte mit meiner Frau. Zwei ist meine Glückszahl. Worte und Musik. Rhythmus und Melodie.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich nicht, dass die kommende Veränderung mein Leben grundlegend auf den Kopf stellen wird. Ich arbeite freiberuflich als Autor und liebe Musik. Aber ich verbringe meine Freizeit schon seit einiger Zeit nicht mehr in Clubs und hänge lieber zu Hause auf der Couch und höre meine Lieblingsalben auf Vinyl. Ich geh gerne früh ins Bett, trinke nicht übertrieben viel Alkohol und versuche, mein Geld zu sparen. Ich habe noch nie harte Drogen genommen. Samstags setze ich mich gerne mit der Wochenzeitung ins Wohnzimmer.
Wieso fürchte ich mich trotzdem vor dem Monat, in dem unser Kind geboren werden soll? Weil ich verdammt noch mal Panik habe und mich unendlich unvorbereitet fühle. Wir bewegen uns auf dünnes Eis zu. Mit den Sachen, die jetzt kommen, hatten wir beide noch nie zu tun. Auf der anderen Seite: Was könnte mehr rock’n’roll sein als eine Bombe, die mir einen fetten Strich durch die Rechnung macht? Ich hatte gedacht, ich wüsste wie mein Leben aussehen wird. Die Wahrheit ist: Seit sechs Monaten weiß ich es nicht mehr. Aber Sicherheit ist eh was für Leute, die noch zehnmal spießiger sind als ich.
Und was unsere Band angeht: Vielleicht wird sie sich mit einem dritten Mitglied noch besser anhören. Ich habe immer gesagt, dass die White Stripes noch einen Bass gebraucht hätten.
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