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Wie sich Brustkrebs auf Betroffene & ihre Beziehungen auswirkt

Obwohl es sich um die weltweit am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung handelt, wird immer noch nicht ständig offen über Brustkrebs gesprochen. Zusätzlich zur Diagnose, Operationen und der Behandlungen kann sich Brustkrebs auf unerwartete Weise metastasieren und das Sexleben, Beziehungen, das eigene Körperbild und die Identität von Betroffenen verändern.
Obwohl derzeit eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt, bleiben die intimen Details, die das Leben mit und nach Brustkrebs auszeichnen, ein Tabu: Ein Gefühl, das die Brustkrebsüberlebende Rebecca Angus nur zu gut kennt.
Rebecca kam nach ihrem Kampf gegen den Brustkrebs unerwarteterweise bereits in ihren 30 Jahren in die Wechseljahre. Eben noch war sie dabei gewesen, mit dem Stillen aufzuhören, und im nächsten Moment, nach einem Gespräch mit ihrem Hausarzt und einem Ultraschall, einer Mammografie und einer Biopsie, wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert.
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„Innerhalb von 24 Stunden teilte mir mein Hausarzt am Telefon mit, dass ich Brustkrebs habe“, erzählt uns Angus am Telefon. „Mein Sohn war zu diesem Zeitpunkt vielleicht zehn oder elf Monate alt. Nach der Operation hatte ich an seinem ersten Geburtstag eine Drainage in meinem Rücken.“
Drei Jahre später (nach einer Chemotherapie, einer Strahlenbehandlung, einer neoadjuvanten Therapie und Pharmaka) muss Angus nun zehn Jahre lang Tamoxifen schlucken und mindestens fünf Jahre lang Medikamente zu sich nehmen, welche die Aktivität der Eierstöcke unterdrücken.
„Andere Leute denken, dass es mir jetzt gut geht und ich ok bin. Mir geht es aber nicht gut. Diese Dinge sind… langandauernd“, sagt Angus. „Ich bin erst in meinen 30ern, aber schon in meinen Wechseljahren (aufgrund einer medizinisch bedingten Menopause).“
„Viele Gleichaltrige müssen diese Erfahrung nicht durchmachen, weshalb es sehr schwierig war, Kommentare von ihnen in Bezug auf meiner Erkrankung und Heilung anzunehmen. Die einzige Person, bei der es mir möglich war, nach Rat zu fragen, war meine Mutter.“
Die medizinische Onkologin Frau Professor Fran Boyle erklärt, dass viele Patient:innen durch eine Chemotherapie früh in die Wechseljahre kommen. „Die Menopause setzt oft sehr früh und abrupt ein. Das kann Auswirkungen auf die Libido, die Lubrikation der Scheide, den Energiepegel, den Schlaf von Betroffenen haben und zu Hitzewallungen führen. Das soll nicht heißen, dass Frauen, die nicht mit einer Brustkrebserkrankung zu kämpfen habe und in den Wechseljahren sind, diese Symptome nicht haben. Diese treten aber oft nicht so plötzlich oder in einem so jungen Alter auf.“
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Trotz dieser belegten Auswirkungen wird selten über den Umgang mit jenen Symptomen gesprochen, die das Sexleben von Betroffenen beeinträchtigen. Professor Boyle sagt, dass sich sowohl Patient:innen als auch Ärzte nicht ganz wohl dabei fühlen, über solch intime Themen zu sprechen.
„Ärzt:innen sind recht gut darin, sich nach Krankheitsanzeichen zu erkundigen, die sie bekämpfen können [wie] Schmerzen, Übelkeit oder Unregelmäßigkeiten bei Blutwerten. Wenn Patient:innen aber zum Beispiel ansprechen, dass sie keine Lust mehr auf Sex haben, wissen die meisten Ärzt:innen nicht weiter, da es für diese Dinge keine einfachen Lösungen gibt.“

„Am Anfang hatte ich das Gefühl, mich selbst zu verlieren. Ich mag die Person, die ich geworden bin, überhaupt nicht.“

Rebecca Angus
Boyle erzählt mir von einer neuen Brustkrebspatientin, die sie kurz vor unserem Gespräch untersucht hatte. Diese hatte erwähnt, dass es ihr unangenehm sei, offen über ihre Schmerzen zu sprechen. Rückenschmerzen seien eine Sache. Vaginalschmerzen anzusprechen, sei ihr zufolge aber eine ganz andere Angelegenheit.
Erfassbare Schmerzen – sowohl psychisch als auch physisch – bestätigen eine Erfahrung. Eine unsichtbare Krankheit wiederum bringt eine weitere Last mit sich.
„Am Anfang hatte ich das Gefühl, mich selbst zu verlieren“, erklärt Angus. „Die Diagnose war ein großer Schock für mich. Meine Familie und ich haben sehr lange gebraucht, um uns darüber klar zu werden, was das für uns als Einheit, mein Leben und meine Fruchtbarkeit bedeuten würde.“
„Außerdem kann ich meinem Körper seitdem nicht mehr vertrauen“, sagt sie mit Mühe. „Ich mag die Person, die ich geworden bin, überhaupt nicht. Damals fingen meine Haare an, auszufallen. Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand Fotos von mir macht. Ich wollte alles einfach in der Privatsphäre meines Hauses verarbeiten. Ich glaube, dass es lange dauert, sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen. Da ich ohne Haare wieder zur Arbeit gehen musste, hatte ich keine andere Wahl, als zu akzeptieren, was mit mir passiert war. Außerdem musste ich lernen, darüber zu sprechen, da ich mich nicht davor verstecken konnte, und Selbstmitgefühl zu entwickeln.“
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Obwohl die chirurgischen Möglichkeiten und ihre Auswirkungen von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich sind, können körperliche Veränderungen – von einer doppelten Mastektomie bis zur Veränderung der Körper- und Gesichtsbehaarung – tiefgreifende Auswirkungen auf das Körperbild der jeweiligen Person haben.

„Viele Betroffene fragen sich angesichts dieses emotionalen Durcheinanders: ‚Wer bin ich überhaupt?‘“

Frau Professor FRAN BOYLE
Professor Boyle weist darauf hin, dass es nicht nur zu Haarverlust sondern auch zum Gegenteil an unerwarteten Stellen kommen kann. „Wenn der Übergang von der Prä- zur Postmenopause plötzlich vonstattengeht, kann es sein, dass der Haarwuchs im Gesicht zunimmt“, sagt sie. „Eine Frau, mit der ich sprach, sagte, sie habe jetzt mehr Gesichtsbehaarung, ihre Stimme sei tiefer und sie fühle nach der Behandlung viel weniger weiblich. Diese Veränderungen haben in erster Linie eine Auswirkung auf geschlechtsspezifische Identitätsfragen.“
Neben geschlechtsspezifischen Identitätskonflikten und -krisen sind auch solche in Zusammenhang mit der Elternrolle oder des Berufs keine Seltenheit. Identitäten gehen verloren, verschwimmen oder vermischen sich miteinander. Viele Betroffene fragen sich angesichts dieses emotionalen Durcheinanders: „‚Wer bin ich überhaupt?‘“, erklärt Frau Professor Boyle.
Es ist also nicht überraschend, dass sich all das auch im Sexleben bemerkbar macht. Das weiß Angus weniger aus Arztpraxen, sondern eher aus Online-Foren, in denen Frauen, die in in einer ähnlichen Lage sind, ihre Situation schildern.
„Ich fing an, meine Sexualität als problematisch zu erleben. Am Anfang ist das etwas, mit dem du dich nicht wirklich auseinandersetzen willst. Du fühlst ich nicht gut, bist erschöpft und siehst nicht besonders gut aus. Ich fragte mich: ‚Wird sich mein Mann noch zu der Person hingezogen fühlen, die ich vor meiner Brustkrebserkrankung war?‘. Du bist sehr achtsam und ängstlich. Jede:r von uns hat sexuelle Bedürfnisse, und du möchtest sicherstellen, dass du auch jene deines Partners oder deiner Partnerin erfüllen kannst. Wenn du krank bist und keine Kraft hast, hast du einfach keine Lust auf Sex“, erklärt sie.
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„Bestätigung von meiner besseren Hälfte ist mir definitiv wichtig“, sagt Angus auf die Frage, was ihr und ihrem Partner dabei geholfen hat, eine sexuelle Verbindung aufrechtzuerhalten. „Vaginale Gleitmittel und so weiter waren haben auch ihren Teil dazu beigetragen.“
Frau Professor Boyle rät Partner:innen von Betroffenen, sich auf die Kommunikation zu konzentrieren. „Ich glaube, dass es wichtig ist, in der Lage zu, sich die Sorgen von erkrankten Partner:innen anzuhören, ohne das Gefühl zu haben, irgendetwas tun und alles in Ordnung bringen zu müssen. Es hilft, wenn Partner:innen geduldig, experimentierfreudig und bereit dazu sind, etwas Neues auszuprobieren. Es ist wichtig, sich Zeit für Intimität zu nehmen, auch wenn das nicht bedeutet, Sex zu haben.“
Angus hofft, dass es eines Tages mehr Unterstützung für Partner:innen von Menschen mit Krebserkrankungen geben wird. „Momentan wird ihnen nicht genug unter die Arme gegriffen. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde.“

„Es ist wichtig, sich Zeit für Intimität zu nehmen, auch wenn das nicht bedeutet, Sex zu haben.“

frau Professor Fran Boyle
Auch wenn die Rückkehr zu einem „normalen“ Leben vielleicht nicht realistisch ist, ist es möglich, sich das Leben leichter zu machen. Frau Professor Boyle weist darauf hin, dass das Leben unabhängig von Krebserkrankungen immer wieder Überraschungen bereithält. „Paare, die in die Wechseljahre kommen, werden irgendwann die gleiche Erfahrung machen müssen [auch]. Obwohl es Möglichkeiten gibt, viele dieser Schwierigkeiten zu umgehen, wird [Sex] wahrscheinlich so oder so nicht mehr so spontan sein wie früher. Sex zu haben, erfordert vielleicht etwas mehr Vorbereitung und Voraussicht, aber das ist ja auch der Fall, wenn ein Paar ein kleines Kind hat“, sagt Boyle.
„Ein Besuch bei Psycholog:innen, Sexualtherapeut:innen [oder] Physiotherapeut:innen kann helfen, da Beckenbodenprobleme Dinge verschlimmern können. Ein multidisziplinärer Ansatz ist wahrscheinlich wichtiger als eine [verschreibungspflichtige Creme].“
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Angus stimmt Frau Professor Boyle zu. „Psychologische Unterstützung während der Behandlung ist ein absolutes Muss. Sie hat mir das Leben gerettet. Ich nahm Kontakt zu Selbsthilfegruppen auf, sprach mit dem Personal, trat für mich als Patientin ein und sprach schwierige Themen an, ohne mich zu schämen. Letztendlich wirkt sie sich positiv auf unsere Lebensqualität, unsere sexuelle Gesundheit und unsere Beziehungen zu unseren Partner:innen aus.“
Es gibt viele dunkle Tage, aber Professor Boyle ist hoffnungsvoll. „Wie bei anderen Veränderungen im Körper einer Frau ist es möglich, eine Lösung zu finden, wenn die betroffene Person sie akzeptiert und sich ihnen nicht widersetzt. Bleib dran, gib nicht auf“, rät sie allen Brustkrebspatient:innen, die diesen Artikel lesen.
„Eine Sache, die mit den Wechseljahren besser wird, sind Migräne. Außerdem verschwindet die Angst vor einer Schwangerschaft. Das weiß ich, weil ich gerade in den Wechseljahren bin“, sagt sie und lacht. „Du wirst einige interessante Aspekte entdecken, die vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.“

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