Es gibt einen Gender-Gap wenn es um Untreue geht und Frauen beginnen nun, ihn zu schließen. „Frauen betrügen mehr denn je,” sagt Ester Perel, Paartherapeutin und Autorin des Buches The State of Affairs. Tatsächlich haben die Studien, auf die sie sich bezieht ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in heterosexuellen Beziehungen betrügen heute 40 Prozent höher liegt als im Jahr 1990. Trotzdem betrügen Männer noch 30 Prozent mehr als Frauen, aber die Damenwelt holt auf.
Der Seitensprung-Gap mag sich also schließen, der Schuldzuweisungs-Gap hingegen nicht.
„Frauen sind die Wärter von Beziehungen,” so Andrea Bonior, Psychologin und Autorin. „Da ist so eine tief sitzender Glaube, dass Frauen als Pfleger fungieren. Sie sollten in der Lage sein, Männer glücklich zu machen.” Der Konsens ist, dass Frauen in einer heterosexuellen Beziehung eine Sorgfaltspflicht haben – ob in Punkto Kindererziehung oder dem gemeinsamen Zuhause. Ist ein Paar also unglücklich, ist es vermutlich, weil die Frau ihre Rolle nicht erfüllt hat.
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Perel stimmt zu: „Das relative Glück der beiden Partner hält heute Familien zusammen. Das war früher anders. Früher konnte man betrügen, ohne dass die Familie darunter zerbrach.” Mit 'man' ist in diesem Fall wortwörtlich der Mann gemeint, denn sie beruft sich auf eine Zeit, in der eine Frau unter anderem von der finanziellen Sicherheit des Mannes abhängig war.
Die Last, das Glück der Familie aufrecht zu erhalten, lastete auf weiblichen Schultern, auch wenn (oder vor allem dann wenn) der Mann untreu war. Faktoren wie die Einführung der 'Scheidung ohne zwingende Schuldangabe' und die steigende finanzielle Unabhängigkeit von Frauen bedeuten heute, dass Frauen eigenverantwortlicher geworden sind. Trotzdem wird ihnen bis heute die Schuld an der Untreue gegeben – Frauen allgemein, nicht nur den Betrogenen.
'Die andere Frau' ist ein gängiger Begriff, 'der andere Mann' hingegen nicht
An der Cardiff Metropolitan University haben Forscher eine Studie in Auftrag gegeben, die 21 Männer und 23 Frauen zu Nachrichten befragte, die während einer Affäre via Facebook versendet wurden. Dabei kam heraus, dass Frauen eher 'die andere Frau' beschuldigen, als ihren Ehemann. „„Was der Mann tut wird als direkte Folge des Verhaltens von Frauen gesehen. Entweder hat 'die andere Frau' ihn verführt oder 'die Ehefrau' ihn verscheucht,” sagt auch Perel.
Dieses Phänomen ist nicht neu. Hillary Clinton wird heute noch zu den (Hinter-)Gründen der Affäre ihres Mannes Bill Clinton befragt, während Monica Lewinsky bis heute die Schmäh der 'anderen Frau' auferlegt wird. Der einzige, der aus dieser Nummer fast ohne Konsequenzen herausgekommen ist, ist Bill. (Obwohl sich das mit dem #MeToo-Movement zum Glück ändert.) Auch am Beispiel der Scheidung von Brad Pitt und Jennifer Aniston wird dieses Ungleichgewicht deutlich. Es war Angelina Jolie, die dafür, dass sie den Ehemann einer anderen begehrte, als böse Verführerin dargestellt wurde während Pitts Untreue und seine Einreichung der Scheidung ein Nebenschauplatz waren. All das bedeutet nicht, dass Frauen nicht auch ihre Rolle in solchen Szenarien spielen aber sie systematisch für beide Seiten der Untreue einer anderen Person verantwortlich zu machen, während Männer fast ungeschoren davon kommen, scheint nicht fair.
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Was der Mann tut wird als direkte Folge des Verhaltens der Frau gesehen. Entweder hat sie ihn verführt oder ihn verscheucht.
Esther Perel
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Dieselbe Studie der Cardiff Metropolitan Universität hat ergeben, dass wenn eine Frau betrügt ebenfalls ihr die Schuld für den Seitensprung gegeben wird, nicht 'dem anderen Mann'. Das führt dazu, dass die Frau die ganze Welle an Vorwürfen allein ertragen muss, der Mann hingegen gleich zwei andere Schuldige vorfindet: die Ehefrau und 'die andere Frau'.
„Es gibt den Term 'der andere Mann' nicht,” sagt Perel. „Es gibt nur 'die andere Frau'.” In der englischen Sprache gibt es das Wort 'mistress', das ebenfalls kein männliches Gegenstück hat, es gibt nur 'cuckold', was soviel bedeutet wie 'der betrogene Mann'. Doch 'die betrogene Frau' kann man nicht benennen. Aber man macht ihr ein schlechtes Gewissen, weil sie ihrem Mann nicht das gegeben hat, was er brauchte.
„Männer betrügen häufig zur sexuellen Befriedigung,” so Justine Shuey, anerkannte Sexualforscherin und -Lehrerin. „Darum geht man davon aus, dass die Ehefrau oder Partnerin keinen Sex mehr mit ihm hat, was ihn dazu treibt, untreu zu werden. Und da wäre noch die Annahme, dass Frauen 'sich gehenlassen', was sie weniger sexuell anziehend macht, und ihm quasi einen Freifahrtschein aushändigt, sich anderweitig umzusehen.”
Bei den Frauen sind es meist emotionale Faktoren, die sie zu einer Affäre treiben. Denn während sie für das Glück ihres Parters verantwortlich sind, wird er im Umkehrschluss nicht mit der Aufrechterhaltung und Garantie des Glück der Frau 'beauftragt'. Genau das ist es aber, was sie am Ende in jemand anderes suchen.
Unabhängig vom Gender ist es immer die Entscheidung der Person, die die Grenzen der Beziehung überschreitet und sie*er sollte demnach auch die Konsequenzen ihrer*seiner Tat tragen. Betrug jeglicher Art gibt es in allerlei Beziehungen aber in Zeiten, in denen Männer und Frauen beginnen beide Seiten dieser beschmutzten Medaille gleichermaßen für sich zu beanspruchen, sollte auch die Schuldzuweisung gleich und fair verteilt werden.
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„Frauen werden traditionell als der monogamere Part gesehen und als diejenigen, die viel Wert auf Bindung legen. Aber der Satz 'Männer betrügen halt' sollte so nicht mehr hingenommen werden. Es ist Zeit, die Dynamik zu verändern,” so auch Perels Schlussfolgerung.
Hier findest du Artikel ohne Gender Gap, weil manches sich eben doch schon verändert hat:
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