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Was ich aus der gescheiterten Beziehung mit einem alleinerziehenden Vater lernen konnte

Photo: Jim Dyson/Getty Images
Ich hatte mir immer geschworen, dass ich mich nie auf einen Vater einlassen würde. Weil ich wusste, dass mein Ego eine Ex-Frau als festen Bestandteil der Beziehung nicht ertragen würde. Doch siehe da, es ist August 2016 und ich stehe am Drehkreuz des Disneyland Paris. Meine Fendi-Tasche riss mir bei den kiloweisen Feuchttüchern und Shopkins-Figürchen fast vom Arm. Mein Masochismus hatte neue Dimensionen erreicht: Ich steckte knietief in einer Beziehung mit einem kürzlich geschiedenen Lehrer und seiner vierjährigen Tochter. An ein richtig mieses Arschloch geraten die meisten mindestens einmal im Leben. An einen, der zwei Gesichter hat. Einer, der dich von vorne bis hinten belügt und dir Alpträume verursacht. Es sind eben meist die Menschen, die einem besonders nah sind, die einen dann zutiefst verletzen und durch die man die wichtigsten Lektionen im Leben lernt. Allerdings setzt diese Einsicht oft erst Jahre nach dem Trauma ein. Als jemand, der mit solchen Horroraffären einige Erfahrungen sammeln durfte, hatte ich dieses Kaliber von Mann eigentlich hinter mir gelassen – eigentlich. Mir ist jetzt bewusst, wie schwierig es in dieser Zeit gewesen sein muss, meine Freundin zu sein. Meine besten haben mich wiederholt vor ihm gewarnt, vor ihm und seiner Vergangenheit. Davor, dass er unruhig, unbeständig und unentschlossen sei – und noch lange nicht bereit, jemanden so verbindlich in sein Leben zu lassen. In der Nacht, in der ich ihn zum ersten Mal traf, trank er als gäbe es kein Morgen mehr. Er trug eine gut durchdachte Double-Denim-Kombination und ein Kreuz um den Hals. Er konnte sich kaum noch auf dem Barhocker halten. Wenn nicht dieses Verhalten, dann hätten mich zumindest seine schrecklichen Tattoos davon abhalten sollen, mit ihm nach Hause zu gehen. Und trotzdem wollte ich versuchen, die Person kennenzulernen, die sich hinter all diesen Hürden verbarg. Ich hätte einfach zur Tür hinausgehen sollen. Zwei Jahrzehnte lang hatte ich mich mit Affären hingehalten, die mal mehr, mal weniger oberflächlich waren. Etwas Bodenständiges war nicht dabei. Also wollte ich mir die Bodenständigkeit in Person ins Bett holen. Wie viele Abende ich ihm dabei zugehört hatte, wie er über seine Ex-Frau schimpfte, darüber, was die Scheidung mit ihm und seinem Leben angerichtet hatte und wie schwer es war, seine kleine Tochter alleine zu erziehen. Er vermisste sein altes Familienleben. Der Gedanke daran, dass sie ihn für einen anderen Mann verlassen hatte, brachte ihn in Rage. Es brach mein Herz zu sehen, wie er seine persönlichen Tragödien immer und immer wieder durchspielte und sich aus diesem emotionalen Teufelskreis nicht mehr befreien konnte.
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Endlich war alles gut. Doch dann kam Disneyland.

Unsere Beziehung gab mir ein neues Gefühl von Sicherheit, denn abgesehen von den Strapazen seiner Vergangenheit, gab er mir alles, was ich mir je erträumt hatte. Es war mir egal, dass er finanziell ruiniert war oder dass die zerstörte Ehe seine Meinung über das Heiraten für immer geprägt hatte. Wenn es um Kinder ging, war er erstaunlich positiv gestimmt: Als er sagte, er würde in Betracht ziehen, seine Sterilisation rückgängig machen zu lassen, weil er sich weitere Kinder mit mir vorstellen könnte, war das einer der glücklichsten Tage meines Lebens. Ich beschloss, die Operation für ihn zu bezahlen, und nach ein paar Monaten versuchten wir bereits, schwanger zu werden. Außerdem machten wir uns auf die Suche nach einem gemeinsamen Haus und wurden in Form eines schwer renovierungsbedürftigen Viktorianischen Hauses fündig. Ich hatte sämtliche Jahre mit karrierebesessenen Egoisten verschwendet. Jetzt plötzlich, so fühlte es sich an, hatte ich da jemanden an meiner Seite, der mein Herz wirklich höher schlagen ließ. Endlich war alles gut. Doch dann kam Disneyland. Die Sonne prallte auf uns herab als wir Wald Disneys Fantasiewelt betraten. Zuckerwatte an jeder Ecke, ganze Familien in Minnie- und Mickey-Maus-Kostümen säumten die Straßenkulisse und schlürften Slushies. Die Kinder waren völlig überdreht, nichts als pure Aufregung – und ein bisschen Zucker. Die Augen seiner Tochter strahlten; er hatte all ihre winzig kleinen Träume wahr werden lassen. Ich hingegen fühlte plötzlich eine Veränderung in seinem Verhalten. Ich wurde im Laufe von nur wenigen Stunden immer paranoider und dachte, ich hätte etwas falsch gemacht. Er hatte schlechte Laune, schien nicht gut auf mich zu sprechen zu sein. Nicht einmal in die Augen schauen konnte er mir. Die Tatsache, dass das alles vor einem pinkfarbenen Glitzerschloss passieren musste, hatte unverhältnismäßige, irrationale Auswirkungen auf meine Stimmung. Das ganze Szenario fühlte sich so verdammt surreal an. Mich in einen Mann mit Kind zu verlieben, das brachte mehr als nur eine Kehrseite mit sich. So bescheuert es auch klingt: Allein die Gewissheit, niemals der Hintergrund auf seinem Computer oder Handy zu sein, machte mich furchtbar traurig. Das ging zwar vorbei, als ich realisierte, dass ich zu alt für solche Szenen war. Trotzdem bemerkte ich, dass meine Eifersucht wuchs, wann immer seine Tochter bei ihrer Mutter war und wir nur zu zweit beim Frühstück saßen. Er schien an diesen Tagen abwesend zu sein, starrte mit leerem Blick aus dem Fenster, und schenkte mir bemerkbar weniger Aufmerksamkeit. Wenn seine Ex-Frau die Kleine zurückbrachte, musste ich jedes Mal zufällig ins Bad, weil mich der Gedanke daran, sie regelmäßig zu sehen, schier in Panik versetzte. Wenn etwas dazwischen kam und sich die Zeitaufteilung kurzfristig änderte, wurde er schlagartig wütend. Ich wusste, dass ich ihm in dieser Hinsicht niemals Ruhe bieten können würde. Das nagte nicht nur an ihm, sondern auch an mir. Jemanden zu lieben, der dich nie so lieben wird, wie er jemanden einmal geliebt hat, ist unbeschreiblich schmerzvoll. Doch ich hielt durch. Ich klammerte mich an das, was da war. Wir gewöhnten uns aneinander. Wir drei. Ich fing an, mich an das Leben in meiner kleinen Teilzeitfamilie wohl zu fühlen.

Ich konnte nachvollziehen, dass meine Luftschlösser nicht seine waren. Dass meine Farbfächer von Farrow & Ball ihm nichts gaben. Doch auf die Sprachlosigkeit folgte Dankbarkeit.

Der Tag im Pariser Vorort war das Ende unserer Romanze. Er nahm mich beiseite und sagte mir, in einem sehr ruhigen Ton, dass er den Kaufvertrag für unser Haus kurzfristig annulliert hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, mit mir zusammenzuziehen. Eine neue Familie zu gründen. Und zusätzlich dazu noch die Kosten für Neubau und Renovierung und die Scheidung auf sich zu nehmen. Das alles überforderte ihn maßlos. Ich hatte so viel in diese Beziehung und in sein Kind investiert – ich wäre zuvor wahrscheinlich in die Knie gegangen und unter Tränen zusammengebrochen. Stattdessen atmete ich ein paar Mal tief ein und aus, blieb ruhig, schaute ihn an und sagte ihm, dass ich unterstützen würde, wo ich könnte. Ich stellte ihr Wohlergehen vor meins, in der unterschwelligen Hoffnung, dass mein Märtyrerdasein doch noch zu einem Happy Ending führen würde. Auf der Fähre zurück nach New York verbrachte ich den Großteil der Zeit in meinem Bett. Ich weinte und tröstete mich selbst und weinte. Irgendwann bemerkte ich, dass ich schwach war. Jahrelang schätzte ich meinen eigenen Wert meinen Beziehungen mit Männern entsprechend ein. Er und seine Tochter waren neu auf meiner Bildfläche und lehrten mich, mit 42, was es bedeutet, das Wohlgefühl einer anderen Person über das eigene zu stellen. Was es wirklich bedeutet, selbstlos zu sein. Kurz vor knapp ein Angebot für ein Haus zurückzuziehen, das hätte ich früher maßlos verurteilt. Doch mein neues Ich konnte still leiden und ihm vergeben. Ich konnte nachvollziehen, dass meine Luftschlösser nicht seine waren. Dass meine Farbfächer von Farrow & Ball ihm nichts gaben. Doch auf die Sprachlosigkeit folgte Dankbarkeit. Und heute geht es mir besser.
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