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Wir haben unsere Beziehung nie definiert – & das ist auch gut so

Foto: Natalia Mantini
Wenn es darum geht, eine Beziehung zu definieren, gibt es keine festen Regeln: Bei einigen kommt das Thema schon beim dritten Date auf, andere treffen sich erst Mal ein paar Monate bevor sie darüber reden. Aber früher war das irgendwie einfacher. Im Kindergartenalter war man ein Paar, sobald man Händchen gehalten hat, in der Grundschule nach dem ersten Bussi und später dann nach dem ersten Sex. Doch im Erwachsenenalter ist das anders.
Vielleicht liegt es am Tinder-Zeitalter, in dem wir leben, aber niemand scheint sich allzu schnell festlegen zu wollen. Schließlich könnte sich hinter dem nächsten Swipe eine Person verstecken, die noch viel besser zu einem passt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich aus Angst vor Zurückweisung keiner traut, nachzufragen, ob man denn nun zusammen ist oder nicht. Oder aber beide Parteien wollen sich nicht unter Druck setzen, sondern die oder den anderen erst Mal ganz in Ruhe kennenlernen.
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Wie dem auch sei, irgendwann gibt es in jeder Kennenlernphase einen Punkt, an dem „das Gespräch“ unausweichlich ist. Und dann wird es ernst: Triffst du dich auch mit anderen? Sind wir nur Fuckbuddys oder willst du mehr? Kannst du dir eine feste Beziehung mit mir vorstellen? Auch, wenn es manchmal nicht leicht ist darüber zu reden, weißt du nach der Unterhaltung wenigstens, woran du bist und ob ihr auf einer Wellenlänge seid. Das allein ist doch schon mal eine beruhigende Vorstellung, oder? Also warum habe ich die Frage aller Fragen nie gestellt?
Denis und ich haben uns während des Studiums kennengelernt. Am Anfang fand ich ihn cool, aber unnahbar. Ich dachte, er müsste öfter ausgehen, mehr unternehmen. In unserem ersten Jahr gingen wir oft zusammen tanzen und machten öfter rum, als dass wir uns unterhielten. Doch weil unsere Uni so klein war, überschnitten sich unsere Freundeskreise irgendwann und wir sahen uns immer öfter – also auch außerhalb von Vorglüh-Abenden und Ersti-Partys. Also lernten wir uns langsam besser kennen und ich stellte fest, dass Denis nicht nur irgendein lustiger Typ war, mit dem ich gern Zeit verbrachte und rumknutschte. Er war der einzige Typ, mit dem ich gern Zeit verbrachte und rumknutschte.
Ich glaube, bei ihm hat es etwa zur gleichen Zeit Klick gemacht wie bei mir, denn im folgenden Sommer verbrachten wir ganze Wochenenden miteinander. Was wir einander bedeuteten, sprach aber keiner von uns an.
Es vergingen noch ein paar Monate, bevor ich dann tatsächlich das erste Mal das L-Wort benutzte – im Eifer des Gefechts. Ich habe es nicht in der Sekunde gesagt, in der es mir dämmerte (ich wusste es ehrlich gesagt schon eine ganze Weile) und ich habe es auch nicht nur gesagt, damit er auch „Ich liebe dich“ sagt. Ich habe es gesagt, weil ich das Gefühl hatte, es endlich aussprechen zu müssen.
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Diesen Moment hätten wir natürlich gut dazu nutzen können, über unseren Beziehungsstatus zu sprechen. Haben wir aber nicht. Und auch, als wir wegen des Studiums ein Jahr getrennt voneinander verbringen mussten, haben wir unsere Beziehung nicht definiert – obwohl wir von mehreren Leuten darauf angesprochen wurden, ob wir zusammenbleiben würden. Ich antwortete immer nur „Ähm, ja?!“ und wechselte dann schnell das Thema. Wir nutzen die Chance nicht, über unsere Zukunft zu reden und genossen lieber einfach die gemeinsame Zeit, die uns vor der Abreise noch blieb. Vielleicht waren wir einfach nur sehr selbstbewusst und zuversichtlich. Vielleicht wollten wir aber auch einfach nur verdrängen, dass wir uns die nächsten neun Monate nicht sehen würden.
Wir überstanden das Dreivierteljahr, indem wir sehr viele Nachrichten schrieben und uns gegenseitig besuchten. Ab und zu rief ich ihn auch betrunken an und heulte, weil ich ihn so vermisste. Als ich das Studium abschloss, beschlossen wir stillschweigend zusammenzuziehen. Buchstäblich.Wir haben nicht darüber geredet. Wir landeten einfach zufällig an einem Tag im Mai auf Craigslist und suchten zusammen nach Zimmern in Brooklyn.

Dance floor prtnrs estb 2012 #hampshire #redbarn

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Wenn du dich beim Lesen der letzten Paragraphen unwohl gefühlt hast und ständig den Kopf schütteln musstest, kann ich das verstehen. Zwei Menschen, die in einer festen Beziehung sind und sich lieben, sollten doch kein Problem damit haben, über die gemeinsame Zukunft zu reden, oder? In unserem Fall war das nicht so.
Viele Freund*innen und Familienmitglieder kamen auf mich zu und warnten mich, Kommunikation und Grenzen seien die Basis jeder gesunden Beziehung. Sie waren der Meinung, es wäre ein großer Fehler, dass Denis und ich die wichtigen Unterhaltungen einfach unter den Tisch fallen ließen. Und da widerspreche ich ihnen nicht! Aber wir haben jetzt schon vier glückliche Jahre gemeinsam verbracht und auch, wenn wir unsere Emotionen vielleicht nicht immer in Worte fassen können, zeigen wir uns immer wieder mit kleinen Gesten im Alltag, wie viel wir uns gegenseitig bedeuten.
Ich schreibe Denis jedes Jahr einen Brief zu seinem Geburtstag, weil es so viel einfacher ist, die Gedanken zu Papier zu bringen, als sie jemandem ins Gesicht zu sagen. Denis hat mir zwar noch nie Blumen mitgebracht, aber er war an meiner Seite als ich zwei fiese Magen-Darm-Grippen durchstehen musste – und ich finde, das Risiko einer Ansteckung einzugehen bedeutet mehr als hundert rote Rosen. Taten sagen meiner Meinung nach mehr als Worte und obwohl es vielleicht nicht das perfekte System für Menschen ist, die sich immer wieder rückversichern müssen, funktioniert es für uns sehr gut.
Bis heute leben Denis und ich zusammen. Wir haben gemeinsame Hobbys, kennen die Familien des anderen und träumen – wie jedes Paar in NYC – davon, uns irgendwann einen Hund anzuschaffen. Wir haben keine süße Kennenlerngeschichte, keine witzige Erstes-Date-Anekdote. Aber wir sind die allerbesten Freundinnen. Wir führen eine ziemlich großartige Beziehung, die sich einfach so ergeben hat – ohne, dass wir „den Talk“ geführt haben. Und das ist okay. Das einzige, was wir nicht haben, ist ein Jahrestag.

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