Vor der Selbst-Isolation war es so: manchmal sehen wir uns nur zweimal in der Woche – und das, obwohl wir zusammenleben. Meine Partnerin ist Polizistin und während ich die ganze Woche zu normalen Bürozeiten arbeite, ist sie in drei Schichten im Einsatz. Heute zum Beispiel hatte sie frei, morgen beginnt sie mit der Frühschicht von 6 Uhr morgens bis 14 Uhr nachmittags, kommt dann nach Hause, um ein paar Stunden zu schlafen, und macht von 21 Uhr bis 7.15 Uhr die Nachtschicht. Dann bin ich für gewöhnlich schon wieder aus dem Haus. Wenn sie Spätschicht hat, von 13 bis 22 Uhr, schlafen wir sogar in separaten Zimmern. Denn wenn sie nach Hause kommt und mich weckt, kann ich nicht mehr einschlafen.
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Seit fünfeinhalb Jahren sind wir zusammen, seit drei Jahren geht das schon so. Und es wird sich auch nicht ändern, solange sie Polizistin bleibt. Als sie sich bewarb, besprachen wir das ausgiebig und ich wusste, worauf ich mich einlasse, da ich selbst und mein Vater schon Schicht gearbeitet haben. Aber es ist anstrengend, ich hätte es mir definitiv leichter vorgestellt. Man sieht sich halt einfach selten. Und es gibt niemanden, der automatisch irgendwohin mitkommt. Ich kann mittlerweile gut viele Sachen allein unternehmen, nur allein ins Kino..., das hab ich noch nicht geschafft. Da ist die Hemmschwelle zu gross.
Unter der Woche ist es aber meist gar nicht so schlimm, wenn ich allein bin. Da hab ich mit dem Haushalt zu tun, muss die Katzen versorgen und mit dem Hund raus. Das geht. Aber am Wochenende, und das hab ich ihr schon ein paar Mal gesagt, ist es schade, wenn ich allein bin und sie arbeitet. Besonders, wenn sie zusätzlich noch Nachtschicht hat und dadurch am Tag schläft. Dann kann ich zuhause nicht mal selber etwas machen, weil es sie wecken würde. Das hasse ich am meisten.
Im Normalfall arbeitet sie drei Wochenenden pro Monat, eins ist obligatorisch frei. Und das wird genossen und gehört nur uns. Man nimmt sich grundsätzlich viel intensiver Zeit füreinander, wenn man sich so wenig sieht, schätzt die gemeinsamen Momente besonders. Das geht in anderen Beziehungen vielleicht oft ein wenig verloren. Wenn ich zum Beispiel weiss, dass sie frei hat, dann mach ich immer früh Feierabend. Wir sind dann an der frischen Luft, gehen mit unserem Hund Mischa spazieren und führen sehr lange und tiefgründige Gespräche. Anders als viele Paare gehen wir auch mal spontan unter der Woche romantisch essen. Es hat ja auch seine Vorteile, denn unter der Woche gibts viel weniger Leute in den Restaurants als am Wochenende.
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Ein weiterer Vorteil: Jede kann machen, was sie will. Meine Partnerin treibt sehr viel Sport. Momentan trainiert sie besonders streng, weil sie nach Spanien in die Veloferien will. Durch ihre Arbeitszeiten kann sie das machen, ohne mich zu vernachlässigen, kann Intervalltrainings absolvieren oder stundenlang Velo fahren, ohne dass es mich stört. Es gibt keine Konflikte, weil ich ja tagsüber sowieso arbeite. Und auch unseren Hund können wir nur haben, weil sie Schicht arbeitet und sich so immer jemand um ihn kümmern kann.
Wir kommen grundsätzlich also sehr gut damit klar, würden uns auch nie wegen der Arbeitszeiten trennen. In einer früheren Beziehung wurde die Schichtarbeit aber tatsächlich einmal zum Problem. Damals war ich diejenige, die Schicht arbeitete. 14 Jahre waren wir zusammen, etwa elf davon arbeitete ich Schicht. Ein Problem gab es aber erst, als ich dann ins Büro wechselte, zu normalen Zeiten arbeitete und folglich öfter da war. Da dauerte es dann nicht mehr lange, bis die Beziehung in die Brüche ging. Ich sag immer, wenn ich nicht Schicht gearbeitet hätte, wäre es nie so lang gegangen.
Bei mir damals war es aber weit weniger anstrengend. Ich arbeitete nur unter der Woche Schicht, hatte stabile Zeiten und freie Wochenenden. «Zetteliwoche» nannte ich das damals immer, weil man auf Post-its oder Zettelchen aufschrieb, was gerade ansteht. Heute ersetzen SMS diese Zettel. Nur wenn meine Partnerin Nachtdienst hat, dann schreiben wir uns ab und zu ein Zetteli und klebens an den Spiegel. «Pfüsele guet, bis morn!» steht dann etwa drauf.
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