Es gibt Dinge in meinem Leben, bei denen ich mir Zeit lasse: zum Beispiel wenn ich koche, bei langen Spaziergängen oder wenn es darum geht, meine Miete zu zahlen. Alles andere überstürze ich. Beim Putzen flitze ich durch die Wohnung, weswegen mein Boden nie so richtig sauber wird. Ich hetze durch den Supermarkt und stelle erst an meiner Türschwelle fest, dass ich schon wieder die verdammte Milch vergessen habe. Und – was am schlimmsten ist – ich stürze mich Hals über Kopf in Beziehungen. Die meiste Zeit meines bisherigen erwachsenen Lebens habe ich im Teenie-Tempo gedatet: Ich lerne jemanden kennen, wir haben ein erstes Date, dann noch eines und spätestens nach dem dritten suche ich bei Airbnb nach einem Ferienhäuschen für Wochenendausflüge im Grünen und frage mich, ob seine Mutter schon von mir weiß. (Tut sie nicht.)
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In meinen ersten drei Beziehungen hat mir dieses Tempo ganz gute Dienste geleistet: Bei meiner ersten war ich noch in der Schule, also war es ganz normal; bei der zweiten war ich mit meinem Partner schon jahrelang befreundet gewesen, weswegen wir die Kennenlernphase einfach auslassen konnten; und die dritte war mit einem faulen, intellektuellen Arsch, der nur das Notwendigste zu unserer Beziehung beitrug, weswegen ich alle Entscheidungen treffen musste. Aber als ich mich von diesen drei Kerlen verabschiedet hatte und mich in die Realität der Datingwelt stürzte, in der mit Phrasen wie „Ich suche gerade nichts Festes“ förmlich um sich geworfen wird, musste ich sehr schnell feststellen, dass die meisten es nicht so eilig haben wie ich. Tatsächlich sprachen wir meist gar nicht darüber, geschweige denn definierten irgendetwas, was wir taten.
Weil ich zu Extremen neige, fing ich an das Gegenteil zu tun und versuchte mich daran, cool zu bleiben und nicht zu viel darüber nachzudenken, was der Status einer jeden Beziehung war, die ich so einging. Es dauerte nicht lange, bis ich aber doch merkte, dass das nicht zu mir passte: Tatsächlich bin ich nämlich großer Fan von Regeln und Labels – was auch vollkommen in Ordnung ist. Mein Experiment scheiterte eben grandios und fand seinen Höhepunkt in einem betrunkenen Showdown mit einem Typen, dem ich erlaubt hatte, mich fast ein ganzes Jahr lang zappeln zu lassen. Daraufhin akzeptierte ich schließlich, dass ich auf der Suche nach einer echten, dauerhaften Beziehung war, worüber ich die Männer, mit denen ich fortan etwas anfing, auch ziemlich schnell informierte.
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Diese neue Einstellung war nicht sehr erfolgreich, bis ich Mitte Februar ein neues Bumble-Match hatte: Hannes*. Wir verstanden uns richtig gut, fingen schnell an, uns über SMS auszutauschen und irgendwann stellte er die Frage, auf die ich mich bei neuen Bekanntschaften besonders freue: „Wonach suchst du?“ Ich erklärte ihm, dass ich die Dinge zwar nicht überstürzen will (Übung, Leute!), dass ich aber auf lange Sicht jemanden suchte, mit dem ich eine ernsthafte Beziehung aufbauen könnte. Er sagte, das wolle er auch, aber er hätte gerade eine Beziehung beendet und wolle es deswegen langsam angehen lassen. Ich stimmte zu und wir fingen an uns zu treffen.
Wir gaben uns beide Mühe, das Tempo zu drosseln. Aber wenn du jemanden magst und ihr Zeit füreinander habt und sie auch miteinander verbringt und dann auch noch in diesem anfänglichen Dating-Rausch steckt und euch verdammt nochmal einfach darüber freut, dass ihr euch gefunden habt, dann ist es wirklich ein Leichtes, sich davon mitreißen zu lassen. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, verbrachten Hannes und ich die Nacht zusammen in seiner oder meiner Wohnung. Wir schrieben uns den ganzen Tag. Wenn er abends lange arbeiten musste, kochte ich für ihn. Er aß mit meinen Freund*innen Brathähnchen, ich mit seinen Veggie Pho. Als wir zum ersten Mal miteinander schliefen, erklärte ich ihm meine Regel: Wenn du mit jemand anderem in die Kiste springst, musst du mir das sagen, weil ich nicht mit Männern schlafe, die mit anderen schlafen. Er stimmte zu.
Ihr könnt euch vermutlich denken, wie das ganze endete.
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Einerseits fühlte ich mich wie die Hälfte eines Paars. Gleichzeitig fand ich Dinge über ihn heraus, die mir so gar nicht gefielen: Er hatte ein paar Macho-Macken, er war stur und noch nicht so richtig über seine Ex hinweg, und einmal sah er mir direkt in die Augen und sagte, er respektiere Trumps ehemaligen Berater und Chefstrategen, den rechts-konservativen Steve Bannon, wegen seiner Intelligenz. Ich fragte mich also, ob das wirklich eine Beziehung war, in der ich noch länger sein wollte. Es juckte mir in den Fingern unseren Beziehungsstatus zu definieren, aber er hatte daran kein Interesse und ich war mir aus offensichtlichen Gründen gar nicht sicher, ob ich diesen Typen wirklich zum Partner wollte.
Wenn ich so mit ein bisschen mehr Reife auf meine Dating-Vergangenheit zurückblicke, sehe ich, dass mein Drang, das Boyfriend-Label auf jede Stirn zu klatschen, wohl daher stammte, dass ich fürchterlich unsicher war. Früher hatte ich es mit den Beziehungsschubladen überstürzt, weil es mir die vermeintliche Sicherheit gab, nicht verlassen zu werden – und damals brauchte ich unbedingt einen Partner. Aber jetzt wusste ich es besser. Ich wusste, dass ich es wollte, nicht brauchte. Ich brauchte weder Hannes noch eine Beziehung. So konnte ich ein bisschen Abstand nehmen, das Tempo drosseln und überlegen, ob er zu meinen Vorstellungen passte, während es nach außen so schien, als würden wir nur so dahin dümpeln. Irgendwann, als ich wegen irgendetwas sauer auf ihn war, schrieb ich meiner Freundin Sarah:
“
Ich glaube, ich will ihn eigentlich gar nicht mehr daten.
”
Sie schrieb zurück
“
Dann hast du doch deine Antwort.
”
Als er mir also eines Freitags unter Tränen gestand, dass er mit jemand anderem geschlafen hatte anstatt mich anzurufen, beendete ich die Sache. Ich weinte im Taxi auf dem Weg nach Hause, während mein Fahrer mir Taschentücher nach hinten reichte. Am nächsten Morgen suhlte ich mich in Selbstmitleid. Aber schon am Nachmittag hatte ich festgestellt, dass ich etwas Wichtiges gelernt hatte.
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Weil ich über eine so lange Zeit Labels hinterher rannte, ignorierte ich regelmäßig Warnzeichen, die mich davon hätten abhalten sollen, etwas Ernsteres mit jemandem anzufangen. Tief drinnen wusste ich, dass der intellektuelle Arsch ein intellektueller Arsch war, aber weil ich so berauscht davon war, einen Freund zu haben, ignorierte ich meine Zweifel und konzentrierte mich auf die wenigen positiven Dinge in unserer Beziehung. Wenn man das Tempo ein bisschen zurücknimmt, kann man die Dinge klarer sehen. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich in Zukunft keine Beziehungsprobleme mehr haben werde. Schließlich ist niemand perfekt. Aber bevor man sich auf jemanden festlegt, sollte man herausfinden, ob man wirklich zusammenpasst, weil es viel schwerer ist, die großen Probleme anzusprechen, wenn man schon tief in der Liebesfalle steckt.
Bei Hannes sah ich die Warnzeichen und gestand mir ein, dass er nicht der Typ Mensch war, mit dem ich längerfristig zusammen sein wollte. Ich beendete es zwar nicht selbst, aber diese Erkenntnis alleine war Gold wert. Jemanden kennenzulernen, mit dem du dir eine romantische Zukunft vorstellen kannst, ist ein Marathon, kein Sprint. Für mich ist es wichtig, feste Grenzen zu ziehen, bis ich das Gefühl habe, den Menschen richtig gut zu kennen. Eine dieser Grenzen ist meine „Schlafe-mit-niemand-anderem-solange-du-mit-mir-schläfst“-Regel, weil ich gelernt habe, dass ich mich schnell in Männer verknalle, wenn wir Sex hatten. Und ich teile nicht gerne. Nach Hannes werde ich keine regelmäßigen Sleepovers mehr mit Männern haben, bevor sie nicht mein Vertrauen und das Privileg verdient haben, so viel Zeit in meinem Reich zu verbringen.
Mein Boden leidet zwar immer noch unter meiner hastigen Putzerei, aber ich habe beschlossen, die Anfänge meiner nächsten Beziehung so zu behandeln, wie das Kochen: Ein Schritt nach dem anderen, die schönen Gefühle genießen und dabei viel Wein trinken.
*Der Name wurde von der Redaktion geändert, um die Anonymität der Person zu wahren.
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