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„Gay-friendly“ Call Me by Your Name-Touren durch Italien: Ist das wirklich nötig?

Der Film Call Me by Your Name hat unser aller Herz kalt erwischt. Emotional unvorbereitet wurden wir vereinnahmt von der zarten Liebesgeschichte zwischen Elio und Oliver und ins Italien der Achtzigerjahre entführt mit seinen Bluejeans, weißen Sneakers, Kastenautos und Pfirsichbäumen.
Crema in der Lombardei, der Drehort des filmischen Meisterwerks, hätte sich keine bessere Marketingkampagne wünschen können. Allerdings nimmt das Ganze nun etwas seltsame Auswüchse an. Auf i-D Online wurde ziemlich begeistert über die „gay-friendly“ Call Me by Your Name-Tour des Reiseveranstalters Quiiky berichtet. Im Prinzip beinhaltet diese 9-tägige Reise neben Übernachtungen mit Frühstück Trips zu diversen Drehorten des Films, einen Aufenthalt in der „Gayborhood“ von Porta Venezia in Mailand inklusive einer „Leonardo Da Vinci“-Tour von einem gay-friendly Guide sowie zwei Weinverkostungen.
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Ich möchte nun nicht falsch verstanden werden, ich unterstütze jegliche Lebenskonzepte, Vorlieben, Orientierungen und die Natur eines jeden Individuums, habe mich beim Durchlesen des Reiseplans und beim zehnten „gay-friendly” jedoch gefragt, ob wir hier gerade von Homosexualität reden oder einem Leiden. Ja, ich weiß, es sind nicht alle soweit in ihrem Oberstübchen und auch Homophobie ist leider noch immer ziemlich präsent. Nur: Hilft es der Sache, so explizite Grenzen zu ziehen? Und was ist eigentlich wirklich die Intention hinter dieser Reise? Sind für Crema auch noch Extratouren für bisexuelle, US-amerikanische PhD-Kandidaten geplant, um das Marketing noch ein bisschen mehr auszuschlachten? Und was genau heißt eigentlich dieses „gay-friendly“? Muss man mit Homosexuellen anders reden? Interessieren sich homosexuelle Männer und Frauen automatisch immer für andere Dinge und erleben sie anders als alle anderen? Sehen sie die Welt total schwul oder lesbisch? Ich übertreibe hier mit Absicht, weil ich nicht so recht ausmachen kann, warum jemand, der*die homosexuell ist, ein eigenes Bespaßungsprogramm im Urlaub braucht.
Ich verstehe total, dass es Sinn ergibt und hochinteressant ist zu Orten, geschichtlichen Begebenheiten oder Umbrüchen den Bogen zur (Homo-)Sexualität zu spannen. Etwa wenn man bei einer Stadtführung durch Berlin auf gleichgeschlechtliche Liebe in der DDR eingeht und der Verfolgung von Homosexuellen im zweiten Weltkrieg. Aber muss man dafür dann auch alle Reiseteilnehmer in Schöneberg einquartieren und für Drinks ins Kumpelnest schicken?
Das wäre wie einen „straight-friendly“ Urlaubs-Aufenthalt zu buchen, während dessen man unter gar keinen Umständen von gleichgeschlechtlicher Liebe und Regenbogenfarben belästigt werden darf. Und wie darf ich mir einen „gay-friendly“ Tourguide vorstellen? Irgendwie hat das was von tierlieb – ist nicht jede*r, der*die nicht homophob ist, auch schwulenfreundlich, da es die Person nicht weiter interessiert? Oder kann man da Kurse machen, mit Auszeichnung und Urkunde? Und die alles entscheidende Frage: Dürfen nur schwule Menschen diese Reise buchen? Oder bin ich schon wieder zu kritisch? Warum braucht man LGBTQ-Reiseveranstalter, wenn alles, was sie machen, irgendwie sehr exklusiv ist? Vielleicht sollte die Reise auch einfach „not a homophobic asshole“-Call Me By Your Name-Tour heißen und somit alle, die nicht schwulen-, lesben- und transfeindlich sind, einschließen.
Für mich ist das ein bisschen wie mit dem vermeintlichen „Beachbody“: Wer ihn will, legt sich einfach mit seinem*ihrem Körper an den Strand. Fertig. Wer einen „gay-friendly“ Trip nach Crema machen möchte, ist queer oder auch nicht, packt die liebsten Freund*innen ein, fliegt nach Italien und checkt Crema aus. Fertig. Dafür muss niemand 2.200 Euro für eine vorgefertigte Tour ausgeben (außer man möchte das) und diese Liste gibt auch schon eine Übersicht aller Drehorte in und um die kleine Stadt in der Lombardei. Fehlen nur noch die gepackten Koffer!
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