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Bist du möglicherweise ein:e Co-Narzisst:in?

Foto: Alexandra Gavillet
Du bist dir nicht sicher, wie du dich nach einem Streit mit deiner besseren Hälfte fühlst? Du kannst dich einfach nicht entscheiden, ob du deinen jetzigen, eher weniger herausfordernden Job behalten oder dich lieber einer größeren beruflichen Herausforderung stellen solltest? Nimmst du die Schuld dafür auf dich, dass du drei der sechs Becher Kaffee verschüttet hast, die du freiwillig für dein Team geholt hast – und das, obwohl du tief im Inneren weißt, dass es zu mindestens 65 Prozent Ninas Schuld war? Wenn du Schwierigkeiten damit hast, dir deine Emotionen klarzumachen oder für dich selbst einzutreten, bist du vielleicht ein:e Co-Narzisst:in. Im Folgenden erklären wir dir, was dieser Begriff genau bedeutet – und wie man am besten mit Co-Narzissmus umgeht.
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Betrachten wir zu diesem Zweck doch zuerst die Bedeutung von Narzissmus etwas näher: „Im Wesentlichen bezeichnet dieser Begriff die mangelnde Fähigkeit, Empathie zu empfinden“, sagt Psychotherapeut Dr. Alan Rappoport. „Betroffene haben nur einen einzigen Bezugspunkt: sich selbst.“ Alles, was Narzisst:innen tun, ist darauf ausgerichtet, wie es sie aussehen lässt, ob es förderlich für ihre Ziele ist, und wie sie sich dabei fühlen.
Ein:e Co-Narzisst:in ist „die Kehrseite der Beziehungsmedaille“, erklärt Dr. Rappoport. Während Narzisst:innen eine Show abliefern, schlüpfen Co-Narzisst:innen in die Rolle des Publikums. In seiner Abhandlung aus dem Jahr 2005 formalisierte der Experte dieses Konzept. Darin erklärt er, dass dieses Verhalten auf Muster aus unserer Kindheit zurückzuführen ist, die sich dadurch auszeichnen, dass zumindest ein Elternteil narzisstische Züge aufwies, auf die das Kind mit co-narzisstischem Verhalten reagierte. „Es geschieht selten, dass Kinder ihre Eltern völlig missachten. In der Regel tun sie alles, was in ihrer Macht steht, um Bestätigung von ihnen zu bekommen“, sagt Dr. Ramani Durvasula, Psychologin und Autorin von Should I Stay Or Should I Go? Surviving A Narcissistic Relationship.
Kinder von Narzisst:innen wachsen also in dem Glauben auf, dass der einzige Weg, sich bestätigt zu fühlen – also geliebt, akzeptiert und verstanden zu werden – darin besteht, den Bedürfnissen des narzisstischen Elternteils nachzugeben. „Sie trauen sich nicht, sich kritisch ihren Eltern gegenüber zu äußern und lassen sie deshalb einfach sein. Damit validieren sie sie“, sagt Dr. Durvasula.
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Als Folge davon rückt ihre eigene Gefühlswelt in den Hintergrund. Als Erwachsene haben sie dann vielleicht Schwierigkeiten damit, ihre Gefühle zu benennen oder zu wissen, wie sie sich in einer bestimmten Situation fühlen. Das hat damit zu tun, dass sie so daran gewöhnt sind, ihre gesamte Energie darauf zu verwenden, sich um die Emotionen der anderen Person zu kümmern. Co-Narzisst:innen neigen auch dazu, die Schuld für Beziehungsprobleme auf sich zu nehmen, haben ein geringes Selbstwertgefühl und halten sich für egoistisch, wann immer sie darüber sprechen, wie ihnen zumute ist. „Diejenigen, die sich auf der dunkelsten Seite des co-narzisstischen Spektrums befinden, sind besonders anfällig für Drogenmissbrauch und Essstörungen – was wir als ‚Regulationsstörungen‘ bezeichnen“, sagt Dr. Rappoport, „weil sie im Bestreben, zu gefallen, bereits alles Mögliche probiert haben.“
Wie bei so ziemlich allem in der Psychologie ist die Skala bei Narzissmus und Co-Narzissmus natürlich ebenfalls breit. Das bedeutet, dass wir alle sowohl über narzisstische als auch co-narzisstische Tendenzen verfügen. Nur sehr wenige von uns weisen aber extreme Ausprägungen auf.
Das Aufwachsen mit einem narzisstischen Elternteil hat einen weiteren großen Nachteil: Es kann eine bedeutende Auswirkung auf spätere Beziehungen haben. Betroffene suchen sich oft narzisstische Partner:innen, weil ihnen diese Dynamik vertraut ist, erklärt Dr. Rappoport. Wenn sie in einer Beziehung mit einer Person sind, die stärker ausgeprägte co-narzisstische Tendenzen hat als sie selbst, kann es dazu kommen, dass sie die Rolle des Narzissten oder der Narzisstin übernehmen. Auf diese Weise versuchen sie, für „Ausgleich“ zu sorgen.
Klingt so, als wäre das ein Fall für therapeutische Unterstützung, nicht wahr? Nun, Narzisst:innen neigen beinahe per Definition dazu, Therapien zu vermeiden. Sie haben nämlich Angst davor, als unzulänglich angesehen zu werden. Deshalb sind im Normalfall eher Co-Narzisst:innen diejenigen, die sich professionelle Hilfe holen, um ihr Verhalten in der Beziehung mit einem Narzissten oder einer Narzisstin zu ändern. Glücklicherweise eignet sich eine Therapie sehr gut dafür, co-narzisstische Neigungen zu überwinden: „Wenn du immer noch etwas Empathiefähigkeit übrig hast, ist das ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für eine therapeutische Behandlung“, sagt Dr. Durvasula. „Sobald Co-Narzisst:innen [mithilfe einer Therapie] bewusst wird, dass ihr Verhalten nach einem Muster verläuft, sind sie viel eher in der Lage zu sagen: ‚Ah, ich mache das schon wieder‘, und können so ihr Benehmen dementsprechend ändern.“
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Es kann jedoch passieren, dass Co-Narzisst:innen zu Beginn einer Therapie das Gefühl haben, sich an ihre Therapeut:innen anpassen zu müssen – so, wie sie es bei ihrem narzisstischen Elternteil tun würden. Es kann zum Beispiel sein, dass sie denken, sie müssten immer fragen, wie es ihren Behandelnden geht oder was diese über eine bestimmte Situation denken, anstatt ihrem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen und über ihre eigene Wahrnehmung zu sprechen. Dr. Rappoport zufolge sei es aber die Aufgabe von Therapeut:innen, diese Dynamik nicht zu dulden und die Sitzungen stattdessen darauf auszurichten, die Erfahrungen ihrer Patient:innen zu erforschen und zu bewerten.
Wie können Betroffene feststellen, ob sie Fortschritte machen und sich diese tief sitzenden Verhaltensweisen allmählich zu ändern beginnen? „Das ist eine subtile Angelegenheit“, sagt Dr. Rappoport. „Ein Zeichen dafür, dass sich Co-Narzisst:innen auf dem Weg der Besserung befinden, ist es, wenn sie mit der Zeit spontaner werden und authentischer rüberkommen.“ Diese Veränderungen sind deshalb als positiv anzusehen, weil sie darauf hinweisen, dass die betroffene Person zunehmend das Gefühl hat, dass ihre Wahrnehmung echt ist und geschätzt wird. Obwohl Klient:innen diesen Wandel vielleicht nicht sofort bemerken, fällt er dem Experten zufolge Therapeut:innen oft schon nach der ersten Sitzung auf.
Deshalb solltest du nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du denkst, dass du co-narzisstische Tendenzen aufweist. Co-Narzissmus an sich ist keine Störung. Wenn du dich aber mit dieser Neigung auseinandersetzt, kannst du Symptome von Störungen, die damit zusammenhängen, lindern. Das wird dir eine große Last von den Schultern nehmen und dein Leben so um einiges einfacher machen.
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