Das Date mit diesem Typen und meine Gefühle für ihn hatten in etwa die gleiche Temperatur wie mein Kaffee: lauwarm. Nicht, dass er nicht nett wäre, doch, doch, er ist ein netter Kerl. Ich stehe nur einfach nicht wirklich auf ihn. Das Date würde, wenn ich nicht so halbherzig bei der Sache wäre, sogar echt gut sein. Wir gehen spazieren, essen Eis, dann folgt Kaffee, wir sitzen am Kanal und schauen den Schwänen zu. Eigentlich wusste ich es schon, als ich neulich Abend auf dem Sofa sitzend nach rechts wischte. Als wir dann matchen, durchfuhr mich kein Adrenalinschauer. Ich war nicht aufgeregt, als er mir das erste Mal schrieb und auch als er mich fragte, ob wir einen Kaffee trinken gehen wollen, kaute ich nicht nervös an meinen Fingernägeln. Zugegeben, ein bisschen nervös bin ich schon, das liegt allerdings hauptsächlich an meiner Schüchternheit. Ich hasse es einfach, Leute zu treffen, die ich noch nicht gut oder gar nicht kenne.
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Mein Gegenüber ist weitaus nervöser. Er friemelt an seinen Klamotten rum, macht Witze und erzählt mir Geschichten aus seinem Leben. Ich bin nach der ersten Aufgeregtheit (wegen schüchtern) überraschend entspannt, wieso auch nicht, ich will ja nichts von dem. Trotzdem mache ich den ersten Move, wie es so schön heißt. Ich lege, während wir auf das Wasser gucken, quasi beiläufig meinen Kopf auf seine Schulter und merke sofort, wie er noch aufgeregter wird. Als er mich fragt, ob wir uns morgen wiedersehen, stimme ich zu. Wieso mache ich das?
Weil es mir bei diesem Typen niemals passieren wird, dass ich tagelang vor dem Handy hocke und auf eine Nachricht von ihm warte. Es wird mir nicht passieren, dass ich jedes Wort, das er sagt, 100 Mal in meinem Kopf wiederhole und einen tieferen Sinn dahinter suche. Es wird mir nicht passieren, dass ich mir ausmalen werde, wie unsere gemeinsamen Kinder wohl aussehen werden (okay, ganz kurz vielleicht: süß). Und am allerwichtigsten ist, dass mich ein gemeines Wort von ihm nicht im Innersten erschüttern wird, es wird in mir nicht diesen Schauer auslösen, der den Körper durchzieht, wenn einem gerade ein ganz kleines bisschen das Herz gebrochen wurde. Stattdessen werde ich die Treffen mit ihm genießen und das war's auch schon.
Vielleicht werden wir uns oft sehen. Vielleicht werde ich auch „ja“ sagen, wenn er mich fragt, ob wir nicht zusammen sein wollen. Wir werden dann eben so Dinge miteinander machen. die man als Paar so miteinander macht und eventuell wird es auch Momente geben, in denen ich ihn ein bisschen liebe, aber ein Feuer der Leidenschaft wird man vergeblich suchen. Man könnte jetzt sagen „Boah, bist du gemein, was tust du dem armen Kerl nur an“, aber ich weiß mit ziemlicher Sicherheit, dass ich nicht die Einzige bin, die diese Art von Beziehungen eingeht. In meinem Freundeskreis werde ich immer wieder mit diesen lauwarmen Beziehungen konfrontiert. Als Begründung für dieses Verhalten werden mir auf Nachfrage immer die gleichen Gründe genannt:
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Angst davor, verletzt zu werden
Angst. Immer wieder Angst. Lieber etwas Zeit und Mühe in eine Person investieren, die einen selbst nicht verletzen kann, als ein Risiko einzugehen. Wahrscheinlich wurde jede*m von uns schon einmal das Herz gebrochen und dieser Schmerz hat sich in unser Herz und Hirn gebrannt und schwebt jetzt wie ein dunkler Schatten über unseren Köpfen und lässt uns einfach mit dem Strom treiben, anstatt ein bisschen mutig zu sein und sich auf eine Wildwasserfahrt einzulassen. Viel zu anstrengend. Viel zu gefährlich. Und wer weiß, vielleicht geht es ja eine Weile gut und man hat im schlimmsten Fall eine gute Zeit miteinander. Das Problem an der Sache ist allerdings, dass es der anderen Person gegenüber einfach nicht ehrlich ist, wenn man nur so halb bei der Sache ist.
Angst vor dem Alleinsein
Was ist für viele schlimmer als eine lauwarme Beziehung? Alleinsein! Denn dann muss man sich mit sich selbst beschäftigen und das kann mitunter sehr schmerzhaft sein. So kann man wunderbar die volle Aufmerksamkeit auf eine andere Person richten, der Fokus verschiebt sich also von den eigenen Sorgen und Nöten schön auf etwas, das prinzipiell erst mal gar nichts mit einem selbst zu tun hat. Wie praktisch! Dass das natürlich nicht auf Dauer gut gehen kann, sollte eigentlich jede*m klar sein, leider bringt das herzlich wenig. Alleinsein ist hier aber nicht mit Einsamkeit zu verwechseln, denn Einsamkeit macht krank und ist wirklich keine schöne Sache, aber das Alleinsein sollte man schon beherrschen. Also lieber eine gute zeit mit sich selbst verbringen, sich etwas gutes tun und das eigene Leben sortieren, anstatt die volle Aufmerksamkeit auf eine andere Person zu richten. Das bringt nichts.
Vielleicht liegt des Pudels Kern auch ganz woanders. Vielleicht ist man ja auch einfach nur zu faul und bequem geworden, um sich etwas Richtiges zu suchen. Oder man hat einfach nur Bock auf Sex, und das möglichst regelmäßig. Dann sollte man aber auf jeden Fall von Anfang an nicht nur mit offenen Hosen, sondern auch mit offenen Karten spielen und der anderen Person klar sagen, was geht. Dann wird aus lauwarm nämlich entspannt und das ist na nun wirklich keine schlechte Sache.
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