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Plötzlich Sexpertin: Mein Wochenende als Dildodesignerin

FOTO: McCoy Dan
Ich sitze in einem Raum mit 18 Menschen, die sich vorgenommen haben, den Sexmarkt zu revolutionieren. Aussagen wie 'Ich will keine niedlichen Spielzeuge in Tierform mehr sehen, die mich mit großen Kulleraugen ansehen' oder 'Die Regulierung der Intensitätsstufen bei den Vibratoren gilt es zu verbessern!' bis hin zu 'Ich will mich auf die Orgasmusgarantie konzentrieren' fliegen durch den Samstagvormittag. Willkommen in meinem kuriosen Wochenende als Sextoyentwicklerin! Der Onlineshop für intime Lifestyleprodukte EIS lud 18 Kreative zum Crowdsourcing Workshop nach Bielefeld in ihr Hauptquartier ein: Zwei Tage lang werden wir mithilfe von Fachleuten daran arbeiten, frische Ideen in Deutschlands Betten zu bringen. Vor der Fachjury, bestehend aus Produktdesigner, Einkäufern und dem „Dr. Sommerteam 2.o auf Youtube" Jan und Gianna des erfolgreichen Aufklärungskanals 61 Minuten Sex wird das Ganze präsentiert und so verkauft, bis es die engere Auswahl zur Community-Abstimmung schafft. Sandra Morgott, Senior PR & Social Media Manager der Firma erklärt die ungewöhnliche Aktion so: „Nah am Kunden zu sein und der persönliche Austausch stehen bei uns an oberster Stelle: 18 Fans haben die Chance, einmal hinter die Kulissen zu schauen, einen Einblick zu bekommen und unser Team kennenzulernen. Daher liegt es auf der Hand, sie auch in eine Produktentwicklung mit einzubeziehen. Wir dachten uns: 'Wenn jemand weiß, wie ein perfektes Lovetoy aussehen soll, dann unsere Kunden'. Sie wissen ja schließlich am besten, was ihnen gefällt." In der Runde der EIS-Fans merke ich schnell, dass ich umringt von Leuten mit richtiger Spielzeugexpertise bin, jeder der Teilnehmer im Alter von 20 bis 39 Jahren ist auf seine eigene Art Sexperte – viele können den Katalog an Produkten des Shops runterbeten. Hier wird plötzlich gefachsimpelt über Produkte mit den tollen Namen „Satisfyer Pro", „Big Boss" oder „Tiger G4". „Jedem Tierchen sein Pläsierchen,” denke ich. Während viele der Teilnehmer mit einer Idee oder einem revolutionären Masterplan nach Bielefeld kamen, frage ich mich: Gibt es wirklich etwas, das es noch nicht gibt? Der Onlineshop trumpft schließlich mit über 25.000 täglich aktualisierten Produkten auf. Zwar habe ich nicht den "Ich will das Ding auf jeden Fall gewinnen"-Ehrgeiz wie meine Dildodesigner-Kollegen, doch angefickt – pardon – angefixt bin ich dann schon von der Idee, etwas auszuklamüsern, was Spaß bringen kann. Der erste Bestandteil des #fansforfans-Workshops ist das allgemeine Beschnuppern: die Teilnehmer, das Status quo des Toymarktes, die Vorlieben der Anderen. Wir blättern in Fachzeitungen und Erotikmagazinen für Inspiration, nehmen die bisherigen Bestseller in die Hand und erklären in Gruppen, warum wir mitmachen und was wir erreichen wollen. Prüde ist hier keiner, denn es gibt ja ein gemeinsames Thema. „Ich liebe Sex und Sexspielzeug - dabei bin ich gleichzeitig so spießig, wie ich offen bin. Ich liebe es neue Sachen auszuprobieren und habe mein erstes Sextoy, seitdem ich 16 bin. Von da an habe ich eine bunte Palette an Freudeschenkern ausprobiert. Die Neugierde, der Wille, der Mut, wie auch immer man es nennen mag, zum Sexspielzeuggebrauch mit einem Partner kam (Shame on me!) nachdem ich 50 Shades of Grey im Kino gesehen habe", erzählt eine Teilnehmerin. „Ich musste mir einen größeren Schrank kaufen, weil die Schublade zu klein wurde...", so eine andere.
Von der Werbetexterin bis hin zum Technikstudenten – alle hier im Raum sprechen offen. „Natürlich liegt es auf der Hand, dass viele unserer Fans sich generell stark mit ihrer Sexualität auseinandersetzen bzw. in diesem Fall vor dem Workshop sich näher damit beschäftigt haben und ein großes Wissen über Lovetoys besitzen", verrät mir Sandra Morgott. Während ich über diese Worte nachdenke, fällt mir der 31-jährige Ernst ganz besonders auf – er will gegen eine Gesellschaft ankämpfen, für die Sex oftmals noch immer ein Tabuthema ist. Mit dem Workshop ist ein Traum für ihn in Erfüllung gegangen: „Ich sammele Sextoys. Ich interessier' mich nun schon seit einiger Zeit dafür, bilde mich immer fort und weiß es, wenn es Neuigkeiten im Bereich der Lovetoys gibt", erklärt er. An die 130 Spielzeuge habe er in der heimischen Glasvitrine, neben dem Bett eine Sexschaukel. „Ich habe zwar keine Freundin, aber wenn ich eine habe, dann bin ich bestens vorbereitet", sagte er lachend. „Ich mache keinen Hehl daraus, über Vibratoren und Dildos zu sprechen. Es ist doch toll, dass es Geräte gibt, die den Sex für beide vielleicht noch besser machen."

Durex veröffentlichte übrigens kürzlich eine Studie, dass 71 % der Deutschen zwischen 25 und 34 Jahren Sextoys benutzen. Unter ihnen liegt der Vibrator mit 62% vorne.
Nach den Gesprächen, dem oralen Vorspiel, geht es ans Hand anlegen: In der Mitte des Raumes steht eine große Tafel, die Bastelutensilien sind angerichtet. Fimo, Knete, Filz, Styropor, Stifte, Kleber, Perlen, Scheren – alles, was das Do-It-Yourself-Herz höher schlagen lässt. Als ich mir das Material anschaue, kommt sie plötzlich: meine Idee. Ich nenne den Magic Stick „Little Miss Coho". Nicht weil das Spielzeug stylish von Coco Chanel inspiriert ist, sondern weil es auf der einen Seite kalt (cold) und auf der anderen Seite heiß wird (hot). Genial, wie ich finde. In meiner Präsentation vor der Fachjury beschreibe ich den Vibrator später so: Wenn ein Nachtisch bestehend aus einem heißen Küchlein und einer Kugel Eis schon für eine Geschmacksexplosion im Mund sorgt, dann stellt euch das Temperaturspiel mal an und in eurem Körper vor...! Ich forme also einen Penis aus Fimo und färbe ihn auf der einen Seite pink und auf der anderen blau. Für die Vorstellungskraft. Auf einem Plakat fasse ich die sexy Argumente für „Little Miss Coho" in Schönschreibung zusammen. Ich bin aber nicht nur begeistert von meinem Einfall: Eine Teilnehmerin näht kurzerhand einen Stimulations-Body, eine andere baut einen Dildo-Stuhl und ein junger Mann hat sogar einen sich bewegenden Masturabtor entwickelt. Die 18 Vorschläge, die in nicht mal 48 Stunden reiften, beeindrucken nicht nur mich, sondern auch die Jury auch. „Es fühlt sich an wie das mündliche Abitur", sagt ein Mädchen aufgeregt zu mir, bevor sie in den Konferenzraum zur Präsentation geht. Dort bewerten die Fachleute nach den Kategorien wie Innovation, Funktionalität, Idee und Design. So viel kann ich verraten: Meine Idee hat es eine Runde weitergeschafft, doch die „Little Miss Coho" scheitert am Ende dann doch an den technischen Herausforderungen in der Produktion. Traurig bin ich natürlich nicht, obwohl ich das Spielzeug zu gern Ende des Jahres einer verschlossenen Freundin unter den Tannenbaum gelegt hätte. Vielmehr freue ich mich darüber, dass mein Wochenende aus der Reihe tanzte, dass es Menschen gibt mit bunten Ideen und vor allem dem Mut, über Sex zu sprechen und ihn für beide Parteien verbessern wollen.
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