Stell dir vor, du lernst einen Menschen kennen, bei dem du den gewissen Funken spürst, bei dem es definitiv das Potenzial für mehr gibt, Potenzial fürs Romantische. Was schießt dir durch den Kopf? Fragst du dich, wie sie*er wohl so in einer romantischen Beziehung ist? Was sie*er sich darin wünscht? Ob sie*er eifersüchtig ist? Ob sie*er deine Erwartungen erfüllen kann?
Das Thema der Erwartungen in Beziehungen ist spannend. Auf einer unsichtbaren Ebene zwischen zwei oder mehreren Menschen können sich diese ominösen Erwartungen plötzlich um gefühlte Kilometer verschieben, wenn es von „casual“ zu „seriös“ geht, wenn aus einer Bekanntschaft etwas anderes wird, wenn wir uns romantisch aufeinander einlassen.
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Ein dabei oft zu beobachtendes Phänomen sind die übermäßig hohen Erwartungen an die*den Partner*in. Wenn es uns schlecht geht, ist sie*er häufig die erste Ansprechperson und nicht zu selten gleitet man in einen fordernden Modus: Du musst jetzt für mich da sein. Du musst jetzt Zeit haben. Du musst jetzt genau das Richtige sagen. Du musst mir dabei helfen, mich besser zu fühlen.
Einerseits machen es Zuneigung und Vertrauen es oft erst möglich, miteinander über Emotionen und Tiefphasen zu sprechen, andererseits kann es durchaus hilfreich sein, die eigenen Erwartungen ein Stück herunterzuschrauben: Ist es wirklich mein Recht, wütend zu sein, wenn sie*er gerade keine Zeit hat? Kann sie*er gerade überhaupt wissen, was mir hilft? Wieviel kann ich von ihr*ihm gerade verlangen? Wie würde ich mich fühle, wenn ich die oder der andere wäre?
Um Konflikten vorzubeugen, geht es vor allem darum, die eigene Erwartungshaltung zu klären. Kommunikation kann hier Wunder wirken. Klarmachen, wie man sich fühlt und was man sich wünschen würde. Akzeptieren, wenn die*der andere uns vielleicht genau das, trotz bester Intentionen, gerade nicht geben kann – aber dafür zu anderen Zeiten etwas anderes.
Erwartungen gehen nicht verloren, wenn man die Beziehung statt monogam zum Beispiel polygam oder polyamourös aufstellt. Sie werden sich nur verschieben. In polyamoren Beziehungen geht es unter anderem häufig darum, Eifersucht anders und neu zu behandeln. Während in monogamen Beziehungen oft die Regel gilt, dass man nicht fremdgehen sollte, ist sie in polyamoren Beziehungen ausgesetzt: Mit anderen Menschen zu sein, sie zu lieben, vielleicht auch weitere romantische Beziehungen zu führen, ist erlaubt. Es ist kein Betrug, sondern gutes Recht. Dies stellt die Weichen für einen anderen Umgang mit Besitzansprüchen.
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Trotzdem: Die Eifersucht wird sich nicht einfach in Luft auflösen. Viele Menschen wachsen mit ihr auf und lernen erst später neue Beziehungskonzepte kennen. Es kann also wichtig sein, in polyamoren Beziehungen die Eifersucht nicht totzuschweigen oder zu untergraben – man kann von Partner*innen nicht immer erwarten, dass sie einen Schalter umlegen und jeden Funken Missgunst sofort vergessen. Wichtig kann auch hier eine offene Kommunikation sein, in der man Eifersucht ehrlich thematisiert, ohne den anderen Personen ihr freies Handeln und die mögliche Zuneigung zu anderen zu verbieten. Eifersucht zu verneinen oder als verboten zu deklarieren, kann ebenso toxisch sein, wie sie skrupellos und grenzüberschreitend auszuleben – und zwar in polyamoren und monogamen Beziehungen.
Eifersucht ist generell ein spannendes Thema, um die eigenen Erwartungen zu hinterfragen. Laut einer Umfrage empfinden 82 Prozent der Befragten in Deutschland Eifersucht als ein legitimes Gefühl. 58 Prozent davon sehen Eifersucht als eine Art Messlatte für die tatsächlichen Gefühle für die geliebten Personen. Was heißt in diesem Fall Eifersucht? Hier scheint sie zu bedeuten, dass man einen Besitzanspruch entwickelt.
Was steckt dahinter? Bestimmte Erwartungen reflektieren oft unsere Unsicherheiten. Wir haben Verlustängste, wünschen uns Zuneigung und Unterstützung, möchten für jemanden wichtig sein und unsere Liebe weitergeben. Es kann dann verunsichern, wenn die Partner*innen sich anders verhalten, als wir es erwarten – vielleicht ohne wirklich jemals ausgesprochen zu haben, was wir eigentlich erwarten und was wir uns wünschen. Ungeschriebene Gesetze in Beziehungen gelten nicht für alle und meine Erwartungen und Vorstellungen sind vielleicht nicht dieselben wie die meiner neuen Flamme. Wenn wir besser miteinander kommunizieren und dann auch noch unsere Erwartungen zumindest insofern hinterfragen, wieviel davon der oder den jeweils anderen Personen überhaupt klar sein kann, können wir vielen Konflikten vorbeugen.
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Es bedeutet viel Arbeit, sich von vermeintlich vorgefertigten Strukturen in Beziehungen ein wenig freier zu machen. Aber wenn man die Anstrengung auf sich nimmt, kann es sich im Nachhinein in umso mehr Zuneigung, gemeinsamer Freude und gegenseitiger Akzeptanz auszahlen. Oder man trennt sich.
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