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Darüber solltet ihr unbedingt reden, bevor ihr zusammenzieht

Photographed by Savana Ogburn.
Es kann viele Vorteile haben, zusammenzuziehen. Es spart Zeit und Nerven, weil du nicht mehr hin- und herfahren musst. Du brauchst weder deine Zahnbürste noch frische Schlüpfer mit zur Arbeit zu nehmen. Vielleicht kannst du dir sogar eine größere Wohnung oder eine schickere Wohngegend leisten, weil ihr zusammen ein höheres Budget habt. Auf jeden Fall musst du dir dann die Wohnung nicht mehr mit Mitbewohner*innen teilen, die unordentlich, aufdringlich oder beides sind.
Das klingt alles erst mal sehr positiv und deswegen ist es auch kein Wunder, dass es immer beliebter zu werden scheint, sich einen Haushalt zu teilen. Tatsächlich ist die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften in den letzten Jahrzehnten um etwa 1 Million gestiegen: Während 1996 nur 1,8 Millionen unverheiratete Paare zusammenlebten, waren es 2015 schon rund 2,8 Millionen.
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Soweit zur Theorie. Aber wie sieht es mit der Praxis aus? Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Zusammenziehen? Worüber müsst ihr reden, bevor ihr euch eine Wohnung kauft oder einen Mietvertrag unterzeichnet? Ich habe die Ehe- und Familientherapeutin Moraya Seeger DeGeare um Antworten und Tipps gebeten.

1. Warum wollt ihr zusammenziehen?

Noch bevor ihr die Schufa-Auskunft beantragt und Gehaltsnachweise anfordert solltet ihr euch überlegen, warum ihr überhaupt zusammenziehen wollt. Besonders in Großstädten ziehen viele Paare in eine Wohnung, weil sie Geld sparen wollen – nur, um nach ein paar Monaten des Zusammenlebens festzustellen, dass sie übereilt gehandelt haben und noch gar nicht dafür bereit waren.
Es gibt zwar Studien, die besagen wie lange Paare im Schnitt zusammen sind bevor sie in eine gemeinsame Wohnung ziehen (eine Umfrage aus dem Jahr 2017 spricht beispielsweise von 17 Monaten), doch natürlich gibt da keine festen Regeln. Nur, weil ihr schon seit drei Jahren eine Beziehung führt, heißt das nicht, dass ihr bereit für den nächsten Schritt seid. Genauso kann es aber auch gut sein, dass ihr bereits nach einem halben Jahr an eben diesem Punkt seid. Wichtig ist, was eure Motivation ist und wie gefestigt eure Gefühle sind. „Du solltest dir auch langfristig eine Beziehung mit deinem Partner oder deiner Partnerin vorstellen können“, sagt DeGeare. Folgende Fragen solltest du dir stellen: Kennst du deinen Partner oder deine Partnerin sehr gut? Kennst du seine oder ihre Familie? Habt ihr gemeinsame Routinen? Fühlst du dich wohl mit ihm oder ihr?

2. Wie wollt ihr es mit den Finanzen handhaben?

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„Ihr solltet auf jeden Fall vorab über das Thema Geld sprechen“, empfiehlt DeGeare. Überlegt, ob ihr ein gemeinsames Konto eröffnen wollt und wie ihr die Miete aufteilt. Entscheidet, wie ihr es mit weiteren Ausgaben handhaben wollt wie Einkäufen, Strom, Heizung, Netflix und Co. Gibt es Dinge, für die ihr gern etwas mehr ausgebt – wie Möbel, Urlaube, Miete oder Klamotten? Wollt ihr Geld sparen und wenn ja wie viel möchtet ihr monatlich beiseitelegen? Hat eine*r von euch Schulden?
All diese Punkte solltet ihr thematisieren, bevor ihr mit der Wohnungssuche beginnt, denn nur so könnt ihr herausfinden, wieviel Budget euch für die Miete zur Verfügung steht. Verschweigst du deinem Partner oder deiner Partnerin beispielsweise, dass du jeden Monat BAföG abbezahlen musst, entscheidet ihr euch am Ende für eine Wohnung, die ihr euch gar nicht leisten könnt. Und dann ist der Ärger vorprogrammiert. Also seid lieber von Anfang an ehrlich, auch wenn es vielleicht unangenehm ist.

3. Wer übernimmt welche Aufgaben im Haushalt?

Den Begriff Gender Gap kennst du sicher. Er wird oft verwendet, wenn es um die ungerechte Bezahlung von Frauen gegenüber Männern geht. Er beschreibt aber auch, wie es um die Aufgabenverteilung im Haushalt steht. Obwohl Frauen natürlich heutzutage Karriere machen „dürfen“, erwarten viele Männer von ihnen, dass sie sich um den Haushalt und die Kinder kümmern – oder zumindest den Großteil der anfallenden Aufgaben übernehmen. Damit er bei euch nicht direkt nach dem Einzug für Diskussionen sorgt, solltet ihr vorher schon über eure Erwartungen und die Verteilung der Pflichten reden.
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Wer kümmert sich ums Einkaufen, Wäsche waschen und putzen? Ist es okay, wenn der Abwasch ein paar Stunden liegen bleibt? Wie oft wollt ihr einen Großputz machen? Für einen einfachen Einstieg ins Thema könnt ihr euch zum Beispiel gegenseitig erzählen, wie ihr es damals in der Familie oder auch in WGs gehandhabt habt. Anschließend entscheidet ihr, ob ihr es genauso machen wollt oder anders.

4. Wie sieht es mit der Familienplanung aus?

Zusammenziehen ist natürlich nicht das Gleiche wie heiraten – ihr bindet euch dadurch nicht für immer aneinander und könnt im Notfall einfach den Mietvertrag kündigen. Trotzdem ist es für viele Paare ein großer Schritt. Deswegen wäre es gut, so früh wie möglich herauszufinden, ob ihr dieselben Vorstellungen habt was eure gemeinsame Zukunft angeht. Wollt ihr Kinder kriegen und wenn ja wie viele? Wollt ihr irgendwann heiraten und wenn ja wann? Ihr müsst nicht direkt ein Datum festlegen, aber wenigstens einen groben Zeitplan – sowas wie innerhalb der nächsten ein bis zwei oder fünf bis zehn Jahre. „Es ist sehr wichtig, bei diesen Dingen am selben Strang zu ziehen“, sagt DeGeare. Sie hat es schon oft erlebt, dass Paare trotz unterschiedlicher Wünsche und Vorstellungen zusammenziehen und es später bereuen. Am Ende ist mindestens eine*r von beiden enttäuscht, wütend oder verletzt.

5. Wie wollt ihr euer Zusammenleben gestalten?

DeGeare hat sich auf die Beratung von Paaren mit unterschiedlichen kulturellen Backgrounds spezialisiert. Deswegen weiß sie, wie wichtig es ist über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu reden. „Versucht euch gemeinsam auszumalen, wie euer Zusammenleben aussehen wird“. Sprecht über Themen wie Wohnungseinrichtung, Tagesabläufe und Besuch. Geht dabei gern auch schon ins Detail und beantwortet Fragen wie: Wollt ihr jeden Abend zusammen essen? Möchtet ihr eine Date Night einführen? Tragt ihr Straßen- oder Hausschuhe in der Wohnung?
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Seid aber vorsichtig mit Mutmaßungen: „Viele vergessen, dass wir nicht alle die gleichen Erfahrungen gemacht haben, sondern unterschiedlich aufgewachsen sind“, warnt DeGeare. Nur, weil es für dich normal ist, jeden Sonntag 9 Uhr mit der Familie zu frühstücken oder nach dem Essen direkt den Abwasch zu machen heißt das nicht, dass es bei deiner Partnerin oder deinem Partner genauso war. Oder, dass sie oder er das auch in Zukunft so beibehalten möchte. Versucht, offen und neugierig an diese Unterhaltung heranzugehen und euch nicht über Routinen oder kleine Macken der oder des anderen lustig zu machen. Seht es als Chance, eure eigene „Wohnkultur“ zu kreieren.

6. Wie geht ihr mit Stress um?

Wenn ihr zusammenwohnt, könnt ihr euch nur schlecht aus dem Weg gehen – und zwar auch dann nicht, wenn ihr euch gestritten habt, mal nicht so gut drauf oder absolut gestresst seid. DeGeare schlägt vor, darüber zu reden, wie ihr im Alltag mit Stress umgeht und wie ihr in Ausnahmesituationen reagiert. „Manche Menschen ziehen sich dann lieber zurück und brauchen Zeit für sich, andere möchten alles bis ins Kleinste mit der Partnerin oder dem Partner besprechen.“ Wenn es euch schwerfällt, darüber zu reden, seid ihr vielleicht noch nicht bereit dazu, zusammen zu ziehen. Es ist nicht immer alles rosarot und es ist wichtig, auch in schweren Zeiten für einander da zu sein.

7. Wie sahen eure vergangenen Beziehungen aus?

Unterhaltet euch darüber, weshalb vergangene Beziehungen auseinandergegangen sind – besonders, wenn ihr euch schon mal mit einer Partnerin oder einem Partner eine Wohnung geteilt habt. „Erzählt ehrlich, was passiert ist, warum es nicht geklappt hat und welche Herausforderungen es möglicherweise beim Zusammenleben gab.“ Auch, wenn es nicht einfach für euch ist: Ihr könnt dadurch viel über euch lernen und gemeinsam wachsen. Sprecht über Narben, die vergangene Beziehungen bei euch hinterlassen haben, aber auch über Erlebnisse aus der Kindheit und Jugend, die euch geprägt haben. Warum? „Weil die Themen auf jeden Fall irgendwann aufkommen werden und ihr dann besser damit umgehen könnt“, so DeGeare.
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8. Wovor habt ihr Angst?

Laut DeGeare ist Verletztbarkeit ein großes Thema. Zum Beispiel solltet dazu in der Lage sein, euch zu öffnen und über eure Ängste zu sprechen. Was sind deine größten Sorgen in Bezug auf die Beziehung und auf das Zusammenleben? Hast du Angst, durch die gemeinsame Wohnung nicht mehr genug Freiraum zu haben? Wünschst du dir einen oder mehrere Abende pro Woche, die du ganz für dich allein hast? „Wenn ihr euch eine Wohnung teilt, könnt ihr so gut wie nichts mehr verstecken – buchstäblich und im übertragenen Sinne.
Wenn ihr ein Problem damit habt, euch von eurer verletzlichen Seite zu zeigen, solltet ihr vielleicht noch ein wenig warten, bis ihr die Umzugskartons packt“, so DeGeare. „Wenn du denkst: ‚Ich mag sie/ihn sehr, aber ich will nicht ehrlich sein, weil ich es nicht riskieren will, sie/ihn zu verlieren‘, dann solltet ihr euch auf jeden Fall noch Zeit lassen. Denn es würde sonst definitiv ins Auge gehen. Wenn ihr euch nicht traut, verletzlich zu sein, spart ihr durch das Zusammenleben zwar vielleicht Geld, aber irgendwann werdet ihr euch sehr einsam fühlen – obwohl ihr zu zweit in einer Wohnung lebt.“

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