Illustration: Anna Sudit.
Eifersucht gehört wahrscheinlich zu den destruktivsten Gefühlen überhaupt. Ein echtes Monster, das, wenn es besonders übermächtig wird, all unsere Taten beeinflusst und uns die düstersten Gedanken beschert. Im schlimmsten Fall verliert man völlig den Kontakt zu sich selbst und die Verletzungen werden irreparabel. Jeder von uns kennt diesen Zustand, ob nun in so extremer Weise wie beschrieben oder nur als ganz leise Irritation. Eifersucht, so scheint es, gehört einfach zur Liebe dazu.
Und dennoch: Wäre es nicht möglich, dass Untreue und die Gefühle, die dadurch ausgelöst werden, zu einem gewissen Anteil ausschließlich soziale Konstruktionen sind? Sollten wir es nicht zumindest in Erwägung ziehen, dass die Vorstellung einer lebenslangen, monogamen Beziehung – mit ewiger Treue als goldener Regel – ein überarbeitungswürdiges, prüdes Konzept ist?
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Im Folgenden lernen wir zwei Herangehensweisen näher kennen, zwei Geschichten von Personen, die persönlich von der Eifersucht und ihren Auswirkungen betroffen waren. Bestimmt wird dieser Artikel nicht gleich all’ eure Überzeugungen verändern, im besten Falle aber eine Denkanregung sein.
Illustration: Anna Sudit.
Kelly Bourdet, Refinery29 Gesundheits- und Wellness-Redakteurin:
„Kommt drüber weg.“
„Kommt drüber weg.“
Untreue ist so schwierig zu verstehen, wie sie definierbar ist. In der heutigen Zeit, in der es so viele verschiedene Arten des Betruges gibt, sind unsere Definitionen davon oft von dem beeinflusst, was wir ganz persönlich als verletzend empfinden würden. Während die Mehrzahl von uns Untreue kurzum als: „Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person als dem/der Partner(in)“ beschreiben würde, gibt es unendlich viele Fälle und Feinheiten, die beweisen, dass Untreue ganz unterschiedliche Bedeutungen haben kann.
Angefangen vom vermeintlich harmlosen Büroflirt, bis hin zur Dienstreise, die im Hotelzimmer des Chefs endet, sind den Dingen, die als Betrug gewertet werden, je nach Auffassung keine Grenzen gesetzt. Ob der Betrug bereits beim Emailschreiben anfängt oder erst beim Kaffee nach der Arbeit, liegt im Auge des Betrachters beziehungsweise. im Ermessen der Betrachterin. Dabei scheinen wir oft stark zwischen körperlichem und mentalem Betrug zu unterscheiden und konzentrieren uns stark auf die Intention und die Handlungen, die dieser dann folgen … oder eben nicht. Jedem Betrug liegt ein subjektives Empfinden von eben diesem zu Grunde, welches sich durch ein Regelwerk speist, das enorm abhängig von der jeweiligen Beziehung ist.
Die Statistiken, wenn es um Untreue geht, fallen äußerst unterschiedlich aus. Wen wundert's auch, denn wer würde schließlich seine, so sorgfältig gehütete Affäre, einfach mit dem nächstbesten Sexualforscher teilen. Dennoch konnte eine Studie 1997 herausfinden, dass Untreue in bis zu 76 Prozent aller heterosexuellen Ehen vorkommt. Jüngere Forschungsergebnisse sprechen von über 50 Prozent aller Männer und Frauen, homosexuell wie heterosexuell, die in einer Beziehung zu irgendeinem Zeitpunkt untreu sind. Man kann also davon ausgehen, dass die Mehrzahl von uns im Laufe der Beziehung mit Betrug zu tun haben wird.
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In ihrem Buch „Lust in Translation“ (2007) beschreibt die ehemalige Wall Street Journal Journalistin Pamela Druckerman, wie unterschiedlich, verschiedene Kulturen mit Untreue umgehen: „Die AmerikanerInnen sind die schlimmsten. Im Betrügen und im darüber hinwegkommen. In Amerika bedeutet der Ehebruch, eine lange Krise, er kostet mehr und richtet mehr emotionalen Schaden an, als in anderen Ländern“, so die Autorin im Interview mit Men’s Health. In Frankreich hingegen scheint es so, als ob die Menschen mit Untreue wesentlich besser umgehen können. In einer Studie von 2012 fanden nur 47 Prozent der befragten Franzosen und Französinnen eine außereheliche Affäre unverzeihlich. Im Vergleich dazu, waren es bei den Amerikaner*innen immerhin 84 Prozent.
Illustration: Anna Sudit.
Ich würde nicht sagen, dass Betrug in einer Beziehung erstrebenswert ist, aber was ich wesentlich und äußerst bedenklich finde, ist die Art, wie im Endeffekt damit umgegangen wird und dass Untreue so oft zum Ende einer Beziehung führt. Den Partner bzw. die Partnerin zu betrügen, ist ohne Zweifel ein äußert illoyaler Akt, aber muss es gleich das schrecklichste, herzzerreißendste Erlebnis überhaupt sein? Ich denke, das kann nur subjektiv entschieden werden, muss jedoch keinesfalls immer der Fall sein.
Auch ich bin schon betrogen worden und es hat sich sicher alles andere als schön angefühlt. Im Rückblick muss ich allerdings sagen, dass ich im Grunde sehr gut verstehen konnte, warum es passiert war und dass es wirklich nicht so viel zu bedeuten hatte. Meine bessere Hälfte war beruflich ständig in L.A. unterwegs, irgendwann kam dann eben heraus, dass er dort jemanden kennengelernt hatte. Natürlich war ich damals verletzt und wütend, aber mir wurde auch bewusst, dass wir beide erst Mitte 20 waren, viel Zeit getrennt voneinander verbrachten und beruflich oft abends außer Haus waren. Wenn man das alles bedenkt, ist es nicht besonders überraschend, dass es in unserer Beziehung zu Untreue kam.
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Wir alle klammern uns viel zu sehr an das Ideal der Monogamie. Natürlich ist das eine schöne Idee und auch erstrebenswert, aber wir sollten uns nicht kategorisch dafür verurteilen, wenn wir dieses Ideal nicht immer erfüllen können. Das ist einfach nur menschlich. Ein einmaliger Betrug, muss nicht gleich die ganze Beziehung in Frage stellen – wenn es jedoch eine langfristigere Affäre ist, sollte man sich die Zeit nehmen, alles genau zu betrachten. Vielleicht stimmt etwas schon länger nicht in der Beziehung, vielleicht aber auch nicht. Die obersten Ziele einer jeden Beziehung sollten Offenheit und Ehrlichkeit sein. Die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse klar zu formulieren und mit dem oder der Partner(in) zu teilen. Aber auch, wenn das nicht der Fall ist, gibt es keinen Grund gleich alles hin zu werfen.
Es ist sehr einfach, jegliche Art von Betrug zu verteufeln und Monogamie als die einzig akzeptable Beziehungsform zu sehen. Aber wenn wir ehrlich sind, haben wir uns das alles nicht einfach selbst zusammengeschustert? Das Stigma, welches wir einem Fehltritt anlasten, kann nur existieren, weil wir es uns selbst immer wieder bestätigen. Zu erwarten, dass man eine absolut krisenfreie Beziehung führen wird, ist mehr als unrealistisch. Viel sinnvoller ist es, sich Gedanken zu machen, was zur eigenen bzw. der Untreue des Gegenübers geführt hat und wie man nun damit umgeht und eventuelle Unzufriedenheiten klären kann.
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Illustration: Anna Sudit.
Rosemary Downs, Autorin, 24:
„Ist der Betrug in einer Beziehung eine große Sache? Na klar, wenn man es Betrug nennt. Es kommt darauf an, wie man die Dinge bewertet.“
„Ist der Betrug in einer Beziehung eine große Sache? Na klar, wenn man es Betrug nennt. Es kommt darauf an, wie man die Dinge bewertet.“
Ich befinde mich wirklich in einem Dilemma, denn ganz ehrlich, ich wäre froh, ich könnte sagen, dass mir Monogamie total egal ist. Betrachtet man es rein rational, so bin ich absolut der Meinung, dass es eines der progressivsten Dinge ist, sich von den eingefahren Beziehungsvorstellungen zu verabschieden und endlich zu akzeptieren, dass die Vorstellung davon, dass einem ein anderer Mensch „gehören“ könnte, ein beengendes Konzept ist, dass unter keinen Umständen zu einer gleichberechtigten Beziehung führen kann. Leider, ist es mir nicht möglich - egal wie sehr ich es auch versuche – diese Gedanken mit meiner unglaublichen Angst vor, alleine der Vorstellung eines möglichen Betruges, unter einen Hut zu bringen. Vielleicht wird sich das irgendwann ändern, aber zum jetzigen Zeitpunkt ist Monogamie eine absolute Bedingung, wenn man mit mir in einer Beziehung sein möchte.
Bevor ich am eigenen Leib erfahren musste, wie es ist betrogen zu werden, bildete ich mir ein, dass ich damit locker umgehen könne. Ich machte sogar noch Witze mit meinem Partner über „Verdächtigungen“ die ich angeblich hätte, aber natürlich niemals ernsthaft daran geglaubt hätte, dass sie vielleicht wirklich wahr sind. Leider musste ich dann auf die harte Tour lernen, dass sie es in der Tat waren. Mir fällt es schwer in Worte zu fassen, wie ich mich daraufhin fühlte, auch damals konnte ich nicht viel mehr tun, als wie wild mit Dingen um mich zu schmeißen und mir selbst die Haare auszureißen, so melodramatisch das auch klingen mag. Es traf mich unmittelbar und nahm mir jedes bisschen meines ohnehin sehr geringen Selbstbewusstseins. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich es jemals wieder bekommen werde. Zuvor war Untreue immer etwas abstraktes, außerhalb meiner Vorstellungskraft, liegendes gewesen doch plötzlich wurde sie zur bitteren Realität. Ich schämte mich und das hat mich für immer verändert. Seltsam dabei ist, dass ich meinem Ärger nie in vollem Maße Luft verschafft habe. Ich bin nicht der Meinung, dass jemand für seine Untreue mit Grausamkeiten bestraft werden sollte, denn nicht immer liegt dahinter eine böse Absicht, sondern manchmal auch einfach Dummheit oder tieferliegende Probleme, aber ich glaube, dass es für mich einfacher gewesen wäre, wenn ich den Menschen, die mich verletzt haben, deutlich gemacht hätte, wie sehr ich darunter leide. Ich hätte schreien und toben sollen, als ich es erfahren haben … wie oft habe ich von meiner ganz persönlichen Katharsis geträumt.
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Illustration: Anna Sudit.
Vielleicht hätte ich auch einfach „meinen Traum leben“ oder irgendeinen anderen dieser schlauen Sprüche in die Tat umsetzen, sollen. Vermutlich hätte ich eben aufgeschlossener und unverletzter und nicht so beleidigt reagieren sollen, aber dies sind eben alles Dinge, die mir zum jetzigen Zeitpunkt meines Lebens, leider nicht gegeben sind. Mir bleibt nur nur eins: meinen Partner darum zu bitten mich nie wieder zu betrügen – und jeden der nach ihm kommt ebenfalls. Jeder hat seine Bedingungen, manche Menschen können nicht mit jemandem zusammen sein, der Fleisch ist, oder noch nie Proust gelesen hat. Ich wünsche mir eben einen Partner, der unsere Beziehung als absolute Priorität betrachtet und nicht heimlich mit dem Gedanken an einen Seitensprung liebäugelt.
Im Gegenzug werde ich mich bemühen, meine Eifersucht im Zaum zu halten, wenn diese unberechtigt ist. Außerdem muss ich akzeptieren, dass es in einer Beziehung nicht darum geht, den anderen zu besitzen, sondern einander mit gegenseitigem Vertrauen zu begegnen. Das beinhaltet auch, die Finger vom Handy des Partners zu lassen. Wenn wir uns darauf nicht einigen können, dann passen wir einfach nicht zusammen. Immer wieder sagen mir die Menschen in meiner Umgebung, ich solle mich so akzeptieren, wie ich bin, trotz der Dinge, die mir bisher begegnet sind und um ehrlich zu sein, hatte ich bisher auch viel Glück. Aber dennoch falle ich immer wieder auf meine alten Unsicherheiten zurück, denn insgeheim bin ich der Überzeugung, dass Selbstbewusstsein, nicht einzig und allein aus uns selbst entsteht sonder auch immer mit den Menschen um uns herum zu tun hat und maßgeblich davon beeinflusst wird. Meiner Meinung nach ist das nichts schlechtes, sondern eher etwas, dass wir annehmen sollten und uns der Herausforderung stellen.
Einfach gesagt, hat das alles mit Respekt zu tun. Wenn mein Partner bzw. meine Partnerin mich um die Einhaltung von Treue bittet und wenn es für beide Parteien akzeptabel und lebbar ist, dann ist die Erfüllung dieser Bitte eine kleine, aber wichtige Geste. Die Rechnung ist schnell gelöst. Wenn ich meinen Partner, meine Partnerin, liebe und das Gegenüber mit einem Betrug verletzen würde, dann kann es nur ein Ergebnis geben: Ich sollte nicht betrügen. Was sollte daran schwer zu verstehen sein?