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Warum spricht niemand darüber, dass man nach der Hochzeit so unglücklich ist?

Illustration: Louisa Cannell
„Ich glaube, mir ging es in meinem ganzen Leben noch nie so beschissen“, sagte ich zu meinem Ehemann, mit dem ich gerade einmal zwei Monate verheiratet war.
Wir saßen zu Hause, glücklich vermählt, und ich hatte definitiv nicht vor, mich zeitnah zu trennen. Und trotzdem hatte ich einen absoluten Tiefpunkt erreicht, was meine Beziehung anging. Woran lag das?
Rückblickend weiß ich, dass es der Anfang eines Stimmungstiefs war, das sich bei vielen nach der Hochzeitseuphorie abzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt war mir das jedoch nicht klar und so zerbrach ich mir den Kopf.
Da die Hochsaison der Hochzeiten mit Anbruch des Winters nun offiziell beendet ist, erkenne ich dieses schwarze Loch bei vielen meiner frisch verheirateten Freund*innen wieder. Die unendlichen #throwback-Postings, das Bedürfnis, sich zu betrinken und die plötzliche Unzufriedenheit mit allem, dem Job, der Wohnsituation und dem Lieblingsmenschen, dem man gerade eben erst das Ja-Wort gab. All das sind Symptome einer, sagen wir, Hochzeitsdepression, auf die dich wirklich niemand vorbereitet. Eine abgrundtiefe Schlucht, die vor allem von der Frage „Was jetzt?“ begleitet wird. Besonders schlimm fühlt sich diese Frage übrigens an, wenn die Antwort, wie bei mir, „Definitiv keine Babys“ lautet.
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Die Psychologin Emma Kenny erzählt mir, dass das eine Erfahrung ist, die sehr, sehr viele frisch Verheiratete durchleben. Aber warum warnt uns denn dann niemand?!
„Da ist dieser Tag, der hoffentlich unendlich schön wird, dann folgen meist die Flitterwochen, ein Flimmern, das sich noch ein paar Wochen hält, aber dann war's das auch schon mit der Romantik. Dann ist alles wieder normal“, erklärt Kenny. „Viele Menschen glauben ernsthaft daran, dass sich ihr Leben durch eine Hochzeit wesentlich verändert. Dabei ändert sich meist nur der Name, wenn überhaupt, deshalb müssen die Erwartungen oft rückwirkend runtergeschraubt werden.“

Ob ich froh bin, dass der ganze Stress jetzt vorbei war? Die Antwort lautet Nein.

Verheiratet zu sein war nie ein Ziel, das ich mir bewusst gesetzt hatte. Bis in meine späten Zwanziger war ich tatsächlich eher abgeneigt. Aber dann kam dieser Mann, ich verliebte mich, er war großartig, zog eines Tages den Ring aus seiner Tasche und ich sagte reflexartig ja. 18 Monate später feierten wir Hochzeit, im kleinen Kreis und unglaublich schön, im Garten meiner Eltern. Allerdings stellte sich die Entspannung, die ich von mir selbst erwartet hatte, nicht ein. Nicht vor, nicht während und auch nicht nach der Hochzeit. Die Planung der Feier hatte monatelang mein Leben eingenommen – und ich mochte es! Plötzlich hatte ich in jeder freien Minute etwas zu tun, ich hatte ein Ziel, etwas, auf das ich hinarbeitete, eine noch nie da gewesene Motivation, um ins Fitnessstudio zu gehen.
Wenn ich jetzt zurückdenke, überrascht es mich nicht, dass ich mich so verloren und orientierungslos fühlte, als die Hochzeit vorüber war. Ich hatte plötzlich unglaublich viel Zeit, mein Leben war einfach wieder so wie vor dem Antrag. Es gab nichts mehr, auf das ich noch akut hinarbeiten konnte – was sollte ich also mit mir selbst anfangen?
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„Bist du nicht froh, dass der ganze Stress jetzt vorbei ist?“, wurde ich immer wieder gefragt. Die Antwort war Nein.
Ich ging nicht mehr so häufig zum Sport. Wir hatten all unser Geld ausgegeben und konnten deshalb erst einmal nicht mehr reisen. Jede Entscheidung, jeder Konflikt, den ich vor der Hochzeit auf „nach der Hochzeit“ verschoben hatte, holte mich mit einem Mal ein und überrannte mich. Eine Hochzeit kann zu einem organisatorischen Koloss werden, aber sie ist eben auch die beste Entschuldigung, um alles andere liegen zu lassen.
„Genau wie das Verlieben kann eine Hochzeit wie ein Heilmittel wirken“, sagt Kenny im Gespräch. „Sie ist in der Lage, zahlreiche Symptome eine ganze Zeit lang zu betäuben. Wenn du also eigentlich unzufrieden mit deinem Leben oder vereinzelten Aspekten bist, dann kann so eine Hochzeit ein wirklich effektives Ablenkungsmanöver sein. Sie verdrängt jeglichen Frust und der neu gewonnene Freiraum wird positiv besetzt. Aber wenn die Planung vorbei und die Hochzeit gefeiert ist, erleben viele einen ziemlich kalten Entzug.“
Für mich manifestierte sich dieses Verlangen nach etwas Neuem darin, dass ich mir in einem Kurzschlussmoment einen neuen Job suchte, den ich nach kurzer Zeit ebenso hasste. Bei anderen führt dieses post-matrimoniale Tief zu anderen Übersprungshandlungen, die von Kindern bis hin zu Alkoholproblemen reichen.
Alina, die 2010 geheiratet hat, sieht das ähnlich und erinnert sich: „Ohne die Aufgabe, meine Hochzeit zu planen, war ich plötzlich leer. Etwas, das ich vom Eheleben nicht erwartet habe. Aber da stand ich nun, mit Erwartungen, die nicht erfüllt wurden – wie auch? Also fing ich an, exzessiv zu feiern und zu trinken und fühlte mich Tag für Tag schlimmer. Hochzeiten nehmen so viel emotionale und körperliche Kraft ein, dass man vergisst, wie sich der Alltag davor angefühlt hat. Man kommt aus dem Gleichgewicht.“
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Auch Laura, eine Freundin, die erst in diesem Sommer geheiratet hat, bestätigt meine These: Nach der Hochzeit fingen sie und ihr Partner unmittelbar an, eine Wohnung zu suchen, sie wollen sich einen Hund anschaffen und Laura würde gerne den Job wechseln. Plötzlich fühle sich alles so an, als wäre die Luft raus, erzählt sie. „Und dann drängt sich auch noch die Frage auf: Wenn das der schönste Tag meines Lebens war, was kommt denn dann überhaupt noch?“
Kenny hat da einen sehr direkten Rat: rechtzeitige Relativierung der Erwartungen.
„Wir finden uns ständig im Clinch mit unseren Erwartungen wieder. Sie entsprechen so gut wie nie der Realität. Wir wünschen uns, die Welt wäre sicherer, friedlicher, romantischer. Aber das ist sie nicht. Auch nach einer Hochzeit nicht. Die Realität kann in solchen Momenten unverhältnismäßig enttäuschend wirken“, stellt Kenny fest. „Dabei ist unsere Normalität nicht plötzlich schlimmer oder schlechter, sie ist nur nicht das, was wir von ihr erwartet haben.“
Kenny betont außerdem, dass viele nicht bemerken, was für eine große Verpflichtung eine Ehe ist. Im Alltag ändere sich zwar wenig, aber im großen Ganzen eben schon.
„Das Erwachsenspielen hört auf und das Erwachsensein fängt an“, sagt sie. „Man versucht sich immer wieder zu sagen, dass sich schon nichts ändern wird, aber plötzlich ist man zu zweit in diesem Szenario, das einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich zieht, sollte etwas schiefgehen. Kein Wunder also, dass das auch angsteinflößend sein kann.“
Um dieses Tief zu vermeiden, rät Kenny dazu, im Rahmen der Hochzeitsplanung auch schon Pläne für danach zu schmieden. „Gemeinsame Vorhaben oder Zukunftsvisionen sollten nicht mit den Flitterwochen enden. Setzt euch Ziele, sprecht über eure Hoffnungen, arbeitet gemeinsam daran, diese umzusetzen.“
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Wer allerdings gerade drinsteckt, dem wird, befürchte ich, nur Zeit helfen. Aber ich kann euch ermutigen: Die Hochzeitserinnerungen gehen von frischen, noch fühlbaren Momenten in romantische Nostalgie über und man entwickelt eine neue Normalität. Die Realität des Ehelebens sickert nur allmählich durch, wie Wasser in einen Schwamm, der sich ganz langsam vollsaugt. Man muss Geduld beweisen, aber am Ende ist man erfüllter als zuvor.
Den Weg dorthin kann man sich durch offene Gespräche wesentlich vereinfachen, rät Kenny. „Sprecht darüber, artikuliert, was ihr fühlt, wann ihr es fühlt. Dafür ist eine Ehe schließlich auch da.“
Außerdem soll weiterhin auf gesunde Gewohnheiten geachtet werden. „Der Sport hat dich vor der Hochzeit nicht nur glücklich gemacht, weil du so in dein Traumkleid passen konntest, sondern weil Sport faktisch glücklich macht, indem er Glückshormone freisetzt und Prozesse im Körper auslöst, die zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen“, so Kenny. Auch damit soll man also nicht einfach aufhören.
„Doch am allerwichtigsten ist es, eure Leidenschaften zu erforschen und sie gemeinsam anzugehen. Konzentriert euch auf die Realisierung von Wunschprojekten und wie ihr eure Visionen zusammenbringen könnt, weil euch gemeinsame Vorhaben stärken werden“, rät Kenny abschließend.
Ich möchte dazu nur noch eins hinzufügen: Seid nachsichtig mit euch selbst. Man mag sich einreden, dass sich eigentlich nicht viel verändert, aber es ist eben doch eine wesentliche Übergangszeit, in der wir uns als Individuen neu kalibrieren müssen. Das ist nicht immer ganz einfach, also nimm dir deine Zeit und sei gut zu dir. Denn glaub mir, ich stecke knietief im dritten Ehejahr und sage dir, alles wird wieder gut.

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