Wenn ich Tinder nicht so oft gelöscht und neu installiert hätte, wären Max und ich auf jeden Fall heute kein Paar. Wenn man die App nämlich neu runterlädt, muss man alle Kriterien – die Filter – nach denen man einen Partner sucht, wieder komplett neu eingeben. Und beim letzten Mal war ich anscheinend total unaufmerksam: Irgendwie hatte ich vergessen, die „Altersgruppe“, das „von… bis“ der Männer einzustellen, die einem beim Tindern angezeigt werden, sodass die von Tinder getroffenen Voreinstellungen übernommen wurden. Frauen meines Alters bekommen anscheinend automatisch alles, was männlich und irgendwo zwischen 18 und 38 Jahre alt ist, angezeigt. Eine ziemlich großzügige Altersspanne, wenn man wie ich eigentlich weder auf wesentlich ältere noch auf jüngere Männer steht. Außerdem war der Radius viel zu groß, ich wollte nur jemanden aus Berlin treffen, weil ich dort wohne, hatte aber 60 Kilometer Umkreis gewählt. Gemerkt habe ich beides glücklicherweise erst viel später.
Ich war damals 29 und bevor ich Max kennengelernt habe, hatte ich immer nur Freunde, die ein paar Jahre älter waren als ich. Mein Vater ist neun Jahre älter als meine Mutter, das muss mich geprägt haben, irgendwie habe ich mich für jüngere Typen nie interessiert. Deswegen hätte ich meine offizielle Suche auch erst bei Männern ab 35 gestartet, wenn ich aufgepasst hätte. „Die sehen alle ganz schön jung aus“, dachte ich mir nur, als mir ein jugendlicher Kandidat nach dem nächsten vorgestellt wurde – ich hielt das Ganze für einen Zufall.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich eh schon lange nicht mehr daran geglaubt, dass ich ernsthaft jemanden über Tinder kennenlernen könnte. Ich machte das Ganze nur noch zum Spaß, ich suchte gerade eh nichts Verbindliches. Bei mir ist es nämlich von Anfang an doof mit der App gelaufen. Die, die ich gut fand, wollten sich nicht langfristig binden. Die meisten, die sich bei mir meldeten, wollten es sich vor allem einfach machen, weil sie wohl zu faul waren im Club eine abzuschleppen. Andere dagegen waren so merkwürdig, dass sie anderweitig Probleme hatten, Frauen kennenzulernen. Nach meiner Erfahrung waren auf Tinder ganz schön viele Vollidioten unterwegs.
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Obwohl Max damals erst 22 war, schien er mir kein bisschen unreif
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Deswegen habe ich Max auch völlig falsch eingeschätzt. Erstens schien er mir zu jung, zweitens dachte ich, dass er bestimmt so ein oberflächlicher Typ ist, der es auch wieder nicht ernst meint. Trotzdem wollte ich ihn gern kennenlernen, als er mir schrieb. Er sah extrem gut aus und ich war schon ein Dreivierteljahr Single. Was sprach also gegen ein unverbindliches Date, einen One-Night-Stand oder eine kleine Affäre? Meine Ansprüche waren nicht mehr so hoch, als dass ich hätte enttäuscht werden können und da ich gerade meine Abschlussarbeit schrieb, war mir jede Ablenkung recht.
Der Anlass für unser erstes Treffen war wenig romantisch: Wir trafen uns ganz spontan, weil er gerade bei mir in der Gegend war. Nach ernsten Absichten klang das nicht, zumal es schon sehr spät war, aber ich hatte gerade nichts anderes vor. Es war klar, dass wir nicht zu einem von uns nach Hause gehen würden: Also landeten wir in einer Kneipe ums Eck.
Der Abend war überraschenderweise supernett. Obwohl Max damals erst 22 war, schien er mir kein bisschen unreif. Er wirkte sogar erwachsener als ich, war schlau und witzig. Deswegen trafen wir uns auch wieder – und verliebten uns ineinander.
Mittlerweile sind wir seit drei Jahren zusammen. Und auch, wenn ich mich anfangs erst noch ein bisschen daran gewöhnen musste, jetzt einen Freund zu haben, der eigentlich so gar nicht in mein Schema passt, bin ich heute sehr froh darüber, dass ich manchmal so schusselig war und den Filter falsch eingestellt habe – ansonsten hätte ich Max wohl nie getroffen.
Tinder habe ich übrigens mittlerweile gelöscht. Diesmal endgültig.
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