Alle meine Freundinnen hatten mich vor ihm gewarnt, aber ich wollte ja nicht hören. Dabei hat mir mein Bauchgefühl von Anfang an dazu geraten, von diesem Typen die Finger zu lassen. Er passte so gar nicht in mein Beuteschema - und das nicht nur optisch. Wir hatten kaum Gemeinsamkeiten, wohnten mehrere hundert Kilometer entfernt und eigentlich sprach alles gegen uns. Warum wir es trotzdem miteinander probierten? Vielleicht deshalb, weil ich kurz vor meinem 30. Geburtstag eine gewisse Torschlusspanik spürte und nach vier Jahren Single-Dasein endlich glücklich werden wollte.
Das war zumindest der Plan. Was dagegen so gar nicht auf meiner Agenda stand: Seine heimlichen Anrufe bei einer Telefon-Sex-Hotline von meinem Telefon aus, die ebenfalls heimlichen Aktivitäten auf Single-Börsen und natürlich die Tatsache, dass er einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte, von dem ich nur zufällig erfuhr und den er durch meine Hilfe abbauen konnte.
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Ich zückte das Portemonnaie, bezahlte ohne nachzudenken. Was er mir dafür gab: Das Gefühl, etwas Besonderes zu sein
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Wie ich so blind sein konnte? Ich weiß es nicht. Eigentlich hätte mir von Anfang an klar sein müssen, dass da etwas nicht stimmt. Als wir noch eine Fernbeziehung führten, telefonierten wir täglich. Zumindest die ersten Wochen. Danach war sein Telefon angeblich kaputt. „Da gibt es Probleme mit der Leitung, der Anbieter weiß schon Bescheid“, redete sich mein Ex raus. Ich glaubte ihm. Warum auch nicht? Damals ahnte ich ja noch nicht, dass er bereits seit Jahren in der Schufa stand und man ihm den Anschluss einfach gekappt hatte.
Auch ahnte ich nichts böses, als er sein Leben im hohen Norden für mich aufgab und binnen weniger Wochen mit Sack und Pack zu mir zog. Ich freute mich, denn dieser Schritt war für mich ein Liebesbeweis. Für ihn dagegen war es wohl pure Berechnung, denn bei mir durfte er lange Zeit für lau leben. „Ich verdiene doch so viel mehr als er“, rechtfertige ich mich vor meinen Freunden und meiner Familie. Viel zu oft fiel der Satz „Pass auf, dass er dich nicht ausnutzt!“ Doch ich wiegelte ab. Warum sollte er das tun? Was hatte er davon?
Unsere gemeinsamen Reisen, die wöchentlichen Einkäufe und vieles mehr ging auf meine Kappe. Ich zückte das Portemonnaie, bezahlte ohne nachzudenken. Was er mir dafür gab: Das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. „Du bist einfach zauberhaft, meine Prinzessin“, säuselte er mir ins Ohr und ließ mich so die ganzen Bedenken vergessen. Bis zu einem Tag im April – damals waren wir gerade acht Monate zusammen.
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Ich fand heraus, dass er seit Jahren Schulden angehäuft hatte und in der Schufa stand
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Ich arbeitete an seinem Computer, als plötzlich eine Seite aufploppte. Ein Dating-Portal und er war dort angemeldet. Unter Tränen durchforstete ich seine Nachrichten. Er gab sich als Single aus, bezirzte die Frauen mit den gleichen Worten wie mich. Ich hätte schreien können. Aber ich tat es nicht. Stattdessen rief ich ihn an, stellte ihn zur Rede. Er stritt alles ab. „Ich hab mich da nicht angemeldet, das muss jemand in meinem Namen gemacht haben“, log er mir ins Gesicht. Ich glaubte ihm nicht, hatte aber auch Angst ihn zu verlieren, weil ich dachte, dass ich nie wieder jemanden finden würde.
Die nächsten Wochen waren hart. Vor allem, da immer mehr dunkle Geheimnisse aus seiner Vergangenheit ans Licht kamen. Ich fand heraus, dass er seit Jahren Schulden angehäuft hatte und in der Schufa stand. „Ich hatte solche Angst, dir das zu sagen. Ich fühle mich so überfordert mit allem“, erklärte er mir und weinte. Ich hatte Mitleid und glaubte ihm. Auch noch, als plötzlich eine Telefonrechnung in Höhe von über 200 Euro bei mir eintrudelte. „Du hast bei einer Sex-Hotline angerufen – über mein Telefon?“, stellte ich ihn zur Rede. Er stritt es ab. Dann lenkte er ein und entschuldigte sich. Und dann fiel wieder dieser Satz: „Ich war überfordert!“
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Ich stumpfte innerlich ab, suchte anderweitig nach Bestätigung. Doch ich blieb bei ihm
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Überfordert war er in den über vier Jahren unserer Beziehung so einige Male. Denn auch in den kommenden Jahren leistete er sich einen Fehltritt nach dem anderen. Ich blieb bei ihm – sehr zum Missfallen meiner Freunde und meiner Familie. „Du verdienst etwas Besseres“, sagten meine Eltern. „Der ist einfach nicht der Richtige für dich“, fand meine beste Freundin. Und sogar eine meiner liebsten und geduldigsten Freundinnen erklärte mir irgendwann: „Der behandelt dich nicht so, wie du es verdient hättest.“
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Ich aber ließ all das an mir abprallen. Auch wenn ich mir oft selbst die Frage stellte, wohin das noch führen sollte. Ich stumpfte innerlich ab, suchte anderweitig nach Bestätigung. Doch ich blieb bei ihm. Aus Angst davor, alleine zu sein.
Vier Jahre lang bezahlte ich den Großteil unserer gemeinsamen Kosten. „Ich bin jetzt fast schuldenfrei“, jubelte er Ende letzten Jahres. Ich freute mich mit ihm. Den Gedanken an meinen eigenen Kredit schob ich in den Hintergrund.
Im Februar 2017 war es dann soweit: Sein Schuldenberg war abgetragen, er endlich finanziell wieder unabhängig. Wenige Wochen später trennte er sich von mir – von einem Tag auf den anderen. „Wir wollen einfach nicht das Gleiche vom Leben“, erklärte er mir.
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Ich war für meinen Ex scheinbar nur Mittel zum Zweck. Eine Frau, die ihm dabei half, aus der Schuldenfalle zu kommen
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Für mich brach eine Welt zusammen. Ich war sauer. Vor allem auf mich selbst und meine Naivität, die mich die letzten Jahre begleitet hatte. Doch damit war jetzt Schluss. Ein für allemal. „Ich bleibe hier noch wohnen, solange ich noch keine eigene Wohnung habe. Ist das okay für dich?“, wollte der Ex von mir wissen. Nein, das war nicht okay. Und zum ersten Mal in all den Jahren setzte ich mich durch. „Ich möchte, dass du spätestens Ende März hier ausziehst.“
Das tat er dann auch. Mittlerweile hat er eine neue Freundin. Ob er die schon vorher hatte? „Bestimmt sogar“, ist sich meine beste Freundin sicher. „Der hat ein Doppelleben geführt – und zwar all die Jahre.“
Ich war für meinen Ex scheinbar nur Mittel zum Zweck. Eine Frau, die ihm dabei half, aus der Schuldenfalle zu kommen. Was ich dafür von ihm erhalten habe? Selbstzweifel und die ewige Angst, dass mich auch der nächste Mann nur ausnutzt.
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