m selben Monat, in dem mich mein Ex-Freund nach drei Jahren Beziehung zum ersten Mal betrog (soweit ich weiß), hatte ich einen lebhaften Traum, in dem er mir fremdging. Als ich aufwachte, fragte ich ihn direkt: „Betrügst du mich?“ Er versuchte mich daraufhin davon zu überzeugen, mein Traum sei irrational und unbegründet gewesen. Zwei Jahre später erfuhr ich dann, dass ich doch richtig gelegen hatte – sogar damit, mit wem er mich betrogen hatte. Sowas wird oft als „weibliche Intuition“ abgestempelt. Angeblich „spüren“ es Frauen häufig einfach, wenn sie hintergangen werden. Aber woher sollst du wissen, ob dich dieser Instinkt gerade wirklich in die richtige Richtung führt – oder ob du dir von irgendwelchen Unsicherheiten eine ansonsten gesunde Beziehung ruinieren lässt?
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Das Internet ist voller Storys von Leuten, die von dem Instinkt erzählen, der sie auf Geheimnisse in ihren Beziehungen hingewiesen habe – von Seitensprüngen bis hin zur Porno-Sucht. Weil sich aber nicht nur die Intuition, sondern auch Angst und Nervosität in Form eines „Bauchgefühls“ äußern können, sollte man sicher nicht jeden einzelnen Gedanken als eine Art „Message“ deuten. Die Psychotherapeutin Rachel Wright erklärt mir, dass es sehr schwierig sein kann, den Unterschied zwischen einem rationalen Gedankengang und einem „instinktiven Drang“ zu erkennen. „Menschen, die ein Trauma erlebt haben, verspüren oft ein ‚Bauchgefühl‘ – das in Wahrheit aber darauf zurückzuführen ist, dass ihr Gehirn eine Gefahr befürchtet, die mit vergangenen Erfahrungen zusammenhängt, und daraufhin einfach blockiert“, sagt sie. „Wenn wir befürchten, etwas nicht tun zu können, zu scheitern oder uns zu blamieren, gibt unser Gehirn alles, um unsere Sicherheit zu bewahren. Dazu gehört auch der ‚Instinkt‘, etwas nicht zu tun.“
Wenn wir uns mit diesem „Bauchgefühl“ auseinandersetzen – und vor allem, wenn wir mit vergangenem Trauma zu kämpfen haben –, meint Wright, dass wir uns immer fragen sollten, wo dieses Gefühl eigentlich herkommt. „Wenn dich irgendetwas aus deiner Vergangenheit oder auch in der Gegenwart enorm beschäftigt, hinterfrage es“, meint Wright und empfiehlt, das gegebenenfalls auch in einer Therapie zu besprechen. Das soll allerdings nicht heißen, dass unsere Instinkte völlig wertlos sind. „Intuition hängt nicht vom Gender oder vom Geschlecht ab. Wer aufmerksam ist und sich der eigenen Gefühle und Erfahrungen im Kontext einer Beziehung bewusst ist, kann oft erkennen, wenn etwas nicht stimmt“, sagt Wright.
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Unsicherheit entspringt der Angst und Unruhe, kann sich oft dringend und akut anfühlen und will dich davor warnen, dass dir etwas Schlimmes bevorsteht. [Intuition] entspringt hingegen einer tieferen Weisheit.
Jeff Guenther
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Wenn wir nämlich die Stimme in unserem Kopf ignorieren, die uns darauf aufmerksam machen will, dass etwas in einer Freundschaft schief läuft oder eine Beziehung enden sollte, können wir es später bereuen, nicht früher hingehört zu haben. Diese Stimme, meint Psychotherapeut:in Brujx Edgar Fabián Frías, unterscheidet sich häufig von unseren normalen Gedanken. Frías zufolge erleben wir dieses Bauchgefühl ganz individuell. „Intuition fühlt sich für mich oft sehr belebend an. Sie motiviert mich zum Handeln oder dazu, mein Umfeld genauer zu beobachten“, meint Frías. „Das kann sich anfühlen wie eine Energie aus einer anderen Sphäre, aber auch wie eine Stimme einer geliebten Person – oder einen höheren Ichs. Sie ist meist ruhig, bestimmt, leise und klar.“
Frías glaubt, der Instinkt sei gleichzeitig ein „komplexer Teil unserer menschlichen Erfahrung“ und das Ergebnis der eigenen Vergangenheit. „Ich habe mich mit zwischenmenschlicher Neurobiologie beschäftigt und dabei gelernt, dass wir Systeme in unseren Körpern haben – wie die Spiegelneuronen [Hirnzellen, die aktiv werden, wenn wir eine bestimmte Handlung ausführen oder beobachten, wie jemand anderes dasselbe tut], den ventralen Vagus [das Körpersystem für die Reaktion auf die Umwelt] und das zentrale Nervensystem –, die subtile Veränderungen in anderen Leuten erkennen und uns darauf hinweisen können, wann wir uns sicher fühlen oder uns schützen sollten“, erklärt Frías. „Als Hexe:r [der:die auch zeremonielle, hellseherische und heilende Dienste anbietet und Magie in die Therapie einbaut] glaube ich außerdem, dass wir im dauernden Dialog mit unserer Umwelt stehen. Dazu können auch spirituelle Wegweiser, unsere Vorfahr:innen und unser höheres Ich gehören.“ Frías meint, dass Frauen und queere Menschen unter anderem deswegen für ihre intuitiven Fähigkeiten bekannt sind, weil ihre Sicherheit oft davon abhängt, andere lesen zu können.
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Weil in unserem Alltag und auch im Internet zahllose Geschichten darüber kursieren, dass Leute vieles „einfach wussten“, lässt sich nicht leugnen, dass wir oft scharfsinniger sind, als wir selbst glauben. Der Wahrsagerin Porsche Little zufolge kannst du deinen Instinkt sogar trainieren und stärken – wie einen Muskel. „Um dich besser auf deinen Instinkt verlassen zu können, solltest du dein Vertrauen zu dir selbst aufbauen“, erklärt sie. „Denk an eine Situation zurück, in der dich jemand oder etwas enttäuscht hat und du vorher wusstest, dass das passieren wurde. Schreibe Tagebuch, meditiere, lerne dich selbst besser kennen.“ Little meint, ein großer Bestandteil einer guten Intuition sei ein „klarer Kopf“.
Dennoch warnt Little, dass der Instinkt auch von den eigenen Emotionen beeinflusst werden kann, wenn du nicht an deiner geistigen Gesundheit arbeitest. „Vielleicht bist du in einer unerfüllten Beziehung, und deine Gefühle sagen dir zwar: ‚Ich liebe ihn doch‘, obwohl dein Instinkt warnt: ‚Das muss jetzt enden‘“, sagt sie.
Der Therapeut Jeff Guenther rät dazu, beim Unterscheiden zwischen Bauchgefühl und Unsicherheit immer im Hinterkopf zu behalten, dass „Unsicherheit der Angst und Unruhe entspringt, sich oft dringend und akut anfühlen kann und dich meist davor zu warnen versucht, dass dir etwas Schlimmes bevorsteht“. Dein Instinkt hingegen ist eher ein tieferes Wissen. „Das ist eine sanftere Message, die deiner inneren Weisheit entspringt“, erklärt er. „Diese Intuition kann immer noch versuchen, dich zu beschützen, ohne dich damit aber komplett zu überwältigen. Dieses Bauchgefühl kannst du oft genauer hinterfragen und aus verschiedenen Richtungen betrachten.“
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Ganz unabhängig davon, woher die Message kommt, meint Guenther, dass du sie ernst nehmen solltest. „Ich würde immer dazu raten, dich nicht zu sehr davon mitreißen zu lassen, egal, ob dahinter Instinkt oder Unsicherheit steckt“, empfiehlt er. „Wenn dich etwas belastet oder sich nicht okay anfühlt, sprich mit deinem Partner oder deiner Partnerin darüber. Du musst nicht mal zwangsläufig erklären, wo dieses Gefühl herkommt. Schließlich sollten wir uns immer mit Dingen unsicher fühlen, die uns kein Gefühl der Sicherheit geben.“ Wenn dir dein Bauch sagt, du solltest jemanden verlassen, frage dich, ob das mit Beziehungsproblemen zusammenhängt – oder eher damit, ob du dich prinzipiell gern vor schwierigen Situationen drückst. Wenn du in einer ansonsten gesunden Beziehung Angst davor hast, betrogen zu werden, solltest du mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin über deine Grenzen und Vertrauensschwierigkeiten sprechen.
Wenn es dich je nervt, dass du deiner inneren Stimme nicht früher zugehört hast, solltest du daran denken, dass dein Instinkt durch gelebte Erfahrungen und ein stärkeres Vertrauen in dich selbst immer schärfer wird – und das dauert eben seine Zeit. Wenn du Angst davor hast, in einer Beziehung betrogen zu werden, sobald du deinem Partner oder deiner Partnerin den Rücken zuwendest, behalte im Kopf, dass es nicht automatisch so passieren muss, bloß weil du es befürchtest. Aber ganz egal, ob du nur unsicher oder doch intuitiv bist: Es ist entscheidend für dein Wohlbefinden, in dich hineinzuhören und darüber nachzudenken, woher deine Gedanken eigentlich kommen. Immerhin kannst du nicht nach jedem Untreue-Traum direkt Schluss machen. Genauso wenig, wie du nach einem Traum, in dem du fliegen konntest, am nächsten Morgen vom Dach hüpfen solltest.
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