Mein Mann und ich feiern dieses Jahr unseren zwölften Hochzeitstag. Wenn es soweit ist, werden wir uns genau zwölf Jahre und drei Monate kennen. Richtig gelesen: Wir haben etwa 12 Wochen nachdem wir uns kennengelernt haben geheiratet und nein, ich war nicht schwanger. Viele der großen Entscheidungen, die wir zusammen getroffen haben, passierten sehr schnell. Bei unserem allerersten Date haben wir zum Beispiel einen insgesamt 26-stündigen Roadtrip von Alabama nach Pennsylvania und wieder zurück gemacht, um ein Konzert von Beck zu sehen. Als wir dann wieder zu Hause angekommen waren, bin ich praktisch auch schon bei ihm eingezogen. Charmant, oder? Er fand das anscheinend ziemlich cool. Oder er war einfach nur zu höflich, mich rauszuschmeißen. Auf jeden Fall brachte ich irgendwann eine Kiste mit Platten und Büchern, meine Klamotten und meine Zahnbürste zu ihm und seitdem wohnen wir zusammen.
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Die ersten drei Jahre unserer Ehe waren fantastisch. Wir fuhren nach Indien, beendeten unser Studium, wurden Eltern. Ich baute mein Fotografie-Business auf und wir zogen quer durch’s halbe Land in eine neue Stadt. Und wir fanden heraus, dass das echte Leben eine ganz schöne Herausforderung sein kann. Aber wir hatten immer ein Lächeln auf den Lippen – selbst, als unserem Sohn verschiedene gesundheitliche Diagnosen gestellt wurden und wir unser Leben auf einmal nach monatlichen Trips in eine Spezialklinik ausrichten mussten.
Und dann kam das vierte Ehejahr. Und das fünfte. Und das sechste. Und die waren zum Großteil beschissen. Mein Mann zog aus, dann zog er wieder ein. Wir stellten fest, wie passiv-aggressiv wir beide sein konnten. Ein besonders krasser Streit begann, als ich entdeckt hatte, dass mein Mann die Innenseiten unserer Schränke mit kleinen Labeln versehen hatte, auf denen stand, welche Utensilien dort aufbewahrt werden dürfen. In dem Moment rastete ich komplett aus.
Ein Grund für unsere Eheprobleme war sicher, dass wir sehr jung waren (22 und 21) als wir geheiratet haben. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir beide noch keine richtigen erwachsenen Beziehungen geführt gehabt. Dazu kamen ganz normale Alltagsprobleme, die entstanden, weil wir nicht richtig miteinander kommunizierten. Last, but not waren da noch die Schuldgefühle, die Ängste und die Fragen die aufkamen, weil wir ein Kind mit besonderen medizinischen Bedürfnissen großzogen.
Irgendwie haben wir es trotzdem auf wundersame Art und Weise geschafft, das alles hinter uns zu lassen und führen mittlerweile eine sehr glückliche Ehe. Und wenn ich glücklich sage, meine ich, dass es sich so anfühlt als wären wir wieder auf Wolke sieben – umgeben von Sonnenschein und Regenbogenherzen. Ich bekomme regelmäßig weiche Knie und schaue wie ein frisch verknallter Teenie, wenn ich meinen Mann sehe oder auch nur an ihn denke. Und das, obwohl ich es vor ein paar Jahren nicht mal mehr aushielt, im selben Zimmer wie er zu sein und dieselbe Luft wie er zu atmen. Ich liebe diesen Typen einfach über alles. Die gute Nachricht ist: Während ich mich durch die zwei schlimmsten Jahre meines Lebens geschleppt habe, haben ich sehr viel gelernt – über Beziehungen, Ehen und wie man schwierige Zeiten übersteht. Und das alles möchte ich jetzt mit dir teilen.
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1. Krankheitsfälle in der Familie
Die erste Lektion, die ich gelernt habe, hat mit einer für uns extrem wichtigen Sache zu tun. Es geht um etwas, das viele Familien durchmachen, wenn ein Familienmitglied krank wird – Mutter, Sohn, egal wer es ist. Als wir erfuhren, unser Sohn hat Zerebraleparese (Kinderlähmung), haben wir beide heimlich etwa ein Jahr lang gedacht, der andere könnte der Grund für die Diagnose sein. Natürlich glaubten wir keinesfalls, dass es Absicht war! Aber dennoch war ich davon überzeugt, mein Mann hätte das Gehirn unseres Sohnes beschädigt, als er zu heftig mit unserem Baby, das mit Koliken kämpfte, getanzt hatte. Mein Mann machte sich dagegen Sorgen, um dieses eine Mal, als ich unseren Sohn auf dem Arm hatte und er beim Laufen leicht an eine Wand gestoßen war. Wie sich herausstellte, waren beide Annahmen falsch. Ich habe Hunderte von Seiten medizinischer Berichte gelesen und alle möglichen Dinge über meine Schwangerschaft und die Geburt herausgefunden – inklusive dem Fakt, dass der Grund für die Kinderlähmung etwas war, das im Uterus passiert war. Doch das wussten wir zu dem Zeitpunkt nicht also gaben wir uns gegenseitig die Schuld.
Wir haben Glück im Unglück, denn die Krankheit ist bei unserem Sohn nicht so stark ausgeprägt. Also verbringen wir nicht jede freie Minute im Krankenhaus, wie es andere Familien tun. Trotzdem gehörten Krankenhaus- und Arztbesuche zu unserem Alltag und das beeinflusste auch unsere Partnerschaft. Es kann schneller gehen als man denkt, dass man auf einmal kein Ehepaar mehr ist und auch kein Individuum, sondern nur noch die Eltern des kranken Kindes. Ich habe viele Paare gesehen, denen es so erging, während ich in Warteräumen saß. Eltern, die sich derartigen Herausforderungen stellen müssen, die so viel durchmachen, entwickeln irgendwann eine Kluft zwischen sich und der Außenwelt. Sie sind keine Partner mehr, sie sind Soldat*innen, die gegen eine Krankheit kämpfen, die das Leben ihres Kindes erschwert oder sogar bedroht. Und das ist komplett verständlich! Ein Kind zu haben, das mit etwas kämpft, das absolut angsteinflößend und kräftezehrend ist, kann dich auffressen.
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Mein Mann und ich haben gemeinsam versucht, unserem Sohn dabei zu helfen, sich zuversichtlich, stark und mutig zu fühlen. Und irgendwann haben mein Mann und ich beide das Gleiche gefühlt. Was uns persönlich dabei geholfen hat, keinen Abgrund um uns herum zu schaffen ist, dass wir uns gegenseitig immer wieder daran erinnert haben, wer wir sind und was wir einander bedeuten. Selbst eine kleine Geste wie Händchen halten oder sich bei einem schwierigen Arzttermin tief in die Augen blicken kann eine große Wirkung haben. Dadurch sagst du: „Hey. Wir schaffen das zusammen. Du bist nicht allein damit.“ Und das ist etwas sehr Kraftvolles.
2. Richtig kommunizieren
Diesen Tipp hast du bestimmt schon tausend Mal in Büchern, Zeitschriften oder online gelesen. Meiner Meinung nach wird er deswegen ständig wiederholt, weil er einfach wahr ist. Wichtig ist aber, folgendes zu verstehen: „Richtig kommunizieren“ bedeutet nicht, immer nur nette Sachen zu sagen, wenn ihr miteinander redet! Es geht darum, dich selbst zu fragen, was du wirklich fühlst und warum du es fühlst und dann einen Weg zu finden, wie du das mit deinem Gegenüber teilen kannst.
Eine der bisher größten Herausforderungen ist es für mich, nicht immer gleich zu kontern, wenn mir mein Mann sagt, wenn ihn etwas das ich gemacht oder gesagt habe verletzt hat oder so einfach nicht geht. Wenn er mich zum Beispiel früher gebeten hat, die Schubladen richtig zu machen und nicht nur halb, habe ich mir direkt irgendetwas einfallen lassen, was er bitte ab sofort anders machen soll. Aber so langsam lernen wir, die Ehe ist kein Wettbewerb. Und keiner von uns beiden hat tatsächlich Lust darauf, eine Liste zu führen, wer dem anderen mehr auf den Sack geht. Herauszufinden, was du fühlst und wieso du es fühlst ist ein wichtiger Schritt, wenn du generell ein selbstkritischer Mensch werden möchtest. Erst, wenn du dich selbst kennst, bist du wirklich bereit, jemand anderen kennenzulernen. Aber es ist schon irgendwie lustig, wie lange wir gebraucht haben, um zur Wurzel unserer Kommunikationsprobleme zu gelangen.
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Ich bin damit großgeworden, dass ein Elternteil ständig von dem anderen beschimpft wurde, weil es den Ansprüchen nie wirklich gerecht wurde. Deswegen ist der Haushalt auch ein sehr sensibles Thema für mich und ich bin super empfindlich wenn mir mein Ehemann sagt, unser Zuhause wäre nicht sauber genug (auch, wenn die haushaltlichen Pflichten 45/45/10 in unserer Familie verteilt werden). In der Vergangenheit habe ich sofort dichtgemacht, wenn ich mich angegriffen gefühlt habe. Jetzt habe ich gelernt, zu sagen, wenn ich mich ungerecht behandelt oder verurteilt fühle. Ich versuche dann auch zu erklären, woher meine Gefühle kommen – und die haben tatsächlich selten etwas damit zu tun, auf welche Art und Weise sich mein Mann ausgedrückt hat.
3. Passiv-aggressiv
Erinnerst du dich noch an die Label, von denen ich dir erzählt habe? Auch wenn sie der Auslöser für einen Megastreit waren, waren sie natürlich nur die Spitze des Eisbergs und nicht der alleinige Grund. Mein Mann und ich sind beide ziemlich vernünftige Menschen. Wir sind lieb, respektvoll, neugierig, höflich und versuchen, bescheiden zu sein, was unsere Gedanken und Taten angeht. Doch das Blatt wendet sich, sobald wir uns verletzt oder in eine Ecke gedrängt fühlen. Dann werden wir auf einmal passiv-aggressiv und das ist scheiße. Ich glaube wir dachten beide wir wären keine Monster, weil wir uns ja nicht anschrien oder körperlich verletzten. Aber Wörter können dich auch kaputt machen.
Anstatt uns hinzusetzen und darüber zu reden, was gerade gut und was schieflief und was uns beschäftigte, verbrachten wir einen Großteil unserer Zeit damit, gemein zueinander zu sein. Heute können gelingt es uns dagegen tausendmal besser, alles offen anzusprechen und uns dabei auch noch in die Augen schauen zu können. Ja, das macht uns verletzbar. Aber genau das langsam schätzen wir mittlerweile sogar. Ich denke, es ist extrem wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich beide wohl damit fühlen, alle Gedanken und Gefühle zu teilen. Ich glaube das ist die Basis einer funktionierenden Ehe.
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4. Respektvoller Umgang
Es klingt einfach, aber dennoch gibt es viele Paare, die sich gegenseitig nicht den gebührenden Respekt erweisen. Sean und ich haben vor langer Zeit beschlossen, keine Witze über den anderen zu machen und uns auch nicht gegenseitig zu beleidigen – selbst im Scherz würden wir nie sowas wie „Dummkopf“ oder „Blödie“ sagen. Wie wichtig dieser Pakt ist, ist mir er dann wirklich bewusstgeworden, als unsere Beziehung am Boden war. In den ersten Jahren war es einfach, respektvoll miteinander umzugehen. Die Liebe war schließlich noch frisch und unser Verhalten spiegelte unsere Gefühle wider. Warum hätte ich mich über ihn (vor Freund*innen) lustig machen sollen? Ich liebe diesen Typen doch! Es gab keinen Grund, Scherze auf seine Kosten zu machen. Doch als es mit der Beziehung dann bergab ging, machte ich mich ständig über ihn lustig. Das war meine Art Dampf abzulassen. Wirklich besser ging es mir danach jedoch selten. Im Gegenteil: Jedes Mal, wenn ich etwas Negatives, Rachsüchtiges oder Gemeines über meinen Ehemann gesagt hatte, fühlte ich mich schrecklich. Selbst in Zeiten, in denen ich nicht mal mehr im selben Raum sein konnte wie er, ging es mir schlecht, nachdem ich ihn beschimpft hatte – auch, wenn ich es hinter seinem Rücken getan hatte. Es tat mir weh, so negativ gegenüber der Person zu sein, mit der ich verheiratet war. Als wir dann irgendwann beschlossen, uns noch eine Chance zu geben und an unseren Problemen zu arbeiten, habe ich viel Zeit damit verbracht, mich für Dinge zu entschuldigen, von denen mein Mann noch nicht mal etwas wusste. Das fühlte sich eigenartig, aber gleichzeitig auch sehr gut an.
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5. Der Kinder wegen
Viele Menschen und Medien werden dir sagen, ihr solltet nicht der Kinder wegen zusammenbleiben. Doch ich weiß auch, dass die Sache nicht so einfach ist, wenn man selbst in der Situation ist. Meine Eltern haben aus zwei Gründen erst viel zu spät Schluss gemacht: Meine Mutter hatte keine wirkliche Alternative (mein Vater hatte die Kontrolle über das Geld und nannte sie nutzlos und es viel ihr extrem schwer, ihm nicht zu glauben) und die beiden hatten vier gemeinsame Kinder.
Verheiratet zu bleiben, weil man vermeintlich keine wirkliche Alternative hat, war bei mir dagegen nie ein Thema: Ich konnte mir gut vorstellen, eine super Single-Mama zu sein, die alles super hinbekommt und super alleine klarkommt. Aber die Vorstellung, irgendeine Art von mentaler Belastung an meinen Sohn weiterzugeben, war beängstigend. Auch, wenn ich mich persönlich damals sogar darüber gefreut hatte, als sich meine Eltern getrennt haben. Aber mein Vater hatte meine Mutter auch misshandelt und war einfach generell schrecklich also kann man ihre kaum mit meiner Ehe vergleichen.
Ihr seid vernünftige Erwachsene und habt euch nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, euch zu trennen, weil ihr festgestellt habt, dass euch die Beziehung nicht mehr guttut? Dann bin ich mir sicher, dass ihr auch alles tun werdet, damit eure Kinder nicht unter der Situation leiden werden. So traurig es auch ist, dass es nicht funktioniert hat, nutzt die Chance eurem Nachwuchs zu zeigen, wie man erwachsen, respektvoll und friedlich mit der Situation umgeht. Würdet ihr in diesem Fall zusammenbleiben, würden das eure Sprösslinge auf jeden Fall irgendwie mitbekommen – bewusst oder unterbewusst. Nutzt ihr die Kinder jedoch nur als Vorwand, nicht miteinander Schluss machen zu können, weil ihr eigentlich noch Gefühle für einander habt, lohnt es sich vielleicht, dem Ganzen noch eine Chance zu geben und an euch zu arbeiten.