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Ich habe meinem Mann zuliebe ein Kind bekommen, obwohl ich selbst keins wollte

Foto: Getty Images.
Als ich herausfand, dass ich schwanger war, hatte ich Meghan Daums Essaysammlung Selfish, Shallow, and Self-Absorbed: Sixteen Writers On the Decision Not to Have Kids(„Egoistisch, oberflächlich & selbstbezogen: 16 Autoren erzählen, warum sie keine Kinder wollen“) gerade zur Hälfte durch. Es war wie ein Zeichen, dass ich das Kind nicht bekommen sollte. Die Gründe der Autor*innen, keine Kinder zu bekommen, klangen so nachvollziehbar, so vernünftig, dass ich mich sofort verstanden fühlte. Ich bin einfach nicht dafür gemacht, Mutter zu sein. Ich könnte meine Karriere dafür nicht kompromittieren. Mein Leben ist auch ohne Kinder erfüllt. Nicht einmal zu meiner eigenen Mutter habe ich ein gutes Verhältnis. Ich bin zu neurotisch. Was, wenn ich ein Kind bekomme, und es nicht lieben kann? Oder was, wenn ich es so sehr liebe, dass es wehtut?
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Ich bin keine geborene Ernährerin, und doch finde ich mich immer wieder in genau dieser Rolle wieder. Mein Vater starb mit Mitte 40 an Krebs. Seitdem ist meine Mutter in jeder Beziehung labil. Ich habe drei jüngere Geschwister und bin für viele Freunde und Kolleg*innen der Therapieersatz. Meine bisherigen Partner waren durchweg Menschen, von denen ich, wenn auch unbewusst, meinte, dass sie mich dringend brauchten.
Kleiner Hinweis nebenbei: Das ist keine gute Voraussetzung beim Daten.
Sich um ein eigenes Kind kümmern zu müssen, das erschien mir unmöglich. Ein Kind wäre nicht das Sahnehäubchen, nein; ein Kind, so dachte ich, wäre die Deko-Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Die Sahne hatte ich allerdings schon gegessen und mir war furchtbar schlecht geworden. Die Kirsche würde ich einfach nicht mehr runterkriegen.
Außerdem hatten meine Geschwister und ich während unserer Kindheit zu häufig diesen einen Satz gehört: „Ich habe dich geboren, du bist mir was schuldig!“ Bis heute weiß ich nicht, was ich auf diesen Satz antworten soll. Natürlich ist es bewundernswert, neues Leben zu schaffen und einen kleinen Menschen zu gebären, aber wie sind diese „Schulden“ abzuleisten? Und wann sind sie beglichen? Wann wird aus einem Kind eine unabhängige, erfolgreiche erwachsene Frau und ist kein undankbares Balg mehr? Ich wusste, dass Schwangerschaft, Geburt und Erziehung sowohl körperliche als auch psychische Schmerzen bedeuten. Was, wenn ich durch meine Kinder zynisch werden würde? Was, wenn auch ich meinem Kind lebenslang das Gefühl gäbe, dass es in meiner Schuld stünde? Was, wenn ich ein Kind bekäme, dem ich all meine Liebe gebe, das aber seltsam wird? Da waren einfach zu viele Risiken.
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Und trotzdem. Trotz allem.
Mark und ich sind seit über zehn Jahren ein Paar und er ist wirklich außergewöhnlich. Er ist anders als alle Männer, mit denen ich vor ihm zusammen war. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass er das genaue Gegenteil ist von dem, was ich vorher kannte. Er ist der netteste Mensch der Welt, grundgütig und warm. Natürlich hat auch er seine Ecken und Kanten, aber 99 Prozent der Zeit ist er einfach gut. Er ist offen, tolerant, empathisch, er liebt mit seinem ganzen Herzen, opfert sich auf für diejenigen, die ihm wichtig sind… die Liste könnte ewig weitergehen. Er hat großartige Eltern und noch tollere Schwestern, und es verblüfft mich auch nach zehn Jahren noch, dass sie sich wirklich alle gut verstehen.
Als ich herausfand, dass ich schwanger war, blieb Mark im Gegensatz zu mir seelenruhig. Er war glücklich, während ich mit dem Schwangerschaftstest in der Hand innerlich zusammenbrach. Wie der anständige Typ, der er nunmal ist, hat er mir selbst in dieser Situation nicht meinen Moment ruinieren und mich vom Gegenteil überzeugen wollen. Wir würden genau das tun, was ich wollte, sagte er mir. Wir könnten noch warten. Wir könnten auch in 20 Jahren ein Kind adoptieren, flüsterte er mir zu. Sollte ich mich für eine Abtreibung entscheiden, versprach er sogar, mir hinterher die Füße zu massieren.
Und trotzdem. Trotz der Hampelmänner, die in meinem Kopf ihr Unwesen trieben, beschloss ich, die Schwangerschaft durchzuziehen. Eins möchte ich allerdings klarstellen: Diese Entscheidung hatte rein gar nichts mit irgendeiner biologischen Uhr zu tun, deren Ticken immer lauter wurde. Ich fühlte meinen Uterus weder „strahlen“ noch „explodieren“ noch „vor Glück hüpfen“. Ich fühlte keine unmittelbare, endlose Liebe zu diesem Würmchen, das in meinem Körper heranwuchs und mit meinem Inneren machte, was es wollte. Ich wollte dass Kind auch nicht wegen irgendwelcher Schuldgefühle haben; wenn ich heute schwanger werden würde, hätte ich eine Abtreibung. Nein, ich schaute nur immer wieder zu Mark und dachte: „Meine Güte, ist einfach dafür geschaffen, eine Mutter zu sein!“
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Dabei ging es nicht nur darum, dass ich Mark glücklich sehen wollte, weil er es wollte und mehr als verdient hatte. Ich hatte auch das Kind im Kopf. Dieses Kind, das sich glücklich schätzen würde, diesen Mann zum Vater zu haben. Und vielleicht, möglicherweise, wäre ich als Mutter auch ganz in Ordnung.
Viele Paare in unserem Umfeld bekamen Kinder und nahmen sich während der Schwangerschaft vor, die Arbeit gerecht aufzuteilen – und dann passierte genau das Gegenteil. Vor allem in heterosexuellen Beziehungen bedeutet diese Aufteilung der Aufgaben leider immer noch häufig, dass der arbeitende Vater arbeitet und die Mutter neben ihrer Arbeit auch noch den Haushalt und die Kindeserziehung managt. Diesen Satz können wahrscheinlich viele nicht mehr hören, aber: Ich weiß nicht, wie diese Frauen das schaffen. Einen Partner zu haben, der sich so wenig kümmert, dass ich 100 Prozent Mutter und 100 Prozent Angestellte sein soll, würde mich nicht nur psychisch fertigmachen, es würde mich wahrscheinlich auch dazu bringen, meinen Job oder meinen Mann zu verlassen. Oder beides.

" Ich werde den Eindruck nicht los, dass er für nichts anderes auf dieser Welt gemacht ist, als Vater zu sein. "

Mark ist anders. Er erwies sich von Tag eins an als der Vollblut-Papa, für den ich ihn gehalten hatte. In den ersten Monaten im Leben unseres Sohnes musste ich keine einzige Windel wechseln. Nicht ein einziges Mal musste ich nachts das Bett verlassen, um ihn zu stillen. Ich setzte mich auf und mir wurde ein hungriges Baby gereicht. Mark ging meist ohne mich zu den Terminen beim Kinderarzt, damit ich durchatmen und schlafen konnte.
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Ich kann gar nicht beschreiben, wie oft wir für diese Handhabe kritisiert worden sind, und das nicht einmal nett und höflich, sondern harsch. Ich sei verwöhnt mit so einem Mann, und was ich überhaupt sonst zu tun hatte in den ersten Monaten, dass ich nicht eine einzige Windel gewechselt habe?! Nun, ich habe rund um die Uhr gestillt oder abgepumpt, zwei schwere Entzündungen der Brustdrüse durchgestanden, während ich nach einem Dammriss mit Nähten um die Scheide herum das Laufen neu erlernte. Ansonsten nicht so viel!
Drei Monate nach der Geburt unseres Sohnes bin ich wieder in Vollzeit zu meiner Arbeit zurückgekehrt. Mein Mann ist bis heute derjenige von uns beiden, der sich mehr mit Silas und der Erziehung beschäftigt. Unser Sohn ist heute 19 Monate alt, die Kritik der Leute hält aber weiterhin an und es ist alles andere als einfach, sich von den Sprüchen und Blicken freizumachen. Viele der ersten Male unseres Kindes verpasse ich und wechsle auch immer noch nicht besonders häufig seine Windeln – weil ich das Geld verdiene, das für sein Essen, seine Windeln und seine Spielzeuge zahlt. Ich bin allerdings immer dort, wenn er mich wirklich braucht. Ich bringe ihn jeden Abend ins Bett und singe ihm etwas vor. Morgens quiekt er uns um sechs Uhr mit einem lauten „Mama! Papa!“ aus dem Bett. Ich bin diejenige, die sich gerne zu einem sechsten Vorlesebuch oder einem zweiten Gang zum Spielplatz überreden lässt.
Mark liebt seine Rolle. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er für nichts anderes auf dieser Welt gemacht ist, als Vater zu sein. Eine Stunde Spielzeit mit Silas gibt ihm so viel, wie mir eine Stunde Ruhe. Die drei Monate Mutterschutz waren die längste Zeit, in der ich jemals nicht gearbeitet habe – und ich bin heilfroh, dass sie vorbei sind. Mark ist selbstständig und hält sein kleines Unternehmen mit nur zehn Arbeitsstunden pro Woche am Leben. Er wird definitiv wieder mehr machen, wenn Silas in die Schule geht. Bis dahin wird mein Mann die meiste Zeit zu Hause verbringen, während ich die 40-Stunden-Wochen schiebe. Er ist außerdem geduldiger als ich und der bessere Koch. Wenn er einmal übers Wochenende verreist, ist der Haushalt ein Chaos.
Keiner von uns ist perfekt und scheinbar entspricht unsere Auffassung von Arbeitsteilung nicht unbedingt der Norm. Aber mit ein bisschen Glück wird Silas zu einem Mann heranwachsen, der so gütig ist wie sein Vater und so kreativ und durchsetzungsfähig wie seine Mutter. Ich sage ihm jeden Tag, dass er uns nichts schuldet. Die einzige Schuld, die hier jemand trägt, ist meine Schuld von ungezählten Windeln gegenüber Mark, aber das machen wir unter uns aus.
Und all die Ängste, Zweifel und Gedanken, die mich damals in Daums Essaysammlung so angesprochen hatten? Sie sind ausgeblieben. Bis auf: Was, wenn ich mein Kind so sehr liebe, dass es wehtut? Diese Angst ist allerdings wahr und wunderschön.

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