Wenn es darum geht Beziehungen zu beenden, scheint es heutzutage nur noch einen Weg zu geben. Und der sieht so aus, es gar nicht zu tun, sondern sie einfach ins Nirgendwo verlaufen zu lassen – oder um es zeitgemäß auszudrücken: man ghostet die andere Person.
Ghosting ist scheinbar überall; eine Studie zu Beginn des Jahres fand heraus, dass 80 Prozent der Millennials zumindest einmal in ihrem Leben geghostet wurden. Die anderen 20 Prozent haben es vermutlich nur deshalb geschafft dieser Sache zu entkommen, weil sie diejenigen waren, die geghostet haben.
Ich gehöre ganz sicher zu den 80%. In Zeiten, in denen ich noch auf Dates ging, wurde ich so oft geghostet, dass ich einen Freund dazu brachte mir zu versprechen, dass er es nicht auch tun würde. Stattdessen hat er dann in einer Nachricht mit mir Schluss gemacht, was zwar eine willkommene Abwechslung war, aber im Endeffekt auch nicht viel besser.
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Was ich aber trotz alledem niemals kommen sehen habe: Selbst meine beste Freundin ist einfach so von der Bildfläche verschwunden. Als sie also nach über zehn Jahren Freundschaft einfach aufhörte zu antworten, verletzte mich das mehr als jede Trennung.
Ich traf Rachel* zum ersten Mal während der Erstiwoche an der Uni, als wir in den gleichen Korridor zogen. Wir waren sofort auf der selben Wellenlänge: Wir liebten gute BBQs und hassten alle Bücher von Virginia Woolf. Wir gingen so oft in die Eckkneipe, dass die Barleute uns bald jeden Abend einen Tisch freihielten. Ich krabbelte morgens verkatert in ihr Bett, und als wir nach unserem Abschluss an unterschiedliche Enden des Landes zogen, telefonierten wir jeden Tag zwei, drei Stunden am Stück.
Und dann, vor etwa drei Jahren, zehn Jahre nach unserem ersten Treffen, hörte sie von einem Tag auf den nächsten auf mir zu antworten. Es gab keinen großen Streit, keine Anzeichen, keine Vorwarnung, nichts – sie ist einfach gegangen. Nachrichten, Anrufe, Emails – nichts wurde beantwortet. Sie hatte sich von dem Rest unserer Uni-Freunde abgekapselt, als sie in den Norden gezogen war, also versuchte ich mit ihren neuen Freunden in Kontakt zu treten, um herauszufinden ob es ihr gut ging. Sie sagten mir, dass alles in Ordnung sei und sie nur ziemlich beschäftigt. Und dann hörte ich über ein Jahr lang nichts.
Ich hatte absolut keine Ahnung, wohin mit mir. Rachel hatte mich während all der Zeit begleitet, als meine Dates plötzlich verschwunden waren, und jetzt war sie es, die einfach so verschwand. Ich wollte in meinem Pyjama rumsitzen und jemandem ins Telefon jammern, nur hatte ich leider keine Ahnung, wer das hätte sein können. Ich war verletzt und komplett überfragt.
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Die Gesellschaft gesteht dem Beenden einer Freundschaft nicht die gleiche Schlagkraft zu wie der Trennung in einer romantischen Beziehung.
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In diesem Moment stellte sich für mich heraus, dass man nach dem Beenden einer Freundschaft die gleichen Stadien durchläuft wie mit einem*einer Partner*in – die Ungläubigkeit, das Grübeln darüber, was man falsch gemacht hast, die unendliche Schuld und das Gefühl, dass man jemandem auf eine furchtbare Art Unrecht getan hat. Man fragt sich, ob sich auch die anderen Freunde absehbar abwenden werden, ob man überhaupt noch jemanden nach Hilfe beten sollte. Es fühlt sich plötzlich an, als würde man sich jedem nur aufzwingen. Auch bei gemeinsamen Freunden wird man den Gedanken nicht los, man würde sie vor die Wahl stellen, sich für eine Seite zu entscheiden.
Die Gesellschaft gesteht dem Beenden einer Freundschaft nicht die gleiche Schlagkraft zu wie der Trennung in einer romantischen Beziehung. Also muss man selbst einen Weg finden, weiter zu machen, und das ist nicht immer einfach.
Kates* beste Freundin verschwand vor fast zehn Jahren und sie hat seitdem nichts von ihr gehört. „Ich denke nicht, dass ich komplett darüber hinweg bin, auch heute noch nicht“, sagt Kate. „Irgendwann bemerkte ich, dass immer ich es war, die sich meldete, also wollte ich herausfinden wie lange es dauern würde, bis sie Kontakt zu mir aufnimmt. Ein ganzes Jahr verging und ich hörte kein Wort. Ich war zu dieser Zeit ziemlich krank, also schickte ich ihr eine Email, um es zu erklären – aber ich bekam niemals eine Antwort darauf.“
„Am Anfang war ich ziemlich wütend, weil ich von jemandem verlassen wurde, von dem ich dachte, dass ich ihm vertrauen könnte. Die Wut ist mit der Zeit verschwunden, aber es ist immer noch traurig und verwirrend.“
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Anders als Kate habe ich nochmal etwas von meiner verschollenen Freundin gehört. Sie schickte mir zur Verlobung eine Postkarte und entschuldigte sich für ihr plötzliches Verschwinden, aber ich war zu verletzt, um wieder dahin zurück zu gehen, wo wir einmal waren. Jetzt haben wir dieselbe Beziehung wie mit meinen Exfreunden: eine Facebook-Freundschaft und hier und da mal ein Like, das war’s.
Es ist unvermeidbar, dass einige Freundschaften über die Jahre in die Brüche gehen. Die Person, die du mit 18 geliebt und mit der du dich an eine Flasche billigen Wodka geklammert hast, ist vielleicht nicht unbedingt die Person, die auch in deinem Leben sein wird, wenn du 30 bist. Aber von einer so engen Freundin geghostet zu werden, ist eine wirkliche brutale Erfahrung.
Glücklicherweise hatte ich einen Partner, der mich unterstützt hat, und mit dem ich über diese verloren gegangene Freundschaft sprechen konnte. Er verstand, dass wir Trennungen von Freunden ernster nehmen sollten. Es widmet sich ihnen vielleicht keine komplette Industrie in Form von schlechtem Fernsehen und Filmen, die du gucken kannst, während du einen ganzen Block Cheddar ist, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht auch hart sind.
Wenn wir Trennungen zwischen Partner*innen ernst nehmen, sollten wir das bei Freundschaften umso ernster nehmen.
*Diese Namen wurden von der Redaktion geändert
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