Unechtes Stöhnen, simuliertes Greifen nach dem Laken, übertriebenes Augenrollen: Obwohl niemand von uns gerne Orgasmen vortäuscht, bleibt uns manchmal gefühlt keine andere Wahl.
Die Versuchung ist groß, das Problem auf unsere Partner zu schieben (wenn es sich um eine heterosexuelle Beziehung handelt). So sehr an den Haaren herbeigezogen ist das auch nicht, denn es gibt tatsächlich eine Orgasmuslücke zwischen Männern und uns Frauen.
90 Prozent aller Frauen sollen sexuelle Höhepunkte vortäuschen. Allerdings ist das nicht die ganze Geschichte, denn obwohl das am häufigsten unter Hetero-Frauen vorkommt, ist es auch im Falle von gleichgeschlechtlichen Paaren alles andere als eine Seltenheit.
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Ein offensichtlicher Grund? Wir fühlen uns nicht sexuell erfüllt. Sarah*, eine Frau, mit der ich sprach, erzählte mir: „Wann immer ich einen Orgasmus vortäuschte, tat ich es meistens, weil ich den Sex nicht wirklich genoss und wollte, dass die Sache so schnell wie möglich vorbei ist.“
Ein Mangel an Verständnis für die weibliche sexuelle Lust kann die Ursache für unbefriedigenden Sex sein. Tierra, eine andere Frau, die sich mir gegenüber öffnete, sagt, dass das der Grund dafür war, warum sie in der Vergangenheit nur so tat, als wäre sie gekommen. „Bei mir lag es daran, dass ich meinen eigenen Körper zu wenig kannte. [Ich glaube], die meisten Männer, die Sex haben, haben keine Ahnung davon, wie man eine Frau zum Orgasmus bringt. Bis diese also weiß, wie sich ein sexueller Höhepunkt anfühlt und versteht, was sie dazu braucht, wird sie sich mit dem Faken zufriedengeben.“
Die Sex- und Beziehungstherapeutin Krystal Woodbridge schließt sich der Meinung an, dass bestimmte Darstellungen von Lust es Frauen schwerer machen können, ein erfülltes Sexualleben zu haben. „Viele von uns haben oft Annahmen über Sex, die nicht unbedingt der Realität entsprechen. Das hat damit zu tun, wie unsere Gesellschaft mit dem Thema Sex umgeht und wie es in Medien dargestellt wird.“
Obwohl du vielleicht denkst, dass Faken eher in neuen oder weniger ernsten Beziehung vorkommt, beweisen Studien, dass das Gegenteil der Fall ist: In langfristigen Beziehungen werden Orgasmen am häufigsten vorgetäuscht (Ausnahme: Ehen).
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Das deutet darauf hin, dass emotionale Faktoren im Spiel sein könnten, was Sarah nur bestätigt. „Weil mir meine Partner:innen am Herzen lagen, stoppte ich sie nicht mittendrin“, sagt sie. „Wenn ich mit jemanden zusammen wäre, der mir nicht wirklich wichtig ist, würde ich mir nicht die Mühe machen, zu faken.“
Wenn du dich mal wieder beim Faken ertappst und befürchtest, dass sich das auf dich oder deine Beziehung auswirken könnte, ist es vielleicht an der Zeit, es zu beichten und darüber zu sprechen. Für diejenigen, die sich Sorgen um die Reaktion ihrer Partner:innen machen, rät Woodbridge, darauf zu achten, wie das Thema zur Sprache gebracht wird.
„Ich denke, es ist wichtig, dich selbst zu fragen, ob es potenziell schädlich [für die Beziehung] sein könnte, deinem Partner oder deiner Partnerin zu gestehen, dass du Orgasmus vorgetäuscht hast“, sagt sie. „Wenn du die Aufmerksamkeit dabei auf dich selbst lenkst, wird sich deine bessere Hälfte nicht angegriffen fühlen oder so, als ob du ihr die Schuld geben würdest. Möglicherweise brauchst du so gar nicht offen auszusprechen, dass deine sexuellen Höhepunkte nur vorgespielt waren.“
Sie erklärt: „Du kannst dein Gegenüber anleiten, ohne zugeben zu müssen, dass du bisher alle Orgasmen vorgetäuscht hast oder deinen Partner oder deine Partnerin zu beschuldigen. Du sagst also im Grunde: ‚Es gibt da ein Problem, das ich in letzter Zeit immer häufiger habe. Es fällt mir schwerer, zu kommen. Deshalb möchte ich gemeinsam mit dir herausfinden, was wir tun könnten, um es zu lösen.‘“
Woodbridge ist der Meinung, dass das Problem unabhängig davon auftreten kann, wie erfahren eine Person ist. Daher ist es wichtig, dass du über deine individuellen Vorlieben sprechen kannst. Allerdings kann dein Vortäuschen auch damit zusammenhängen, dass du gar nicht oder nicht ausreichend weißt, was diese Vorlieben tatsächlich sind.
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Aus diesem Grund kann es hilfreich sein, dir etwas Zeit für dich selbst zu nehmen, um zu erforschen, was dir Lust bereitet. So wirst du dich beim Sex fallen lassen und deinem Partner oder deiner Partner:innen besser anleiten können. Woodbridge erklärt: „Ein Orgasmus beginnt im Kopf. Erregung hat also mit der eigenen Fähigkeit, zu verstehen, was dich stimuliert, zu tun.“
„Was jemand als erregend wahrnimmt, kann sich von Person zu Person unterscheiden. Manche von uns törnt das Betrachten von erotischen Bildern oder das Hören bestimmter Musik an“, erklärt sie. „Fang damit an, über körperliche Empfindungen nachzudenken. Was fühlt sich gut an? Sobald du herausgefunden hast, was dich anmacht, kannst du diese Information mit deiner besseren Hälfte teilen.“
Es ist auch wichtig, dich zu fragen, warum du deine Orgasmen überhaupt vortäuschst. Wenn du keine Antwort darauf finden kannst oder das Gefühl hast, dass es die Folge verinnerlichter sexueller Scham oder eines vergangenen/gegenwärtigen Traumas ist, solltest du dir Hilfe bei qualifizierten Therapeut:innen holen.
Woodbridge erklärt: „Es hängt davon ab, wie lange du schon Schwierigkeiten dabei hast, zum Höhepunkt zu kommen. Außerdem ist zu klären, ob das immer schon ein Problem war oder nur beim Sex mit deinem aktuellen Partner oder deiner aktuellen Partnerin der Fall ist. Zudem spielt es eine Rolle, ob du zwar alleine einen Orgasmus haben kannst, aber nicht mit deiner besseren Hälfte. Was auch nicht unwichtig ist, ist deine Beziehung du zu deinem eigenen Körper. Hast du es während der Pubertät genossen, deinen eigenen Körper zu erforschen und kennen zu lernen oder war das etwas, das schambehaftet und ein Tabu war?“
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Ein Verständnis für sexuelle Lust ohne Penetration zu entwickeln (insbesondere im Falle von heterosexuelle Paaren), kann ebenfalls hilfreich sein. Immerhin kommen nur etwa 18 Prozent der Frauen allein dadurch zu einem Orgasmus. Sich nicht bloß auf penetrativen Sex zu konzentrieren, während des Geschlechtsverkehrs weniger zielorientiert zu sein (Orgasmus braucht kein Muss zu sein) und mehr für allgemeine Sinnlichkeit zu sorgen, könnte dabei helfen, den Druck zu senken. „Selbst Personen, die kein Problem damit haben, zu kommen, erreichen nicht immer einen sexuellen Höhepunkt beim Sex oder wollen manchmal vielleicht gar nicht unbedingt kommen“, fügt Woodbridge hinzu.
Olney sah es als ein gutes Zeichen, dass sie mit ihrer besseren Hälfte übers Faken sprechen konnte. Sie erzählt: „In meinen letzten beiden Beziehungen wusste ich, was ich brauchte, und konnte darüber sprechen. Ich fand es wichtig, meine Partner:innen wissen zu lassen, was meine Bedürfnisse im Bett sind. Als in meiner letzter Beziehung deutlich wurde, dass es der anderen Person nicht wichtig war, ob unsere sexuelle Erfahrung auch für mich befriedigend war, beschloss ich, getrennte Wege zu gehen.“
„Ohne Gespräche wird sich deine sexuelle Erfahrung nicht auf magische Weise verbessern. Weil wir darüber sprachen, was uns antört, wussten meine Partner:innen, wie sie mir dabei helfen können, zu kommen. Andererseits wusste ich auch, dass es Zeit war, Schluss zu machen, wenn wir dieses Thema nicht frei besprechen konnten.“
Woodbridge merkt auch Folgendes an: Wenn deine bessere Hälfte Schwierigkeiten damit hat, dass du den Höhepunkt nicht erreichst oder einfach keinen Orgasmus willst, ist das nicht dein Problem. „Wenn du wirklich glücklich bist – ganz egal, ob du kommst oder nicht –, dann hat dein Partner oder deine Partnerin keinen besonderen Grund zur Sorge. Wenn er oder sie es trotzdem besorgt ist, hat das wahrscheinlich mit seinem oder ihrem eigenen Stolz zu tun.“
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Während der Wunsch, so zu tun, als wärst du gekommen, ein Zeichen dafür sein kann, dass es tiefere Probleme in deiner Beziehung gibt, kann das Reden darüber wiederum für mehr Intimität und ein erfüllteres Sexleben sorgen. Tatsächlich gaben eine bedeutende Anzahl an Frauen an, dass sich ihre Partner:innen „mehr Mühe geben“, nachdem sie zugegeben hatten, dass sie Orgasmen vorgetäuscht hatten.
Wie Rashawn feststellen musste, stellen sich offene Gespräche mit Partner:innen nicht immer als erfolgreich heraus: „Ich bin noch nie gekommen und fühle mich deshalb unzulänglich – als ob etwas mit mir nicht stimmen würde. Als ich es ihm erzählte, machte er es sich zur Aufgabe, mich zum Kommen zu bringen. Er versuchte es immer und immer wieder – ohne Erfolg. Da ich ihn nicht enttäuschen wollte, täuschte ich Orgasmen vor.“
Natürlich ist die Rolle des Partners oder der Partnerin in diesem Zusammenhang nicht unwichtig. Deshalb ist es auch ratsam, über Vorlieben im Bett sprechen zu können. Um dein Sexleben zu verbessern, rät Woodbridge aber dazu, zuerst herausfinden, was dich antörnt und was du im Bett tatsächlich brauchst, um kommen zu können.
„[Auf diese Weise] übernimmst du die Verantwortung für deinen eigene sexuelle Erfahrung “, sagt sie. „Du musst bei dir selbst anfangen. Klarerweise kannst deinen Partner oder deine Partnerin mit einbeziehen, aber das Ganze beginnt bei dir selbst.“
*Einige Namen wurden von der Redaktion geändert
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