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Dein:e Partner:in hat ADHS? So kannst du helfen

Foto: Savana Ogburn.
Als ihr Freund, mit dem sie zu dem Zeitpunkt schon seit drei Jahren zusammen war, endlich die Diagnose ADHS bekam, fing die 24-jährige Grace vor Erleichterung an zu weinen. Nicht nur, weil sie mit ihrem Partner mitfühlte – endlich hatte er diese wichtige Information bekommen und konnte eine Behandlung beginnen –, sondern auch, weil sie nervös war: Was würde das für sie und ihre Beziehung bedeuten? Nachdem Grace die letzten Monate gefürchtet hatte, ihre Partnerschaft könnte zerbrechen, beantwortete die ADHS-Diagnose ihres Freundes so viele ihrer Fragen.
„Ich war zu dem Zeitpunkt schon so lange verwirrt und wütend, weil ich dachte, er hätte das Interesse an mir verloren und nähme keine Rücksicht auf meine Bedürfnisse“, erzählt Grace. „Teilweise sprach er kaum mit mir, scrollte stundenlang nur am Handy oder zockte Videospiele, ohne auch nur ein Wort mit mir zu wechseln. Er vergaß unsere Date-Abende, kümmerte sich nie um die Aufgaben, bei denen ich um seine Hilfe gebeten hatte, und reagierte manchmal genervt, wenn ich unsere Beziehung mit ihm besprechen wollte. Ich dachte wirklich, es sei vorbei zwischen uns.“
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Als sie dann aber von seiner Diagnose erfuhr, verstand Grace endlich, dass er sich nicht so verhielt, weil er sie nicht liebte oder nicht mit ihr zusammen sein sollte – sondern weil er sich nie komplett auf etwas konzentrieren konnte, inklusive ihr. Auch seine häufige Frustration und Wut ließen sich mit der Diagnose erklären.
„Wenn wir einige der Symptome von ADHS bedenken – wie Probleme damit, sich etwas zu merken, Zeitblindheit, das Abbrechen von Aufgaben, eine Tendenz zur Langeweile oder Schwierigkeiten damit, sich auf Gespräche zu konzentrieren –, ist es kaum verwunderlich, dass sich ADHS auch auf Beziehungen auswirken kann. So kann es passieren, dass Dates vergessen, Nachrichten ignoriert oder Haushaltsaufgaben abgebrochen werden“, erklärt die Beziehungstherapeutin Selina Nguyen von der Good Vibes Clinic.
„Wenn beide Partner:innen nicht gründlich genug miteinander kommunizieren, passiert es sehr häufig, dass der oder die Partner:in ohne ADHS diese Situationen fehlinterpretiert. Vielleicht glaubt diese Person dann, sie sei dem:der Partner:in nicht wichtig, oder dass sich der:die Partner:in nicht genug um die Beziehung bemühe“, sagt sie. „Die Person mit ADHS kann sich daraufhin dafür schämen und schuldig fühlen, wie ihr Gehirn funktioniert und wie es die Beziehung beeinflusst. Das Ganze kann also auf beiden Seiten zu Frust und Enttäuschung führen. Noch dazu fühlen sich beide vielleicht voneinander distanziert.“
Weil immer mehr Menschen ihre ADHS-Diagnose erst später im Leben bekommen und wir noch immer viel darüber zu lernen haben, ist es umso wichtiger, zu verstehen, wie man sich um jemanden mit ADHS kümmern sollte. Gleichzeitig ist es auch entscheidend, als Partner:in einer Person mit ADHS zu wissen, wie die eigenen Bedürfnisse erfüllt werden können. Schließlich unterscheiden sich die Beziehungsstile und Verhaltensweisen von neurodivergenten und neurotypischen Menschen oft stark voneinander. Daher müsst ihr gemeinsam lernen, mit dem ADHS klarzukommen, um neue Optionen einer Beziehung zu erkunden, die euch beiden passt.
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Wie lässt sich dieses emotionale Chaos bewältigen? Zuallererst solltest du als Partner:in eines Menschen mit ADHS mehr über diese Störung erfahren. Wie Nguyen erklärt, zeigst du damit nicht nur, dass er:sie dir am Herzen liegt – sondern verrät dir auch viel darüber, was in deinem:deiner Partner:in und eurer Beziehung vor sich geht.
„Denk dran, dass ihr ein Team seid. Du bist nicht der Trainer oder die Trainerin“, meint Nguyen. „Löse dich von der Annahme, dass du deine:n Partner:in darin ‚trainieren‘ solltest, alles auf neurotypische Art zu machen. Du musst auch nicht seine oder ihre Probleme lösen. Es liegt in eurer individuellen Verantwortung, eure jeweiligen Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche zu kennen. Dann könnt ihr euch gemeinsam überlegen, wie ihr die miteinander verbinden könnt – so, dass das Ganze für euch beide funktioniert.“
Nguyen zufolge kommt es in solchen Beziehungen oft zu einer Dynamik, in der die Person ohne ADHS eine elternähnliche Rolle annimmt und den:die Partner:in immer wieder zu bestimmten Aufgaben auffordert oder ihn:sie an etwas erinnert. Daher entwickeln Partner:innen ohne ADHS oft einen Groll, weil sie mehr Verantwortung übernehmen müssen; die Partner:innen mit ADHS hingegen haben häufig das Gefühl, von oben herab herumkommandiert zu werden. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis der Fehlkommunikation – und den kennen auch Grace und ihr Partner nur zu gut.
„Bei vielen praktischen Aufgaben übernahm ich oft die Führung. Dadurch entwickelte ich aber einen Groll“, erzählt Grace. „Meine Psychologin erklärte mir, dass wir diese Eltern-Kind-Dynamik unbedingt durchbrechen sollten. Ich machte so vieles für ihn, weil er dafür zu lange brauchte oder es einfach nicht fertig bekam. Irgendwann gab ich diese Kontrolle aber auf, und er musste nachziehen.“ Grace und ihr Partner mussten sich ändern. Grace erkennt aber an, dass sie ein bisschen verständnisvoller und nachgiebiger sein musste, was ihre Vorstellung von einer erfolgreichen Beziehung anging. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie schwierig es für neurodivergente Menschen sein kann, sich in eine Welt und eine Gesellschaft einzufügen, die nicht für sie gemacht sind.
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Wenn du das Gefühl hast, dein:e neurodivergente:r Partner:in könne deine Bedürfnisse nicht erfüllen, empfiehlt Nguyen, zwischen einem unerfüllten Bedürfnis und einer Forderung zu unterscheiden. Oft verschwimmt bei uns nämlich die Grenze dazwischen. „Ein Beispiel: ‚Du musst schnell auf meine Nachrichten antworten. Sonst fühle ich mich in der Beziehung nicht anerkannt‘“, sagt sie. „Wir fixieren uns dabei zu oft auf die Forderung. Dabei gibt es in Wahrheit viele Optionen, das Bedürfnis nach mehr Anerkennung zu erfüllen – nicht nur schnell beantwortete Nachrichten. Es geht also nicht darum, deine Bedürfnisse zu unterdrücken, sondern dahingehend flexibel zu sein, wie sie erfüllt werden und worauf du dich fokussierst.“ Und genau hier ist es wichtig zu bedenken, dass Flexibilität und verschiedene Blickwinkel Fähigkeiten sind, die uns vermutlich leichter fallen als unseren neurodivergenten Partner:innen. Um eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen zu bewahren, sind sie unumgänglich.
Was die Kommunikation auf pragmatischer Ebene angeht, erinnert Nguyen daran, dass Menschen mit ADHS mehr Informationen aufnehmen, wenn wir von Angesicht zu Angesicht mit ihnen sprechen. Augenkontakt und körperliche Berührungen können dahingehend sehr hilfreich sein, weil sie ein Gespräch entschleunigen. „Einigt euch auf ein paar Grundregeln für wichtige Gespräche, in denen ihr einander nicht unterbrecht und keine Vorwürfe macht. Schreibt außerdem beide wichtige Punkte aus dem Gespräch auf“, rät Nguyen.
Im nächsten Schritt geht es darum, euch einen Plan dazu auszudenken, wie ihr beide Verantwortung für eure jeweiligen Rollen in der Beziehung übernehmen wollt. Bei diesem Prozess solltet ihr akzeptieren, dass ihr vermutlich mehrere Anläufe braucht, um eine Struktur oder Routine zu schaffen, die für euch beide funktioniert – ob nun in Form von Erinnerungen, einem geteilten Kalender oder bildschirmfreien Date-Abenden. „Denkt daran, dass ihr das gemeinsam angeht. Es liegt nicht an einer Person, sämtliche Verantwortung zu übernehmen, sondern es geht darum, wie ihr einander darin unterstützen könnt, die Bedürfnisse der anderen Person zu berücksichtigen“, erklärt Nguyen.
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Letztlich ist eine gesunde, glückliche Beziehung mit einer Person mit ADHS überhaupt nicht unmöglich. Mit ein paar pragmatischen Fähigkeiten und einer offenen Einstellung schafft ihr das – es erfordert bloß ein wenig mehr Kommunikation, Flexibilität und Einfühlungsvermögen. Und sind das nicht ohnehin die Grundpfeiler einer tollen Beziehung?
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