„Mir geht's gut“ zu sagen, wenn das offensichtlich nicht der Fall ist, ist ohne Zweifel eine Kommunikationsbremse. Es kann sich unglaublich frustrierend anfühlen, die Zielscheibe einer solchen passiv-aggressiven Abfuhr zu sein. Wie solltest du also am besten reagieren, wenn sich dein Partner oder deine Partnerin dir gegenüber so verhält? Nun, das hängt von deiner Beziehung ab. Es kann aber hilfreich sein, ein wenig mehr darüber zu erfahren, warum manche von uns überhaupt zu diesem Verhalten neigen, sagt Psychologieprofessor Dr. David Ludden.
„Passive Aggression kann ein Zeichen dafür sein, dass eine Person nicht in der Lage ist, auf direkte Weise mit Konflikten umzugehen“, sagt Dr. Ludden. Letztendlich versuchen passiv-aggressive Partner:innen, ihre Bedürfnisse mitzuteilen – fühlen sich aber nicht sicher genug, sie auf unmissverständliche Art anzusprechen. Manchen Menschen wird von klein auf beigebracht, ihre Emotionen lieber nicht auszudrücken, während andere vielleicht auf passiv-aggressives Benehmen zurückgreifen, weil sie nicht wissen, wie sie angemessen reagieren sollen, wenn jemand verärgert ist oder sich abwehrend gibt, erklärt Dr. Ludden. So oder so „ist es notwendig, sich einander unter die Arme zu greifen und sich zu bemühen, gemeinsam dahinterzukommen, was das eigentliche Problem ist und wie es gelöst werden kann“, empfiehlt er.
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Deine bessere Hälfte zu ignorieren, wird dir nichts bringen. So intensivierst du nämlich nur ihr passiv-aggressives Verhalten, sagt Dr. Ludden. „Du solltest aber auch nicht allzu sehr darauf eingehen“, sagt er. Wenn du deinen Partner oder deine Partnerin auf sein oder ihr passiv-aggressives Benehmen ansprichst und es so mit einem Label versiehst, könnte es nur zu einer verstärkten Trotzreaktion deines Gegenübers führen. Denk daran: Passive Aggression ist nicht immer ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich auch nicht in jedem Fall um eine beabsichtigte unreife Verhaltensweise. Laut Dr. Ludden sind das Anzeichen, dass ein Mensch nicht fähig ist, sich klar auszudrücken, ohne mit seinen eigentlichen Emotionen und Gedanken hinterm Berg zu halten. Wenn du also öfters die Zielscheibe von passiver Aggression in deiner Beziehung bist, kann es hilfreich sein, diese problematischen Umstände genauer zu analysieren. Versuch, herauszufinden, ob es eine dem zugrunde liegende Ursache gibt, welche die eigentliche Herausforderung darstellt und stattdessen angesprochen werden sollte.
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Deine bessere Hälfte zu ignorieren, wird dir nichts bringen. So intensivierst du nur ihr passiv-aggressives Verhalten.
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Im Allgemeinen gibt es zwei Formen passiver Aggression, sagt Dr. Ludden. Die eine ist, Versprechen nicht einzuhalten, sagt er. Zum Beispiel könnte die andere Person „vergessen“ haben, dir bei einer Aufgabe zu helfen, mit der du sie schon seit Monaten nervst. Vielleicht zögert dein Partner oder deine Partnerin auch eine Veranstaltung hinaus, zu der ihr gemeinsam gehen wolltet. Passiv-aggressives Verhalten kann sich aber auch folgendermaßen äußern: Möglicherweise zieht sich die andere Person zurück und gibt sich plötzlich kurz angebunden, sagt der Experte. All diese Verhaltensweisen können sehr anstrengend sein, weil das eigentliche Problem so nicht wirklich angegangen wird.
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Wie findest du also heraus, was tatsächlich los ist? Wenn du das Gefühl hast, dass die Situation zu angespannt ist, schlägt Dr. Ludden vor, deine Gefühle in einer E-Mail oder einem Brief niederzuschreiben. „Deine Emotionen schriftlich auszudrücken, ermöglicht es, dich kritischer mit ihnen zu beschäftigen“, sagt er. Wenn Schreiben nicht dein Ding ist, kannst du versuchen, deiner besseren Hälfte mitzuteilen, wie du dich fühlst, indem du Aussagen in der Ich-Form formulierst („Ich fühle mich hilflos, wenn ich nicht weiß, was los ist“ anstelle von „Du bist immer so und sagst mir nicht, was los ist“). Lass danach die andere Person zu Wort kommen und wiedergeben, wie sie deine Worte aufgenommen hat. So kannst du Missverständnisse vermeiden und sicherstellen, dass auch ja nichts falsch interpretiert wurde (das ist eine Technik aus der Imago-Therapie, die für Paare, die an einem Konflikt arbeiten, sehr hilfreich sein kann).
Das alles sind allerdings nur Vorschläge. Welchen Kommunikationsweg du einschlägst, hängt von deiner jeweiligen Situation ab. Es ist aber ratsam, Beziehungsprobleme in einer ruhigen, unterstützenden, konstruktiven Weise anzugehen, rät Dr. Ludden.
Manchmal ist passiv-aggressives Verhalten also eine tief verwurzelte Gewohnheit in einer Beziehung. In diesem Fall könnte eine Paartherapie von Nutzen sein, sagt Dr. Ludden. „Um deinem Partner oder deiner Partnerin zu helfen, musst du emotionale Stärke an den Tag legen und dich durch seinen oder ihren Abwehrmechanismus kämpfen“, sagt er. Manchmal erfordert das die Hilfe von Expert:innen, die dich dabei unterstützen können, deine Probleme in einer sicheren Umgebung anzusprechen.
Letzten Endes sind Angewohnheiten, die auf passive Aggression hindeuten, üblich und ein weit verbreitetes Phänomen. Deshalb sind sie aber noch lange nicht gesund. Schließlich kann niemand von uns Gedanken lesen. Du solltest dich auch nicht dazu gezwungen fühlen, das Verhalten deiner besseren Hälfte entschlüsseln zu müssen, bloß weil sie nicht ehrlich und direkt zu dir sein kann. Und noch etwas: Du kannst die Art und Weise, wie andere Menschen handeln, nicht ändern. Was du aber ändern kannst, ist, wie du auf andere reagierst. Das Beste, was du in einer Beziehung tun kannst, ist es, geduldig zu sein und der anderen Person Freiraum zu geben, um ihre Gefühle ausdrücken zu können – egal, ob es ihr „gut“ geht oder nicht.
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