Ich gebe zu: Ich war mir meiner Sache ziemlich sicher. Warum auch nicht? Ich fühle mich gut mit der Pille, habe keine Nebenwirkungen und meine Frauenärztin hatte meine Bedenken so überzeugend weggewischt, dass ich mich entschloss, mich ganz offen gegen die grassierende Pillenpanik zu wehren und Stellung zu beziehen: Für mich gibt es keine Alternative zur Pille.
Wochen später, nach vielen Kommentaren, Gesprächen und noch mehr Literatur gestehe ich nun meinen Sinneswandel. Nein, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich fühle mich sogar ziemlich schlecht mit meiner Entscheidung, auf der Pille zu bestehen. Ich fühle mich von meiner eigentlich so empathischen Frauenärztin abgefertigt und übergangen. Es schockiert mich, dass ich im Laufe meiner Lektüre erkennen musste, dass sie mich mit ziemlich gängigen Argumenten beruhigt hatte – haltlosen Argumenten.
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Neben dem gefühlten Verrat durch meine Gynäkologin sind es aber vor allem viel banalere Fakten, die mich meine Meinung haben ändern lassen: Nicht die Thrombosegefahr und dieses abstrakte Konzept der Hormondröhnung, von der man überall liest. Tatsächlich brauchte ich erst konkrete Beschreibungen, was die Pille in meinem Körper neben der Verhütung bewirkt, um wach zu werden. Etwa, dass die Periode während der Pillenpause keinen Zyklus anzeigt – denn einen natürlichen Zyklus hat man während der Pilleneinnahme nicht, der Eisprung bleibt aus. Das, was einen im Wesentlichen zur Frau macht, wird durch die künstlichen Hormone der Pille unterdrückt.
Die Pille macht mehr als nur verhüten
Dazu kommt die Belastung der Organe Leber, Darm und Schilddrüse, die sich so sehr an der Pille abarbeiten, dass sie ihren eigentlichen Funktionen kaum nachkommen. Will ich das? Definitiv nicht. Weshalb sich die Frage aufdrängt, die seltsamerweise kaum eine Autorin der Anti-Antibabypillen-Artikel umtreibt: Wie kann es sein, dass ein Medikament mit solch schwerwiegenden Auswirkungen so bedenkenlos verschrieben wird?
Ich habe mich mit Isabel Morelli unterhalten, Gründerin des Blogs „Generation Pille“, die dort für Frauen schreibt, die die Pille absetzen möchten oder bereits abgesetzt haben und ihren Körper so gut es geht bei der Umstellung unterstützen wollen. Sie selbst setzte die Pille vor etwa acht Jahren ab, nicht weil sie Probleme hatte, sondern sich bewusst wurde, dass sie Tag für Tag Chemie in Form eines verschreibungspflichtigen Medikaments schluckt. Danach allerdings kamen die ersten Probleme. Nach drei Jahren Ärztemarathon und diversen Diagnosen kam sie zu dem Schluss, dass niemand ihren Körper ganzheitlich betrachtete und jedem Symptom lediglich einen einzelnen Befund zuschrieb. Als man ihr riet, die Pille wieder zu nehmen, weil sie mit 25 die Hormonwerte einer 70-Jährigen hatte, fing sie an zu recherchieren, vor allem zu den hormonbildenden Organen und ihren Funktionen.
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„Ich habe mit vielen Medizinstudenten und Gynäkologen gesprochen, und alle haben mir das Gleiche gesagt: Im Studium lernt man nicht, welche Vorgänge die Pille im Körper auslöst. Stattdessen lernt man, welche Pillen es gibt und welche Wirkstoffe sie haben“, sagt Morelli. „Meist werden dann sogar die Nebenwirkungen heruntergespielt, die stünden nur zur Sicherheit auf dem Beipackzettel.“
Welchem Arzt kann man noch vertrauen?
Wie kann man sich beim Frauenarzt also sicher sein, dass er einen nicht vertröstet, bestenfalls wie in meinem Fall mit dem ebenfalls hormonell wirkenden Ring? „Es ist wie mit dem perfekten Partner“, meint Morelli. „Man muss erst ein paar schlechte Gynäkologen kennenlernen, um den richtigen zu finden.“ Mittlerweile gebe es genug Frauenärzte, die einen naturheilkundlichen Background haben und weniger pharmabezogen arbeiten, die sogar Kurse zur natürlichen Verhütung anbieten. Am wichtigsten sei es, dass man offen miteinander redet.
Das Problem sei allerdings das Gesundheitssystem an sich: Da immer mehr Leute zum Arzt gehen, wird die Behandlungszeit pro Patient immer knapper. Gleichzeitig verdienen die Ärzte mit Kassenpatienten kein Geld, mit der Verschreibung der Pille ist man also schnell und einfach abgefertigt. „Der Druck auf die Ärzte ist erheblich, in der Hinsicht muss man sie auch in Schutz nehmen“, sagt Morelli.
Eine Entschuldigung kann und darf es aber nicht sein: Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse war die jüngste bei ihnen versicherte Patientin, die die Pille verschrieben bekommen hat, gerade einmal 11 Jahre alt. Schon vor der Pubertät werden hier die natürlichen Körperfunktionen mit künstlichen Hormonen unterdrückt. „Die jungen Mädchen nehmen die Pille wie eine Süßigkeit, ohne zu wissen, was man damit macht, meist gar nicht um zu verhüten, sondern für schönere Haut und größere Brüste.“
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Generation Pille
Dass die Pillenpanik nun solch einen Aufschwung erlebt, ist laut Isabel Morelli auch eine Generationsfrage. In den vorherigen Generationen war die Antibabypille revolutionär, weil sie die sexuelle Befreiung der Frau markierte, und war auch aus genau diesem Grund verpönt. „Aber unsere Generation hat dann meist mit 14 das erste Mal die Pille verschrieben bekommen und fängt nun an umzudenken. Mitte 20, Anfang 30 geht man bewusster mit seiner Gesundheit um. Man fragt sich: ,Was habe ich eigentlich die ganze Zeit genommen?’. Zudem passt die Pille nicht zum derzeitigen Lifestyle von Clean Eating, Zuckerverweigerung und Fitnessblogs.“
Eine Frage bleibt allerdings, die ich nach meiner Beichte, mit der Pille doch nicht auf dem richtigen Weg zu sein, von einigen Freundinnen gestellt bekommen habe, die ebenfalls mit sich hadern: Was ist die Alternative zur Pille? Sie sei doch nach wie vor das sicherste Verhütungsmittel?
Tatsächlich hat NFP (natürliche Familienplanung) einen ähnlich niedrigen Pearl-Index (PI) wie die Pille. Zudem liegen zwischen dem wissenschaftlichen Verhütungsschutz und der tatsächlichen Anwendersicherheit der Pille Welten: Der vom Hersteller angegebene PI der Pille liegt bei 0,2-0,5. Die tatsächliche Sicherheit (bedingt durch Störfaktoren wie das Vergessen der Einnahme, Durchfall, Erbrechen, Antibiotika, Cranberrysaft etc.) liegt allerdings schon bei einem PI von 2. Und auf einmal ist die Pille doch nicht mehr so sicher.
Letztendlich, und bei dem Punkt bleibe ich auch nach meiner „Revision“, muss jede Frau für sich entscheiden, mit welcher Methode sie sich am wohlsten fühlt. Für jede gibt es die passende Verhütungsmethode – und welche es auch sein mag, am besten hört man bei der Entscheidung auf sein Bauchgefühl.
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Bücher, die sich mit der Pille, ihrer Geschichte und vor allem auch ihrer Wirkung im Körper auseinandersetzen, sind bislang übrigens rar gesät:
- Sabine Kray: Freiheit von der Pille – eine Unabhängigkeitserklärung
- Isabel Morelli: Bye Bye Pille
- Dr. A.F. Scheuernstuhl: Pille, Spirale & Co. Nebenwirkungen, was tun?
- Dr. med. Dorothee Struck: Verhüten ohne Hormone – Alternativen zu Pille & Co.
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