Unsere Definitionen einer Beziehung sind in den vergangenen Jahren immer mehr und breiter geworden: Neben dem monogamen Modell gibt es mittlerweile mehrere andere, die uns erlauben, unser Liebesleben freier zu gestalten und offener darüber zu sprechen. Es ist schön, dass die Diskussion dank Filmen, Serien und vielleicht sogar dem ein oder anderen Paar im eigenen Bekanntenkreis ins Rollen gekommen ist. Und doch wissen die meisten, wenn sie ehrlich sind, immer noch verdammt wenig über die einzelnen Beziehungsformen. Falls du dich auch schon mal gefragt hast, wo eigentlich der Unterschied zwischen Polyamorie und einer offenen Beziehung liegt, bist du mit Sicherheit nicht alleine. Wir haben versucht, Licht ins Dunkel zu bringen und Expert*innen gefragt, die es wissen müssen.
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Zunächst einmal fallen sowohl Polyamorie, als auch offene Beziehungen unter den Oberbegriff der einvernehmlichen, nicht-monogamen Beziehungen. Für viele Menschen, die polyamor leben, ist dies meist ein großer Bestandteil ihrer Identität. Sexualpädagogin Aida Manduley erklärt: „Die Polyamorie ist meist fest mit ihrem Liebesleben verknüpft.“ Im Gegensatz dazu identifizieren sich Menschen, die in einer offenen Beziehung leben, meist nicht so stark über dieses nicht-monogame Modell. Laut Manduley denken die meisten von ihnen eher, dass sie einfach eine persönliche Vorliebe ausleben.
Natürlich definieren einzelne Personen die Regeln ihres Liebes- und Beziehungslebens individuell, aber trotzdem wird die Bezeichnung „offene Beziehung“ oft in zwei unterschiedlichen Fällen benutzt, wie Dr. Terri Conley erzählt. Sie arbeitet an der University of Michigan als Professorin für Psychologie und hat sich auf Sexualverhalten und Sozialisierung spezialisiert. Oft wird diese Bezeichnung gewählt, um grundsätzlich über alle möglichen Formen einvernehmlicher nicht-monogamer Beziehungen zu sprechen, erklärt sie. Darunter fallen beispielsweise Polyamorie, Swingen und die tatsächliche, engere Definition einer offenen Beziehung.
Wenn der Terminus jedoch in Bezug auf eine tatsächliche Partnerschaft fällt, heißt das, dass es in dieser zwei Menschen gibt, die eine intime Paarbeziehung miteinander führen und sich gegenseitig erlauben, mit anderen Menschen zu schlafen. Die Verbindungen, die sie außerhalb ihrer Beziehung mit anderen eingehen, sind rein sexueller Natur. Die beiden als Hauptpaar bleiben davon (immerhin in der Theorie) emotional unangetastet. Weder suchen die Partner*innen nach einer weiteren Person, zu der sie eine weitere, zweite Liebesbeziehung aufbauen können, noch würden sie diese Person ihre*r aktuellen Partner*in vorstellen. Dr. Conley erklärt: „Meistens herrscht in offenen Beziehungen der Grundsatz, nicht nach den anderen Sexgefährt*innen außerhalb der Partnerschaft zu fragen und auch nicht davon zu erzählen – ganz nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“
Und genau hierin liegt auch schon der Unterscheid zur Polyamorie, die frei übersetzt „Viele Lieben“ heißt. Anstatt nur nach Sex außerhalb der Hauptbeziehung zu suchen, suchen Menschen, die polyamor leben, auch nach Liebe. Es geht hierbei nicht darum, mit Erlaubnis der Partner*in One-Night-Stands mit anderen zu haben. Vielmehr werden hier tiefe emotionale und romantische Verbindungen mit mehreren Personen gleichzeitig eingegangen. Kate Steward ist Paartherapeutin und Datingcoach für polyamore Menschen. Sie erzählt, dass es sich bei der polyamoren Community in Seattle, wo sie lebt, um eine eigenständige Subkultur handelt, in der die einzelnen Mitglieder sich gegenseitig unglaublich nahestehen. „Alle kennen sich, sie verbringen Zeit miteinander und veranstalten Partys.“ Natürlich bedeutet das nicht, dass innerhalb der Community alle miteinander schlafen, es geht mehr um Unterstützung und eine Art Safe Space. Diese Nähe kreiert jedoch eine andere Dynamik als die, die ein Paar in einer offenen Beziehung miteinander erfährt.
Ist es aber wirklich so wichtig, diesen Unterschied zu machen? Wir finden, ja. Neben der Monogamie gibt es jede Menge Arten, die Liebe auszuleben. Dass diese sich untereinander enorm unterscheiden, sollte deutlich geworden sein. Wie Individuen leben möchten und welchen Regeln sie in ihrem Liebesleben folgen möchten, sollte ihnen selbst überlassen sein – vorausgesetzt natürlich, die Dinge passieren im Einvernehmen.