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Reagierende vs. spontane Lust: Welches Verlangen empfindest du?

Foto: Renell Medrano / Refinery29 for Getty Images.
Wenn du das Wort „Lust“ hörst – denkst du dann an heiße Leidenschaft? An ein warmes Gefühl im Bauch? An Hollywood-Filme und zwei Leute, die sich bei einer Party im Bad die Klamotten vom Leib reißen, weil sie einfach nicht mehr die Hände voneinander lassen konnten?
Oder denkst du bei solchen Szenen eher: „Kann ich null nachvollziehen“? Nicht, weil du dich zu deinem Partner oder deiner Partnerin nicht hingezogen fühlst – sondern, weil dich dich diese dringende, spontane Lust nur sehr selten überkommt. Manche schämen sich bei diesem Gedanken oder hinterfragen vielleicht sogar, ob mit ihnen etwas nicht stimmt.
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Letztlich sind wir natürlich alle völlig verschieden. Trotzdem ist es sehr schwer, dich komplett von den Gedanken zu lösen, was du wollen oder fühlen „solltest“, anstatt dich komplett auf das zu verlassen, worauf du wirklich Lust hast. Du empfindest vielleicht einfach bloß eine andere Art von sexueller Lust. Diese Lust ist nämlich ein Spektrum mit diversen Kategorien. Zu wissen, wo du dich auf diesem Spektrum befindest – ob nun am „spontanen“ oder eher am „reagierenden“ Ende –, kann dir dabei helfen, dein eigenes Lustverhalten besser zu verstehen und dir das zu holen, was du dir von deinem Sexleben wirklich erhoffst.

Was ist spontane & reagierende Lust? 

Laut der Sexologin Georgia Grace, Mitbegründerin der Wellness-Marke NORMAL, befinden wir uns alle irgendwo auf dem Spektrum der Lust. Sie erklärt, dass vermutlich niemand von uns zu 100 Prozent in die Kategorien derspontanen“ oder „reagierenden“ Lust fällt. Dennoch ist es wichtig, diese Begriffe zu verstehen, um zu erkennen, dass sich Lust nicht auf die eine Art anfühlt.
„Bei spontaner Lust ergibt sich die Leidenschaft aus dem Nichts“, erzählt Georgia. „Wie so oft in den ersten Phasen einer Beziehung.“ Wer also eher zu spontaner Lust neigt, braucht häufig keinen externen Einfluss, um in die richtige Stimmung zu kommen.
Bei reagierender Lust ist das anders. „Dein Körper braucht dann einen Reiz, damit du überhaupt an Sex denkst – wie zum Beispiel einen Porno, Küsse am Hals, oder sogar der Beginn vom Sex selbst“, meint Grace.
Sie erklärt, reagierende Lust sei tatsächlich die typischste Form der Leidenschaft. Weil uns erotische Geschichten (in Büchern, Filmen, und so weiter) aber oft etwas anderes vermitteln, und Sex in der Popkultur eben häufiger als etwas Spontanes dargestellt wird, bekommt die reagierende Lust laut Grace „nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient“.
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Es stimmt: Wir alle haben schon Storys gesehen, gelesen oder gehört, die uns vom spontanen Sex erzählen – nicht aber unbedingt von der sich langsam aufbauenden Lust. Vorspiel wird nur selten dargestellt, und kaum irgendwo in der Popkultur braucht jemand „Hilfe“ oder Motivation, um in die richtige Stimmung für Sex zu kommen.
Diese fehlende Stimmung äußert sich auf unseren Bildschirmen stattdessen meistens in einer anderen, stereotypischen Form – als Langzeitbeziehung, in der ein:e Partner:in „nicht in Stimmung“ ist. Weil uns das so oft als Anzeichen einer kaputten Beziehung vermittelt wird, ist es kaum verwunderlich, dass sich viele von uns Druck machen, jederzeit und überall Lust auf Sex haben zu müssen – und sich fragen, wieso sich das nicht einfach so anfühlt, als müsse man nur einen inneren Schalter umlegen.
Wir sollten hierbei auch erwähnen, dass diese verschiedenen Arten von Lust oft als genderabhängig präsentiert werden. Obwohl sich Lust (noch) nicht wissenschaftlich messen lässt, gibt es laut Emily Nagoski, der Autorin von Komm, wie du willst: Das neue Frauen-Sex-Buch, doch Untersuchungen, die vermuten, dass die reagierende Lust für etwa 30 Prozent aller Frauen der primäre Lust-Stil sei. In einem Artikel über das Konzept der Lust erklärt Nagoski außerdem, dass das spontane Verlangen in unserer Gesellschaft so aktiv als die „Norm“ dargestellt wird, obwohl viele Leute erst nach dem Lustempfinden das Verlangen nach Sex haben (sprich: reagierende Lust). Das bedeutet, dass du nicht „kaputt“ bist, bloß weil du keine spontane Lust empfindest. Die Intensität deines Verlangens ist auch kein Indikator für deine sexuelle Gesundheit.
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Wie vereinbart man verschiedene Arten von Lust in einer Beziehung?
Lass uns nochmal zu der Klischee-Filmszene zurückkommen, die wir oben erwähnt haben – in der ein:e Partner:in nicht in der richtigen Stimmung ist. Was ist, wenn es nach diesem Geständnis zwischen beiden zu einem offenen Gespräch käme, in dem sie darüber reden, wie sich die Stimmung aufbauen ließe? (Vielleicht nicht genau dann, sondern in der Zukunft.) Was, wenn es nicht als Problem gewertet würde, wenn jemand nicht in der richtigen Stimmung ist, sondern als etwas völlig Normales?
Innerhalb einer Beziehung ist es nämlich laut Grace ganz normal, dass es zu dieser „Lust-Differenz“ kommt, wie sie sagt. In ihren Therapiesitzungen spricht sie mit vielen Paaren mit verschiedenen Lust-Stilen; dabei empfindet eine Person beispielsweise mehr spontanes Verlangen, während die andere erst einen Reiz braucht, um Lust zu bekommen.
Wenn es auch dir innerhalb deiner Beziehung so geht, empfiehlt Grace, das Ganze nicht als Problem der stärkeren oder schwächeren Libido zu betrachten, sondern zu verstehen, dass ihr euer Verlangen einfach unterschiedlich wahrnehmt.
Vielleicht bekommt die Person mit reagierender Lust nicht genug Reize, um Lust auf Sex zu entwickeln; in diesen Fällen arbeitet Grace mit ihnen an ihren sogenannten „Brems-“ und „Gaspedalen“.
Manche Leute reagieren nämlich besonders empfindlich auf diese „Bremsen“ – die Trigger, die uns das Gefühl geben, Sex sei gerade keine gute Idee, und wegen der wir uns Gründe dafür ausdenken, jetzt keine Lust zu entwickeln. Dabei kann es sich um Stress, Sorgen, Erschöpfung oder auch allgemeinere gesellschaftliche oder kulturelle Dinge handeln. Die „Gaspedale“ hingegen sind die Trigger, die dich anmachen. Das können zum Beispiel ein bestimmter Geruch, eine Situation oder ein sexueller Akt sein.
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Grace zufolge ist es entscheidend, daran zu arbeiten, dir deiner eigenen „Brems-“ und „Gaspedale“ bewusster zu werden und zu lernen, die Bremsen möglichst abzubauen und die Gaspedale zu verstärken. 
Am wichtigsten ist aber die Erkenntnis, dass es in Sachen Lust kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Wir müssen nicht immer und überall Lust auf Sex haben – und wenn wir es doch tun, ist das auch okay. Überlege dir, wie du persönlich dein Verlangen wahrnimmst. Und tu dann genau das, was für dich und deine Beziehung funktioniert.
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