Ich bin kein Fan von Stereotypen – nie gewesen. Schon als Kind wurde mir beigebracht: Man liebt nicht ein Geschlecht, sondern den Menschen. Nur weil jemand tolle Klamotten hat, ist er nicht besser als andere und nicht alle Streber tragen eine Brille. Meine Eltern haben seit jeher Wert darauf gelegt, dass ich nicht zu oberflächlich bin. Natürlich schleichen sich über die Jahre Denkweisen und Klischees ein, bei denen man sich selbst ertappt, plötzlich stockt und sich fragt, wie komme ich eigentlich darauf?
Wir alle wissen: Es gibt jede Menge Stereotypen in unserem Alltag, ob wir wollen oder nicht – und die meisten davon verstehe ich nicht. Zwei, die ich nie verstanden habe, sind die typische lesbische Frau und der typische schwule Mann, zumindest so wie ein Großteil der Gesellschaft sie beschreibt.
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Es gibt leider noch immer genug Menschen – tendenziell Männer –, die Schwule ekelhaft finden und Lesben geil. Denen in dem Kontext Sprüche einfallen wie „Bah, der soll mich aber nicht anbaggern“ oder „Geil, kannst du mal mit 'ner Frau rummachen?“. Über die pikieren sich zum Glück viele und gerade das weibliche Geschlecht schreit plakativ „Wie intolerant seid ihr denn, ihr Machos?“.
Da bleibt mir zu sagen: Wer eine reine Weste hat, der werfe den ersten Stein. Auch auf Frauenseite hat sich ein Stereotyp still und heimlich ins Unterbewusstsein geschlichen und seinen Kreuzzug in den Alltag angekündigt. Der schwule beste Freund. In meinem Freundeskreis in Berlin aber auch in meiner Heimat Düsseldorf habe ich mehrere homosexuelle Männer im Freundeskreis. Mit vielen von ihnen bin ich eng befreundet und mit den meisten auch schon sehr lange. Mit einigen sogar schon so lange, dass ich zu Beginn unserer Freundschaft gar nichts von ihrer sexuellen Orientierung wusste. Und als ich es dann wusste, hat es nichts geändert, weil wir Freunde waren und sind, einfach so.
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Homosexuelle Menschen sind kein Lifestyle-Accessoire und nichts, womit man sich schmückt.
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Ich weiß aber um Reaktionen aus unserem Umfeld: Wenn in einem Gespräch mit einer anderen Frau rauskommt, dass einer meiner engen Freunde schwul ist, dann höre ich oft so etwas wie „Oh mein Gott, ich wollte schon immer einen schwulen besten Freund haben“ oder „Wie cool ist das denn?!“. Ähm, eigentlich genauso cool wie Heterofreunde zu haben. Tendenziell ist es mir nämlich ziemlich schnuppe, was meine Freunde in ihren Betten machen oder wen sie lieben. Dennoch weiß ich auch von betreffenden Männern, dass sie häufig mit solchen Äußerungen
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bedacht werden. Ich habe nie verstanden wieso. Ja, es kann passieren, dass ich mich ungezwungen vor einem meiner Freunde umziehe vor der nächsten Party. Oder dass wir Sekt trinken und shoppen gehen. Weil es ein langjähriger Freund ist und ich ihm vertraue oder er halt Mode interessant findet; nicht weil er auf Männer steht. Frauen, die so etwas sagen, sind tendenziell keine engen Freundinnen von mir, sondern Kolleginnen, Partybekanntschaften oder so Menschen, die man um 100 Ecken kennt. Für die ist der gute Freund ab dem Punkt nicht mehr Mann mit dem Namen xy, sondern schwulerbesterfreund. Als sei das ein Eigenbegriff, der die Identität der Person komplett aushebelt. Ab diesem Zeitpunkt wird die Person auch nur noch mit dieser Begrifflichkeit vorgestellt. Das ist mein schwulerbesterfreund. Kann ich meinen schwulenbestenfreund mitbringen? Ey, du bist homosexuell? Ich muss dir unbedingt meinen schwulenbestenfreund vorstellen!
Es gibt Frauenmagazine, die titeln „Warum es toll ist, einen schwulen besten Freund zu haben“. Die zeigen dann die Benefits auf, wie dass er der perfekte Shoppingberater ist und man mit ihm durchfeiern, Popmusik hören und zu Prickelwasser Serien schauen kann. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass das gemachter Blödsinn ist. Wenn das der Fall ist, dann hat das nicht mit seiner sexuellen Gesinnung zu tun, sondern mit der Art Mensch, die er ist. Homosexuelle Menschen sind kein Lifestyle-Accessoire und nichts, womit man sich schmückt. Sie sind Freunde wie jeder andere auch. Es ist schon ein Graus andauernd diese Wortkombination schwulerbesterfreund zu nutzen. Wieso nicht einfach bester Freund? Man sagt doch auch nicht, das hier ist mein heterosexueller bester Freund.
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Vielleicht hat das auch mit dem Alter zu tun. Ich kann mich erinnern, dass ich Anfang 20 auch mal eine gute Bekanntschaft hatte, bei der dieser Ausdruck gefallen ist. Wenn wir uns gesehen haben, haben wir ganz grausam grell gekreischt und sind uns regelmäßig übertrieben künstlich um den Hals gefallen. Unter anderem auch deshalb, weil diese Person ihre Rolle perfekt gespielt hat. Aber auch das lag mit Sicherheit an der individuellen Persönlichkeit und nicht an der sexuellen Gesinnung.
Spannend wird es ja vor allem, wenn im Freundeskreis eine lesbische Frau existiert. Die bekommt im Gegensatz zum homosexuellen Mann (für den es einige meiner Ansicht nach degradierende Hashtags wie #gaybestie oder #gaybestfriend gibt) eher den Stempel Mannsweib verpasst. Da hat dann die ein oder andere Frau plötzlich Schiss, angebaggert zu werden – oft auch noch die, die regelmäßig besoffen mit ihrer besten Freundin rummacht. Auch sie wird in eine Schublade gesteckt, nur ist die leider häufig nicht so positiv besetzt wie die schwulerbesterfreund-Schublade. Als wäre ein Outing als homosexuelle Frau Anlass dazu, sie abzuschreiben oder maximal auszufragen, wie der Sex mit einer anderen Frau eigentlich ist und das Outing eines homosexuellen Mannes Anlass, rosa Konfetti zu werfen, ihm ein Glas Prosecco in die Hand zu drücken und schnell Desperate Housewives anzumachen. Wir müssen aufhören mit solchen Klischees und Stereotypen, weil sie dumm sind, nicht fair, degradierend und Menschen in unserem Umfeld auf etwas reduzieren, was nur ein Teil ihres Lebens ist. Noch dazu einer, der uns schlichtweg nichts angeht.
Und ja, sicher haben wir solche Klischees auch Serien wie Sex and the City zu verdanken, in denen Carry und ihr Bestie Stanford Luftküsse austauschen, Outfits aussuchen und über Männer und ihr bestes Stück lästern. Aber hey, wann war SATC noch mal neu und spannend? Genau, gedreht wurde die Skandalserie 1998 bis 2004. Da wussten wir alle noch ein bisschen weniger und waren ein bisschen jünger. Da war sie halt noch ein Skandal und man hat gekichert, wenn Samantha laut „Schwanz“ gesagt hat. Ich möchte behaupten, die Zeiten sind vorbei.
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