Gerade zu Beginn einer Beziehung kann es sich anfühlen, als müsstest du besonders vorsichtig und sorgsam überlegen, welche Informationen du deinem Partner bzw. deiner Partnerin über dich verrätst, und wann. Das gilt insbesondere für die sexuelle Gesundheit – denn obwohl dein:e Partner:in sicher nicht genau erfahren muss, wie oft du schon eine Vaginose oder einen Scheidenpilz hattest, sollte er:sie vielleicht doch über eine eventuelle Geschlechtskrankheit Bescheid wissen.
Wenn du selbst eine STI (sexuell übertragbare Infektion) hast, ist es deine Verantwortung, deinen Partner:innen vor dem Sex davon zu erzählen, findet die Sextherapeutin und -pädagogin Kristen Lilla. So kann er:sie eine informierte Entscheidung dazu treffen, wie es jetzt für euch sexuell weitergeht. „Du bist nicht gesetzlich dazu gezwungen, über deine Krankheit zu sprechen – ethisch gesehen solltest du es aber tun, deiner eigenen Gesundheit und der deines Gegenübers zuliebe“, meint sie.
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Abgesehen davon hat aber natürlich niemand das Recht, dich für deinen ehemaligen oder jetzigen STI-Status zu verurteilen. Bloß, weil es wichtig ist, darüber zu sprechen, heißt das nicht, dass dein:e Partner:in dir dafür einen Vorwurf machen darf. Jeden Tag stecken sich laut der Weltgesundheitshorganisation (WHO) mehr als eine Million Menschen mit Geschlechtskrankheiten an – es gibt also keinen Grund dafür, dich für deine Infektion rechtfertigen oder entschuldigen zu müssen, betont Lilla.
Du willst deine Krankheit also erwähnen. Cool! Den richtigen Zeitpunkt für dieses Gespräch gibt es aber leider nicht, weil sich jede Beziehung unterschiedlich schnell entwickelt; du solltest das Thema aber unbedingt vor dem Sex anstoßen, empfiehlt Lilla. „Manche Menschen führen dieses Gespräch am liebsten direkt, wenn sie jemanden zu daten anfangen, weil sie vielleicht nicht mit jemandem zusammen sein können, der:die sie für die STI verurteilt“, erklärt sie. „Andere wiederum schlagen sich wegen ihrer Krankheit vielleicht mit Scham- oder Schuldgefühlen rum, weswegen sie lieber mit dem Gespräch warten, bis sie jemanden wirklich gut kennen und das nötige Vertrauen zu ihm:ihr aufgebaut haben.“ Wenn du mit dem Thema aber bis nach dem Sex wartest, fühlt sich dein:e Partner:in womöglich hintergangen, warnt Lilla. Obwohl du dich vielleicht beim Sex wohl und sicher fühlst, weil ihr mit einem Kondom als Barrieremethode verhütet und somit das Risiko einer STI-Übertragung reduziert, ginge es deinem:deiner Partner:in vielleicht nicht so – und das ist auch völlig okay. Diese individuellen Grenzen solltet ihr aber in einem sexpositiven und schamfreien Gespräch vorher abklären.
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Wenn dich jemand für eine STI verurteilt, verdienst du Besseres – jemanden, der:die es nicht tut.
Kristen Lilla
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So, und wie sollte dieses Gespräch nun aussehen? Überlege dir eine Zeit und einen Ort, sodass ihr euch dabei beide möglichst ruhig und wohl fühlen könnt – am besten außerhalb des Schlafzimmers, empfiehlt Lilla. „Wenn du dich damit wohl fühlst, ist es okay, wenn du direkt erzählst, wie du selbst mit deinem STI-Status klarkommst“, sagt sie. Du könntest zum Beispiel so anfangen: „Ich mag dich echt gerne, deswegen fällt es mir schwer, darüber zu sprechen“, rät Lilla. Oder: „Ich weiß, dass manche Leute große Angst vor Geschlechtskrankheiten haben. Trotzdem schäme ich mich nicht für meinen Status.“ „Es kann außerdem helfen, wenn du deinem Gegenüber erklärst, ob du Medikamente nimmst oder nicht. Außerdem solltest du ihm oder ihr die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen“, sagt Lilla. Wie du dir die Geschlechtskrankheit eingefangen hast, musst du nicht erzählen – du solltest du dich aber darauf einstellen, jede spezifische Frage zur Krankheit an sich beantworten zu können. Dazu gehört auch die Frage, wie das Übertragungsrisiko aussieht.
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Die Details dieses Gesprächs hängen natürlich von den Betroffenen und der spezifischen Krankheit ab. Wenn du eine bakterielle Infektion (wie Chlamydien) hast, ist es vermutlich ein ganz anderes Gespräch als eines über eine virale Erkrankung (wie Herpes), erklärt Lilla. Das liegt daran, dass eine dieser Krankheiten, nämlich die bakterielle, relativ simpel mit Antibiotika behandelbar ist – die andere nicht. Wenn du dich gegen eine STI hast behandeln lassen, solltest du etwas sagen wie: „Ich finde es wichtig, ehrlich zu sein – deswegen möchte ich dir sagen, dass ich letzten Monat auf STIs untersucht wurde und dabei Chlamydien festgestellt wurden. Ich habe Medikamente bekommen und bin nicht mehr krank. Das hat mir aber gezeigt, wie verbreitet und heimtückisch Geschlechtskrankheiten sein können. Wurdest du schon mal getestet?“ Jede STI ist anders, deswegen sieht deine Erzählung vermutlich etwas anders aus – vielen Leuten hilft es aber dabei, über die Krankheit zu sprechen, wenn sie bei der Diagnose anfangen.
Das alles hört sich leichter an, als es tatsächlich ist, weil das Thema doch recht schwierig sein kann, selbst gegenüber vertrauten Menschen. Leider sind vielen diese Krankheiten sehr peinlich, weil sie gesellschaftlich stark stigmatisiert werden. Solange du aber ehrlich bist, kannst du nichts falsch machen – und nochmal: Niemand sollte dir für deine Krankheit ein schlechtes Gewissen machen. „Wenn dich jemand für eine STI verurteilt, verdienst du Besseres – jemanden, der:die es nicht tut“, meint Lilla.
Letztlich ist es deine Pflicht, deine:n Partner:in über alles zu informieren, was er:sie über deinen jetzigen STI-Status wissen sollte, um eine informierte Entscheidung treffen zu können. Und wenn du das Thema ansprichst, bevor ihr Sex hattet, hast du die Person schließlich auch noch keinem Risiko ausgesetzt und musst dich demnach für gar nichts entschuldigen. „Es ist wichtig, dass ihr dann darüber sprecht, wie ihr so sexuell intim werden könnt, dass ihr euch dabei beide wohl und sicher fühlt“, betont Lilla.
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