Der Begriff „sexpositiv“ ist zugegeben ein etwas unglücklich gewählter Terminus, klingt er doch irgendwie nach der traurigen Notwendigkeit, die eigentlich schönste Sache der Welt von einem vermeintlich schlechten Ruf befreien zu müssen. Dabei ist Sex ja keineswegs etwas Negatives und wird auch längst nicht mehr als solches propagiert. Was mittlerweile jedoch selbstverständlicher Bestandteil unseres Bildungssystems und Alltags ist, fand vor einem halben Jahrhundert noch zurückgezogen nur im bescheidenen eigenen Kämmerlein und unter großer Heimlichtuerei statt. Getan haben Mann wie Frau es natürlich schon immer, nur offen darüber gesprochen wurde eben nicht. Aber Zeiten ändern sich und so ist heute ziemlich en vogue, was lange im „öffentlichen Raum“ keinen Platz fand – (sexuelle) Freizügigkeit als Erbe der sexuellen Revolution und Wesen des 21. Jahrhunderts!
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Das schlägt sich allerdings mit einem anderen Zeitgeist-Phänomen, das seinesgleichen derzeit ebenfalls ganz schön en vogue ist: dem Feminismus, der als gesellschaftliche Bewegung die Gleichberechtigung der Frau in allen Lebensbereichen anstrebt. Das Problem: So ganz klar ist die Definition in Bezug auf „alle Lebenslagen“ leider nicht. Zumindest beim Thema „Sex" gehen die Meinungen dazu weit auseinander. Warum eigentlich? Gehört sexuelle Freiheit nicht per se zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen? Und lautet nicht auch hier die Devise: Was für Männer gilt, sollte auch für Frauen selbstverständlich sein? Dass sich die Bewegung in zwei Lager teilt, zeigt auf, wie kompliziert die Debatte ist. Während der Feminismus unter der Schirmherrschaft von Grand Dame Alice Schwarzer Pornos noch als Mittel der Unterdrückung und Erniedrigung verteufelte (öffentlich geführt in Form der PorNo-Kampagne, die bis zum angestrebten Porno-Verbot reichte), haben die meisten Frauen heute kein Problem mehr damit, öffentlich zu ihren sexuellen Bedürfnissen zu stehen, diese einzufordern und gegebenenfalls sogar zur Schau zu stellen. Im Gegenteil: Offen über Wünsche zu sprechen zeugt von einem neuen, weiblichen Selbstbewusstsein, das auf Instagram unter Hashtags wie #orgasmsmatter und #sexmatters stattfindet. Davor kann natürlich auch der Feminismus nicht die Augen verschließen und nimmt die sexuelle Selbstbestimmung kurzerhand ins Programm auf – nicht dagegen wettern oder gar verbieten, sondern selber und besser machen ist die Devise. Der perfekte Nährboden für ordentlich Zoff, der seitdem – bekannt als Feminist Sex War – nun schon fast drei Jahrzehnte andauert!
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Offen über Wünsche zu sprechen zeugt von einem neuen, weiblichen Selbstbewusstsein, das auf Instagram unter Hashtags wie #orgasmsmatter und #sexmatters stattfindet.
Stephanie Johne
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Dabei ist die sexpositive, feministische Bewegung seit den 80er-Jahren die Antwort auf ihre anti-pornografisch orientierte Kollegin. In Zeiten individueller weiblicher Selbstermächtigung – vor allem im Bett – irgendwie nur eine logische Konsequenz. Dass Sex heutzutage überhaupt einer Regeneration bedarf, ist der Branche der Pornografie verschuldet, deren Rahmenbedingungen vor allem für Frauen noch immer denkbar schlecht sind; Gewalt sowie hierarchische und ausbeuterische Verhältnisse stehen unverändert auf der Tagesordnung. Dennoch bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Denn es gibt sie – die freiwillige Prostitution. Und nein, Sexarbeit ist nicht automatisch fremdbestimmt. Auch wenn die Mainstream-Pornografie noch immer in den Händen von Männern ist, manifestiert sich auch hier die neue sexuelle Freizügigkeit der Frau – in Form eines feministischen Porno-Genres, das unter anderem Kriterien wie die sexpositive Darstellung weiblicher Lust, das Aufzeigen vielfältiger sexueller Ausdrucksweisen und die maßgebliche Mitwirkung von Frauen bei der Filmproduktion vorsieht. In Deutschland werden diese regelmäßig im Rahmen der feministischen Porn-Awards PorYes gekürt. Bedient wird die Branche von Frauen wie Emilie Jouvet, Catherine Breillat oder Erika Lust, die fernab des altbekannten Schmuddelkinos nicht erst seit gestern neue Maßstäbe setzen.
Schade, dass der Diskurs überhaupt noch Gehör finden muss und der Feminismus so vehement an seiner Positionierung „entweder…oder…“ festhält! Dabei wäre es doch gerade bei so intimer Angelegenheit wie beim Sex wichtig, die überholte patriarchalische Kontrolle in unserer Gesellschaft aufzudecken und abzuschaffen. Denn am Ende ist schließlich nur eine selbstbestimmte Sexkultur in der Lage, sich souverän gegen Missbrauch und Bevormundung zu behaupten. Meiner Meinung nach gehört sexuelle Freiheit und Unabhängigkeit als grundlegender Bestandteil aller weiblichen Bestrebungen nach Gleichberechtigung unbedingt zu einem festen, feministischen Programm – insofern die Rahmenbedingungen stimmen, versteht sich! Dass im 21. Jahrhundert ein Ableger des Feminismus existiert, der das Gegenteil glaubt und propagiert, finde ich höchst fragwürdig (sorry, Alice!). Auch wenn wir damit von unserem eigentlichen Ziel noch sehr weit entfernt sind, wollen wir dennoch (sex)positiv denken und hoffen, dass sexuelle Freizügigkeit auch für Frauen ganz schnell ganz selbstverständlich ist!
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