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Struggles einer Singlefrau: Wie mich mein Couchtisch fast umbrachte

Mein neuer Beistelltisch ist 120 cm breit und 47 cm hoch. Man ersteht ihn für sagenhafte 160 Euro in einem flachen Karton und muss ihn selber aufbauen. Neulich habe ich ihn in meine Wohnung im fünften Stock getragen. Alleine. Er wiegt 24 Kilogramm.
Als ich noch in meinen Zwanzigern war, war irgendwie alles leichter. Um über einen Kater hinwegzukommen, brauchte ich nur eine ordentliche Portion Nudeln mit Käse und ständig waren jede Menge Menschen in meiner Nähe. Mitbewohner*innen zum Beispiel und Freund*innen, die einfach so mal vorbeischauten, weil sie in der Gegend waren. Das Praktische war, dass sie auch immer zur Stelle waren, wenn ich eine helfende Hand brauchte. Leider haben sich diese Leute nach und nach alle in Zweierpaaren zusammengefunden und dann auch noch das Bedürfnis gehabt, sich zu vermehren. Auf einmal hatte keine*r mehr Zeit, einfach mal so vorbeizuschauen. Wenn du schon mal mit einer verheirateten Freundin vier Wochen im Voraus einen Termin zum Abendessen vereinbart hast, weißt du, dass ihr jetzt leider erwachsen seid. Ich bin jetzt in meinen Dreißigern und single. Mich mit angenehmen Menschen und schönen Möbeln zu umgeben, ist zu einer echten Aufgabe geworden.
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Der Mitarbeiter, der den Karton mit meinem Tisch darin aus dem Lagerraum wuchtete, schaute mich zweifelnd an und sagte: „Und wie wollen Sie den jetzt nach Hause bekommen?“ „Das krieg ich schon hin“, antwortete ich. Und das muss ich auch: Ich bin seit zehn Jahren single und ich habe gelernt, alles hinzukriegen. Ich bin mittlerweile sehr effizient.
Bei der Wohnungsbesichtigung hatte der Makler mir versprochen, ich würde mich schon an die Treppen in den fünften Stock gewöhnen. Um diesen Tisch sicher in meine Wohnung zu bekommen, musste ich ihn allein kraft meines Willens Stufe für Stufe 48 mal hochrollen, denn ich konnte ihn nicht einen Zentimeter vom Boden anheben. Ich nahm ein Taxi vom Laden bis nach Hause. Danach war ich auf mich allein gestellt. Übrigens wohne ich jetzt seit sechs Jahren in dem Haus und habe mich nie an die blöden Treppen gewöhnt.
Den Weg bis hoch in die erste Etage nutze ich, um jede Menge Schiebe- und Zugpositionen auszuprobieren. Jetzt weiß ich, dass ich dafür Handschuhe hätte nutzen sollen, aber gut. Unbehandschuht schob und zog ich den Koloss Stufe um Stufe nach oben, um eine geeignete Vorgehensweise zu finden. Die Stimme meiner Mutter kam mir in den Sinn. In meinem Kopf fragte sie mich, wieso nicht einer meiner Nachbarn in den Flur trat und mich fragte, ob er mir helfen könne. Meine imaginäre Antwort war, dass es sich bei meinen Nachbarn allesamt um seltsame Klabautermänner handelt, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe und die verdammt nochmal in ihren dunklen Höhlen bleiben sollen. Taten sie zum Glück auch.
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Das zweite Stockwerk versuchte ich zu bewältigen, indem ich mich unter den Karton platzierte und versuchte, ihn nordwärts wie ein Rad die Treppe hochzudrehen. Das war ganz schön anstrengend, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch Hoffnung. Und einen Restfunken Verstand, der mir sagte, dass es jetzt an der Zeit wäre, meinen Mantel und meine Handtasche vielleicht mal abzulegen.
Als ich vollkommen verschwitzt bei der dritten Etage angekommen war, fing ich an, an mir zu zweifeln. Dieser Karton war riesig und schwer und mich verließ langsam der Mut. Die Realität klatschte mir ins Gesicht. Wieso war eigentlich kein Mann da, um mir zu helfen? Und was sagte es über meinen feministischen Entwicklungsstand aus, dass mir dieser Gedanke genau jetzt kam? Da ich kurz davor stand, von einem Möbelstück erschlagen zu werden, entschloss ich mich, nicht allzu streng zu mir zu sein. Aber trotzdem: Andere Leute haben Menschen in ihrem Leben, die sie so sehr lieben, dass sie körperliche Arbeit für sie verrichten. Wieso ich nicht? Bei meinem Nachttisch und meinem Küchenregal war es auch schon so gewesen! (Offensichtlich befand ich mich in einer Lebensphase, in der ich meine Wohnung verschönern wollte, um mich selbst zu bestrafen.) Auf dem Weg durch die dritte Etage begann die Traurigkeit einzusetzen. Die Art von Traurigkeit, die einem desolate Gedanken durch den Kopf schießen lässt. Kurz wünschte ich mir, ich hätte damals einfach irgendwen von der High School geheiratet.

Auf dem Weg durch die dritte Etage begann die Traurigkeit einzusetzen. Kurz wünschte ich mir, ich hätte damals einfach irgendwen von der High School geheiratet.

Zum Glück setzte in Stockwerk vier ein Ratgeber ein, auf den ich mich schon mein ganzes Leben verlassen konnte: die Wut. Dieser Beistelltisch würde mich nicht fertigmachen! Ich habe das große Staatexamen in Jura und drei Umzüge quer durch das gesamte Land in einem Honda Civic hinter mir. Da werde ich ja wohl einen Tisch in meine Wohnung bekommen. An dieser Stelle werde ich nicht ins Detail gehen, mit welcher Technik ich das Möbelstück schlussendlich hoch in meine Wohnung bekam. Sagen wir einfach, ich hatte später einige blaue Flecken.
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Endlich angekommen, zitterten meine Arme vor Anstrengung und ich wäre bereit gewesen, den nächsten Typen, den ich bei Tinder nach rechts wische, zu heiraten. Nachdem ich den Karton in mein Wohnzimmer geschoben hatte, musste ich feststellen, dass dort noch der alte Beistelltisch stand. Eventuell habe ich da angefangen, zu weinen.
Die Wahrheit ist, dass du, wenn du über dreißig bist und Hilfe benötigst, jemanden engagieren musst. All die Freund*innen und Typen, mit denen ich so ein bisschen was gehabt hatte und die mir früher alle gerne für eine Pizza und ein kühles Bier unter die Arme gegriffen hatte, waren irgendwie mit der Zeit verschwunden. Ich hatte in der Zwischenzeit genug Horrorgeschichten über psychopathische Handwerker gehört, die sich an alleinstehenden Frauen vergriffen, dass ich jedes Mal, wenn die Männer wieder aus meiner Wohnung verschwanden, überrascht war, noch am Leben zu sein.
Wieso mache ich mir das Leben so schwer? Warum bin ich nicht Teil eines Teams? Klar könnte ich Freunde anrufen und um Hilfe bitten, aber das bedeutet auch, meine Zeit und Bedürfnisse rund um die Termine und die Lust anderer Leute zu planen. Und ich werde wütend, wenn ich nicht einfach das, was ich erledigen will, erledigt bekomme, wenn ich es will. Pärchen können einfach schnell in die Wohnung reinrufen: „Schatz, kannst du mal bitte kurz kommen?“ und schon eilt Hilfe herbei. Diese Arschlöcher.
Ich bin so lange single, dass ich mich schon lange nicht mehr auf andere Leute verlasse. Ich habe gelernt, meine Sachen allein zu regeln. Ich schneide meinen Pony selbst, backe mein eigenes Brot, habe mir neulich so ein UV-Gerät geholt, um mir meine Gelnägel allein zu machen und könnte diese Liste noch beliebig lange fortführen. Falls nie wieder jemand da sein wird, brauche ich auch niemanden. #Lifehack. Trotzdem frage ich mich gar nicht so selten, ob diese Selbstgenügsamkeit dazu führt, dass ich niemals wieder irgendeine Hilfe von wem auch immer annehmen kann. Wie soll ich auf einmal von „Ich kriege das schon allein geregelt“ zu „Wir sind ein Team“ umswitchen, sollte ich doch mal einen Partner kennenlernen?
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Wie soll ich auf einmal von „Ich kriege das schon allein geregelt“ zu „Wir sind ein Team“ umswitchen, sollte ich doch mal einen Partner kennenlernen?

Am Ende habe ich den alten Beistelltisch entsorgt, den riesigen Karton zerkleinert und recycelt und meinen neuen Tisch zusammengebaut und dekoriert. Am Abend lagen meine Füße mitsamt meiner Katze auf der nagelneuen Tischplatte. Meine Angst, Traurigkeit und das generelle Gefühl „außen vor“ zu sein, verschwand (wenigstens für einige Zeit) und wurden von einer anderen Emotion ersetzt, die Singles auf der ganzen Welt ein warmes Gefühl in der Magengrube verschafft: Das Gefühl, es vollbracht zu haben.
Alltägliche Aufgaben zu bewältigen ist als Single zwar schwieriger, als wenn man Teil eines Paares ist, aber es ist sicher nicht unmöglich. Ich muss mich nicht hilflos fühlen, nur weil mir niemand hilft. Ich helfe mir selber. Ich kann die Welt um mich herum im wahrsten Sinne des Wortes selbst gestalten. Mit diesem Gedanken kann ich weitaus besser leben als mit hässlichen Möbeln. Und wie ich es schaffe, das nächste Mal einfach jemanden darum zu bitten, mit mir zusammen den Karton das Treppenhaus hochzutragen, darüber sprechen wir ein andermal.

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