Slow Sex ist, anders als ein Blowjob, ein Konzept, das genau das beinhaltet, was es verspricht. Dabei geht es darum, dass du und dein*e Partner*in alle Berührungen und Liebkosungen vor, während und nach dem Sex einen Gang langsamer als üblich austauscht. Das führt dazu, dass ihr beide mehr im Moment seid und all die Sinneseindrücke während eurer gemeinsamen Zeit bewusster genießen könnt. Das Ziel ist, den Sex von Anfang bis Ende zu einem genussvollen Erlebnis zu machen, anstelle einfach nur dem nächsten Orgasmus hinterherzujagen. Die Wurzeln des Konzepts Slow Sex liegen im Tantra und der sogenannten Orgasmic Meditation. Bevor wir es jetzt aber komplizierter machen, als es eigentlich ist: Tatsächlich geht es beim Slow Sex im Grunde nur darum, während des Liebesspiels eine stärkere Verbindung zu dir selbst und deine*r Partner*in zu spüren. Wir haben die Sexualtherapeutinnen Rena McDaniel und Vanessa Marin gefragt, was genau hinter dem neuen Sextrend steckt.
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Warum ist Slow Sex so gut?
Für Sexualtherapeutin Vanessa Marin ist Slow Sex der Gegenentwurf zu unserem hektischen Alltag. „Wir machen den ganzen Tag mehrere Dinge gleichzeitig und versuchen, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit abzuarbeiten. Ich glaube, dass diese Denke auch im Sexleben vieler Leute angekommen ist. Wenn du den Rest deines Tages durchtaktest, wieso solltest du dann im Schlafzimmer den Schalter auf einmal umlegen?“ Wenn du dann noch versuchst, im Bett zu multitasken, stehen die Chancen auf ein sexuelles Erlebnis, bei dem du vollkommen im Moment bist, ungefähr bei Null. Dabei ist es völlig normal, dass du beim Sex auch mal an was anderes denkst als an euer Liebesspiel. Diese Gedanken solltest du aber auch wieder ziehen lassen und dich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Denn egal ob dir der Haufen ungewaschener Wäsche oder das Meeting am nächsten Tag während des Sex konstant durch den Kopf geistern, beides wird wohl nicht dazu führen, dass du zum Orgasmus kommst. „Wenn du dabei an stressige Sachen denkst, wirst du einfach nicht zum Höhepunkt kommen.“, sagt Marin.
Dabei ist sich ausreichend Zeit für Sex zu nehmen vor allem für Frauen von großer Bedeutung. Während manche Studien davon ausgehen, dass die durchschnittliche Frau in zwanzig Minuten zum Orgasmus kommt, sagt Rena McDaniel, dass sie eher von vierzig Minuten ausgeht. Um das in ein Verhältnis zu setzen: Männer brauchen in der Regel vier Minuten zum Höhepunkt. Es lohnt sich jedoch, sich nicht nach deine*r Partner*in zu richten, sondern deinem Körper die Zeit zu schenken, vollkommen erregt und feucht zu werden. McDaniel erklärt: „Das weitet alle Sinne und macht das ganze Erlebnis einfach so viel besser. Mehr Erregung, intensivere Sinneswahrnehmungen, sensiblere Körperstellen, bessere Orgasmen, eine größere Verbindung zu deinem eigenen Körper und dem deine*r Partner*in.“
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Besonders für Frauen, die normalerweise Probleme haben, zum Höhepunkt zu kommen, ist Slow Sex interessant. Denn das Ziel beim Slow Sex ist eben nicht der Orgasmus, sondern vielmehr, sich währenddessen gut zu fühlen. Indem du darauf achtest, wie sich jede Geste und jede Berührung anfühlt, wird dein Erlebnis automatisch intensiver. Wenn du dich also selber stresst, weil du glaubst, keinen Orgasmus bekommen zu können, kann dir diese Herangehensweise helfen, den Druck zu minimieren, zu entspannen und dich einfach hinzugeben. „Ich sage immer: ‚Genuss bereitet den Weg zum Orgasmus’. Indem du während der intimen Zeit mit deine*r Partner*in Freude und Lust empfindest, kommst du ganz automatisch zum Höhepunkt. Orgasmen kommen nicht einfach plötzlich aus dem Nirgendwo und überraschen dich, sie sind ein Teil der gesamten Erfahrung“, fügt Marin hinzu.
Wie geht Slow Sex?
Wenn du gerne mal Slow Sex ausprobieren möchtest, ist es gar nicht so schwer, anzufangen. Therapeutin Marin empfiehlt, dass du dich im Allgemeinen mit dem Achtsamkeitskonzept beschäftigst, bevor du es ins Schlafzimmer überträgst. Wenn du dich dann bereit fühlst, gibt es mehrere Möglichkeiten. Rena McDaniel schlägt zum Beispiel eine sexy Challenge vor. Eine*r von euch berührt den anderen zwanzig Minuten lang. Die oder der Berührte darf jedoch nicht zum Orgasmus kommen, bis die Zeit abgelaufen ist. „Hier geht es nicht nur um Empfindungen und den Höhepunkt, sondern auch um Macht. Das finden die meisten Menschen sexy.“
Eine andere Möglichkeit, Slow Sex auszuprobieren, ist, alle fünf Sinne anzusprechen. Sehen und Schmecken verstehen sich ja für die meisten beim Sex von selbst, aber was ist eigentlich mit den anderen drei? Turnen dich vielleicht verschiedene Geräusche im Raum an? Hast du irgendwelchen Utensilien, die du in die Kühltruhe packen kannst, um dann mit Temperatur und Oberflächenstruktur auf der Haut zu spielen? Nimm dir ein wenig Zeit, verschiedene Dinge auszuprobieren, um deine Sinne zu schärfen und herauszufinden, was sich für dich aufregend anfühlt.
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Keine Sorge, wenn dir Slow Sex zunächst schwerfällt
Beide Sexualtherapeutinnen sagen, dass das letzte, was du in Bezug auf Slow Sex spüren solltest, Stress ist. Mach dich nicht fertig, wenn du das Gefühl hast, dass deine Gedanken während einer Session abschweifen. „Immer 100 Prozent konzentriert und im Moment zu sein, ist unmöglich. So funktioniert unser Gehirn einfach nicht“, erklärt Marin. Wenn du merkst, wie du nicht bei der Sache bist, versuch einfach, zurück in den Moment zu finden. Das klappt besonders gut, wenn du versuchst, wieder Augenkontakt mit deine*r Partner*in aufzubauen. Oder versuche deinen Körper im Raum wahrzunehmen: Was fühlst, siehst und hörst du gerade?
Aber keine Sorge: Du musst keinen fünfstündigen Sex-Marathon hinlegen, um Slow Sex zu genießen. Versuche einfach, im Hier und Jetzt zu sein und nicht auf einen Orgasmus hinzuhetzen. Und selbst falls du nur fünfzehn Minuten Zeit hast: Wenn du deine Aufmerksamkeit darauf richtest, was sich beim Sex gut anfühlt, ist es sehr wahrscheinlich, dass du ziemlich großartige fünfzehn Minuten erlebst.