Wenn du das Gefühl hast, dass es dir sämtliche Energie raubt, Zeit mit deinem Partner oder deiner Partnerin zu verbringen, steckst du womöglich in einer toxischen Beziehung. Eine solche lässt sich aber nicht immer so einfach von einer schwierigen Phase einer Beziehung unterscheiden. Deswegen haben wir mit zwei Beziehungsexpertinnen darüber gesprochen, woran man eine toxische Beziehung erkennt – und was du tun kannst, wenn du selbst in einer festhängst.
Dr. Julie Schwartz Gottman ist Psychologin und Autorin. Sie definiert eine toxische Beziehung als „eine Beziehung, die dafür sorgt, dass du mit dir selbst unzufriedener bist“. Sie ergänzt: „Nicht nur das – vielleicht löst sie auch Angst in dir aus, entweder um dich selbst oder um deine Kinder.“
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Wenn eine Beziehung missbräuchlich ist – ob nun verbal, emotional oder körperlich –, ist sie automatisch toxisch, meint Dr. Gottman. Es gibt aber auch toxische Beziehungen, die mit Missbrauch nichts zu tun haben. Dazu nennt sie zwei Beispiele: Im ersten Szenario leidet ein:e Partner:in unter einer Sexsucht und betrügt den:die Partner:in immer wieder, ist aber nicht gewillt, sich Hilfe zu suchen. Im zweiten Szenario ist ein:e Partner:in drogenabhängig und gibt das gemeinsame Ersparte aus, woraufhin das Paar pleite ist. „Beides sind toxische Beziehung, aber nicht zwangsläufig missbräuchlich“, erklärt sie.
Die Autorin und Beziehungsexpertin Andrea Syrtash hat eine ähnliche Definition. Ihrer Meinung nach ist eine toxische Beziehung eine, „die sich instabil, kräftezehrend und/oder dauernd (emotional oder auch körperlich) kampflustig ist“. Sie fügt hinzu: „Beziehungen sollten prinzipiell unsere beste Seite zum Vorschein bringen. Toxische Beziehungen tun aber genau das Gegenteil. In einer solchen Beziehung untergräbt man sich oft gegenseitig.“
Wenn du nun selbst glaubst, in einer toxischen Beziehung zu stecken, lass dir die folgenden Fragen genau durch den Kopf gehen:
1. Hast du Angst vor deinem Partner oder deiner Partnerin?
Diese Angst kann auch unabhängig von körperlicher Gewalt auftreten. Dr. Gottman betont, dass Missbrauch nicht zwangsläufig körperlicher Natur sein muss, sondern sich auch in Form „des Ausdrucks von Verachtung zeigen kann. Zum Beispiel, wenn dein:e Partner:in dich blamiert oder bloßstellt und du dich in Grund und Boden schämst.“
2. Ist dein:e Partner:in gewillt, sich zu ändern?
Wenn es ihn:sie nicht zu kümmern scheint, dass du unglücklich bist oder dich beklagst, und auch keine Mühe investieren möchte, um auf deine Bedürfnisse einzugehen, meint Dr. Gottman: „Das ist kein gutes Zeichen.“
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3. Wie hat sich die Beziehung auf dein Selbstwertgefühl ausgewirkt?
Das Selbstwertgefühl innerhalb einer Beziehung kann direkt nachlassen, wenn der Beginn der Beziehung mit einem externen Erlebnis zusammenfällt – wie zum Beispiel dem Verlust eines Jobs, erklärt Dr. Gottman. Wenn dein Selbstwert aber unter der Beziehung selbst gelitten hat, solltest du das genauer hinterfragen.
4. Wie fühlst du dich in der Nähe deines Partners oder deiner Partnerin?
Das ist prinzipiell eine gute Frage, die du dir gelegentlich stellen solltest, meint Syrtash. „Wenn dir auffällt, dass du oft in der Defensive bist oder dich mit ihm:ihr streitest, kann das ein erstes Indiz für eine toxische Beziehung sein“, erklärt sie. „Meine Faustregel ist: Wenn du hinterfragst, ob etwas wirklich gesund oder richtig ist, kennst du die Antwort darauf vermutlich schon. Es ist wichtig, auf deine Instinkte zu hören.“
Syrtash und Dr. Gottman sind sich dennoch darin einig, dass selbst toxische Beziehungen irgendwann wieder „gesund“ werden können. „Abhängig davon, was die Beziehung toxisch oder ungesund hat werden lassen, ist es möglich, zusammen an ihr zu arbeiten – am besten mit einem:einer qualifizierten Therapeut:in“, rät Syrtash. „In den meisten Fällen ist es aber schwer, auf einer toxischen Beziehung aufzubauen. Vertrauen und Respekt sind der Grundstein einer guten Beziehung, und genau diese Faktoren fehlen in einer toxischen Beziehung häufig.“
Dr. Gottman erzählt, dass sie und ihr Mann, Dr. John Gottman, schon viele Menschen in toxischen Beziehungen behandelt und dabei etwas festgestellt haben: „Wenn Menschen gewillt sind, sich zu ändern, denke ich definitiv, dass sich manche toxischen Beziehungen retten lassen.“ Sie ergänzt jedoch, dass sie in Beziehungen mit charakterologischer häuslicher Gewalt – in denen ein:e Partner:in dem:der anderen ernsthafte Schäden zufügt, „dafür überhaupt keine Verantwortung übernimmt und meist auch dem Opfer die Schuld daran gibt“ – nicht dazu raten würde, die Beziehung zu kitten. In solchen Fällen „bleibt dem Opfer eigentlich nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich da rauszukommen und Sicherheit zu suchen.“
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