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Ich bin glücklich vergeben, schwärme aber trotzdem für andere

Der erste Junge, in den ich jemals verliebt war, hieß Caleb. Er hatte aschblonde Haare und ein Lächeln, das erwachsen und spitzbübisch zugleich wirkte. Alle 7-jährigen Mädels in meiner Klasse schwärmten für ihn. Mich faszinierte er. Es war ein unschuldiger, kindlicher Crush: Meine Hände wurden feucht, mein Magen machte ein Salto und ich begann zu stottern, wenn ich ihn sah. Bis die anderen irgendwann anfingen, sich über mich lustig zu machen, weil ich es wagte, Caleb zu mögen. Ich war schließlich das einzige schwarze Mädchen in der Klasse und Caleb war… na ja eben Caleb. Ich hatte keine Chance.
Und dann kam Raymond – mit seinen Grübchen, seiner Bille und seiner Schwäche für oldschool Hip-Hop. Ich war über beide Ohren in ihn verliebt. Es war diese Art von Liebe, bei der du dich bei strömendem Regen mit einem Ghettoblaster auf der Schulter unters Fenster des Schwarms stellen und deine Gefühle gestehen willst. Die Art von Liebe, um die sich alle Teenie-Rom-Coms drehen. Sie blieb jedoch unerwidert.
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Abgesehen von Caleb und Raymond, stand ich auf Gambit von X-Men, Zack Morris und so ziemlich alle weißen Jungs der 90er und 2000er, die wie Märchenprinzen aussahen (Jonathan Taylor Thomas, Devon Sawa, Chad Michael Murray). Und dann waren da noch Stefan Urquelle (Stefan, nicht Steve!), Taye Diggs, Channing Tatum in der Mountain-Dew-Werbung, Pacey Witter, Nathan Morris von Boyz IIMen, AJ McLean von den Backstreet Boys und Romeo von der kanadischen Sitcom Student Bodies. Und damit wären wir noch lange nicht am Ende der Liste.
Bis heute verknalle ich mich ständig. Ich liebe Michael B. Jordan. Ich erzähle jedem, Chris Pine ist der beste Chris, den es auf der ganzen Welt gibt – ob er/sie es hören will oder nicht. Und ich träume immer noch täglich von Peter Kavinsky (To all the Boys I’ve loved before).
Illustration: Yazmin Butcher
Es liegt in meiner Natur, mich in Menschen zu verlieben, die in einer anderen Liga spielen. Und zwar selbst, wenn ich in einer festen, langfristigen Beziehung bin. Dazu stehe ich. Für mich sind Schwärmereien eine Form von Self-Care. Wie ein heißes Schaumbad, bei dem ich Solanges „Almeda“ in Endlosschleife höre: Ja, es ist ein bisschen egoistisch, stundenlang in der Wanne zu liegen und meine Pflichten zu ignorieren. Aber ich verdiene meine Me-Time auch! Wenn ich für jemanden schwärme, fühlt sich das fast genauso an. Es erinnert mich daran, dass ich trotz Partner eine eigenständige Person bin. Aber natürlich würde ich nie fremdgehen! Es sind einfach nur kleine, unschuldige Schwärmereien, die niemandem wehtun. Ich würde sogar behaupten, dass sie meiner Beziehung guttun. Sie bringen frischen Wind in mein Liebesleben, pusten meinen Kopf durch – aber ich komme erst gar nicht in die Versuchung, zu handeln, weil ich die Hotties aus sicherer Entfernung beobachte (zum Beispiel durch mein Smartphone).
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Ich wünschte, meine Schwärmereien wären heute genauso wie damals bei Caleb oder Raymond: simple, unschuldig, ungezwungen. Ich wünschte, wir würden uns nicht ständig selbst unter Druck setzen und pausenlos denken: Und wann haben wir endlich Sex?
Ich bin seit sieben Jahren mit meinem Partner zusammen. Die Schmetterlinge im Bauch und das brennende Verlangen sind mittlerweile verschwunden. Dafür ist unsere Liebe tiefer denn je. Ich fühle mich wohl mit ihm. Angekommen. Komplett. Aber manchmal ist es eben auch schön, diesen Funken wieder zu spüren. Mein Freund weiß von meinen Schwärmereien. Mal ist es ein Typ im Fahrstuhl, mal der Deliveroo-Lieferant, mal eine Frau, die beim Indoor-Cycling-Kurs neben mir trainiert. Und es ist ihm egal. Er weiß, ein Crush ist wie ein kurzer Rausch – nichts von Dauer oder Bedeutung.
Für viele Menschen sind Celebritys unerreichbar, weshalb Freebie-Lists auch eine gute Möglichkeit sind, der Fantasie freien Lauf zu lassen. In meiner Vorstellung sind Michael B. Jordan und ich gerade auf einer Yacht. Meine Tagträume tun niemandem weh, der einzige Nachteil ist vielleicht, dass sie sich negativ auf meine Produktivität auswirken. Aber was, wenn du in jemanden aus deinen Büro verschossen bist? Oder in die/den Barista bei Starbucks? Ein kleiner Flirt schenkt dir einen Endorphinrausch, den du vom Anstarren eines Insta-Fotos niemals bekommen würdest.
Jetzt denkst du vielleicht: „Niemals würde ich jemals für jemand anderen schwärmen! Das ist doch fast schon Fremdgehen!“ Und ja, wenn du es nicht richtig machst, kann aus einem Flirt schnell mehr werden. Wenn du mehr als nur ein paar Worte mit dem Objekt deiner Begierde wechselst, begibst du dich schnell aufs Glatteis. Regelmäßig miteinander zu telefonieren oder zu schreiben ist deshalb absolut verboten! Sex- und Beziehungsexpertin Cynthia Loyst formuliert es so: „Affären beginnen immer mit einer Schwärmerei, aber nicht jede Schwärmerei entwickelt sich in eine Affäre“. Der Unterschied zwischen schwärmen und betrügen ist dein Verhalten oder wie es die Sexologin Shannon Boodram aus L.A. sagen würde: „Ein Kribbeln im Bauch zu spüren, sobald Shawn Mendes ein neues Foto von sich postet ist etwas komplett Anderes als mit Shawn Mendes private Nachrichten zu schreiben“.
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Selbst, wenn du nicht (wie ich) täglich von einem Celebrity fantasierst oder aktiv in der Gemüseabteilung nach süßen Männern Ausschau hältst, wirst du dich irgendwann mal zu jemandem hingezogen fühlen. „Wir sind Paar bildende Säugetiere. Es liegt in unserer Natur, dass wir uns umschauen und fantasieren“, so Boodram. Und das ist sogar gut so, wie Studien beweisen, denn Schwärmereien können dein Selbstbewusstsein stärken und dein Verlangen nach deiner Partnerin/deinem Partner steigern. „Sie sind eine gute Möglichkeit, deine Lust auf Flirts zu befriedigen, ohne dabei ein Risiko einzugehen“, so Loyst. „Durch die fühlst du dich lebendig, attraktiv und begehrt“.
„Im Laufe deines Lebens wirst viele Menschen anziehend finden“, so Loyst. Wichtig ist nur, dass du dich an die Regeln hältst – dein harmloser Flirt sollte sich nicht versehentlich in etwas Größeres verwandeln. Ich denke, wenn du Selbstkontrolle hast, kann eine Schwärmerei sogar dazu beitragen, dass du eben nicht fremdgehst. Sie kann die Beziehung stärken, weil sie dir zeigt, was dir bei einer Beziehung am wichtigsten ist. Loyst und Boodram sind beide der Meinung, dass ein Crush nicht nur Dinge über uns, sondern auch über unsere*n Partner*in preisgeben kann. Manchmal vergessen wir, warum wir uns in jemanden verliebt haben und was wir an ihm/ihr schätzen – wie beispielsweise den Sinn für Humor oder das offene Ohr. Alles, was wir dann sehen, ist die offene Zahnpastatube oder das nasse Handtuch auf dem Boden. Schau dir doch mal genau an, wen du süß findest und warum – vielleicht fällt dir ja etwas auf. Ein Beispiel: Ich habe mal den Freund eines Freundes angehimmelt. Einen Künstler mit einem sexy Akzent, aber fraglichem Modegeschmack. Durch ihn wurde mir bewusst, wie sehr ich den entspannten Athleisure-Look meines Freundes mag. Im Vergleich zu den protzigen Klamotten meines Schwarms sah mein Mann auf einmal richtig stylish aus.
Außerdem sind die Personen, für die wir schwärmen oft gar nicht die Personen, mit denen wir uns auch eine Beziehung vorstellen könnten oder wünschen, erklärt Lost.
Ich denke, der Grund dafür, wieso ich mich so oft in Fremde verknalle ist, dass ich mich nach den intensiven Verliebtheitsgefühlen meiner Jugend sehne. Aber das heißt nicht, dass ich gern wieder jung wäre und Caleb in der Hofpause hinterherrennen oder Raymonds Hinterkopf im Matheunterricht anstarren möchte. Ich genieße einfach nur das Kribbeln im Bauch, wenn mir jemand zuzwinkert oder mir ein zweideutiges Lächeln schenkt. Und dann will ich aber auch nach Hause gehen können und in Jogginghose mit meinem Freund binge-watchen.
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