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Neujahrsvorsatz Selfcare: Warum ich mir toxische Freundschaften nicht mehr antue

Foto: Ashley Armitage.
Die meisten Frauen sind mit der relativ konkreten Vorstellung einer besten Freundin groß geworden: Sie gehört ganz einfach zum Erwachsenwerden und -sein dazu, tritt im Idealfall so früh wie möglich in unser Leben und weicht von da an nie wieder von unserer Seite. Beste Freundinnen, das weiß man aus Mädchenzeitschriften, übernachten beieinander und flechten sich Zöpfe, halten Händchen beim ersten Liebeskummer und haben immer einen Rat parat, weil sie sich als ebenbürtige Mitmenschen verstehen, einander respektieren und stets das Beste für die jeweils andere im Sinn haben. So jedenfalls die Theorie.
Das wirkliche Leben hat mir dann neben einigen sehr schönen auch weniger erstrebenswerte Erfahrungen beschert. Dinge, die ich mir heute nicht mehr so gefallen lassen würde und die mich psychisch einen hohen Preis gekostet haben. Ich weiß, dass ich nicht alleine bin mit derlei Verletzungen und den Vertrauensproblemen, die daraus resultieren. Auch andere hatten schlecht gewählte Partnerinnen in Crime, die sie klein hielten, ignorierten oder bewusst beleidigten. Ich habe sie trotzdem mit all den kindlichen Ressourcen geliebt, die mir zur Verfügung standen. Interessant ist, dass aber kaum jemand über das Phänomen der schlechten besten Freundin spricht, ganz so, als würde man sich mit der Offenbarung eines solchen Erlebnisses als Kameradin für andere Frauen disqualifizieren. Als ob man in Wahrheit doch irgendwie selbst schuld daran wäre, wie bei einer Vergewaltigung, nur anders.
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Aber es gibt schlechte Freundinnen, heute erzähle ich von meinen.

Es ging immer nur um sie.

Als ich Michaela das erste Mal sah, muss ich 16 oder 17 gewesen sein. Sie musste eine Klasse wiederholen und kam in der Zwölften neu zu uns. Natürlich saß sie in der letzten Reihe, alles andere hätte das Bild gestört. Mit ihren blauen Haaren und drei Unterlippenpiercings war es schwer, sie zu übersehen – nicht nur für die Lehrer. Michaela hatte neben ihrer beinahe schon wahnwitzigen Ausstrahlung eine Art zu kommunizieren, die einen beim Öffnen ihrer Nachrichten regelmäßig das Schlimmste vermuten ließ – und das hing nicht nur damit zusammen, dass wir Teenager waren. Ich konnte sie von Anfang an nicht leiden. Ständig sprach sie lautstark über ihr Liebesleben, während sie T-Shirts mit dem Spruch „Suche Mann mit Pferdeschwanz, Frisur egal“ trug und im selben Atemzug über ihre beste Freundin lästerte. Sie interessierte sich nicht die Bohne für die Gefühle ihrer Mitmenschen. Es ging immer nur um sie. Ihre schlechten Noten, ihre vermeintlich hässlichen Oberschenkel, ihren mies bezahlten Samstagsjob.
Keine zwei Jahre später waren wir beste Freundinnen – und ich zu jener Zeit offensichtlich nicht ganz bei Bewusstsein. Manchmal holte ich sie mit dem Auto meines Vaters von zu Hause ab, mit dem wir dann durch die Gegend oder zu McDonald's fuhren. My Chemical Romance aus den Lautsprechern, Ziel egal. Teenagers scare the living shit out of me. Manchmal verschlug es uns auf Partys ins Wiener Umland, auf denen die eine auf die jeweils andere aufpasste, während diese sich bis zur Besinnungslosigkeit trank, nur um wenig später auf der Heimfahrt auf den Rücksitz zu kotzen. Wir hatten die Zeit unseres Lebens, bereuten nichts und niemanden. Wir telefonierten täglich, wussten alles voneinander: Die Vorwürfe, die Michaelas Freund ihr im Chat schrieb; das komplizierte Verhältnis zu ihren Geschwistern, mit denen sie auf engstem Raum lebte; meine Unfähigkeit, alleine zu sein.
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Die Intensität unserer Beziehung war für alle Beteiligten toxisch.

Michaela hatte wenig Selbstbewusstsein. Wenn ich Aussehen einer anderen Frau lobte, fühlte sie sich abgewertet und angegriffen – und griff im Gegenzug mich an. Ich hätte doch keine Ahnung von ihrem Körper und ich solle gefälligst still sein, schließlich hätte ich Brüste, die sehenswert wären, und überhaupt, was fiel mir ein, sie in ihrer eigenen Wohnung bloßzustellen. Sie rastete oft aus, schlief mit den Freunden ihrer Freundinnen und wurde aus gutem Grund von vielen Personen aus unserem Umfeld gemieden. Mir war Michaelas Ruf egal, weil ich sie irgendwie trotzdem liebte. Sie war nicht nur wunderschön, sondern auch schonungslos brachial und ehrlich, so wütend und besonders. Michaela war meine Seelenverwandte, bei ihr konnte ich echt sein.
Heute haben wir keinen Kontakt mehr, schon seit Jahren nicht. Die Intensität unserer Beziehung war für alle Beteiligten toxisch. Ich störte sie, und sie störte mich. Ich mit meiner Besserwisserei und den übertriebenen Ambitionen, sie mit ihren ständigen Eskapaden. Wir entwickelten uns auseinander.
Foto: Ashley Armitage.
Rückblickend finde ich es traurig, dass ich mich noch lange nach dem Ende unserer Beziehung an sie klammerte. Immer wieder von vorne anfing, versuchte, Dinge geradezubiegen, die längst zerbrochen waren. Ich hatte schlaflose Nächte wegen Michaela – und trotzdem wollte ich wieder gemeinsam mit ihr einen Club betreten und spüren, dass wir zusammengehörten. Wir konnten unterbewusst Gedanken austauschen, bis eine von uns beiden mit der Intention der anderen auf das, was gerade stattfand, reagierte. Es war magisch.
Michaelas Geschichte war der Anfang einer Reihe von Freundschaften: Beziehungen mit Frauen, die auf eine interessante, aber doch falsche Art anfingen – und zumindest genauso eklig endeten, wie sie sich zwischendurch immer wieder anfühlten. Während ich gleichzeitig mit einer Menge gesunder, langanhaltender Beziehungen gesegnet bin, die auch heute noch kein Ende erahnen lassen, gab es dazwischen immer wieder Mädchen und später Frauen, in die ich mich verliebte. Die ich obsessiv mit Aufmerksamkeit und den guten Eigenschaften, die mir gegeben sind, umgarnte. Ich wollte sie kennenlernen, so richtig, und nichts zwischen uns kommen lassen. Den Smalltalk ausklammern und vordringen zu den wirklichen Problemen. Jenen, die sich nicht in einer Stunde erklären lassen und auch nicht in vier. Ich wollte etwas, das an Michaelas und meine Verbindung herankam – so toxisch sie auch für uns beide war.
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Nach Michaela kam lange Zeit nichts und danach kam Simone. Wir kannten uns lose über einen Bekannten, den sie im Fluc, einem Wiener Club, kennengelernt hatte. Sie war die Sorte Frau, die mir auf einer Party auffallen würde, wenn ich ein heterosexueller Mann wäre. Und sie machte mir Angst.
Foto: Ashley Armitage.
Es gibt diese Menschen, bei denen man spürt, dass etwas im Argen, im Verborgenen liegt, dass man erst später, wenn überhaupt, verstehen wird. Wieso habe ich es nicht kommen sehen? Simone und ich hatten einen holprigen Start, ich hielt sie für furchtbar arrogant. In Wahrheit war sie die erste Intellektuelle, die ich näher an mich ranlassen sollte. Unsere Gespräche drehten sich um die Wichtigtuerei der Wiener und Berliner Kunstszene, wir redeten über Filme, das für uns nicht nachvollziehbare Arbeitsleben unserer Eltern und natürlich die Traumata, die wir unseren Ex-Freunden als Erbe einer gescheiterten Liebesbeziehung hinterlassen hatten und umgekehrt. Wir ähnelten uns auf erschreckende Weise. Nicht nur optisch, sondern auch in Hinblick auf unsere Verhaltensmuster in zwischenmenschlichen Dingen – vermutlich war das der Todesstoß.
Nach einem knappen Jahr, in dem wir uns beinahe wöchentlich im Café Sperl oder Café Merkur zum Frühstück trafen und gemeinsam nach neuen Orten zum Arbeiten suchten, fing sie an, Fotos meines Ex-Freundes zu liken und hörte beinahe gleichzeitig damit auf, sich bei mir zu melden. Von einem Tag auf den anderen. Sie hing mit ihm ab, ohne es mir zu erzählen, und hielt es für das Normalste der Welt – schließlich gebe es keine offiziellen Richtlinien in Sachen Loyalität, und wenn zwei erwachsene Menschen sich gut verstünden, wo wäre dann das Problem. Ich stimmte ihr zu, denn da war nichts mehr von meiner Seite aus. Außer der Vermutung, dass sie sich nach der Trennung sehr wohl auf eine Seite geschlagen hatte, ohne dies in ihrer eigenen moralischen Überlegenheit zu bemerken. Es gab alarmierende Anzeichen, die mich hätten warnen sollen. Wie sie nie über ihre alten Freundinnen und Freunde sprach, weil sie nicht existierten. Flächendeckende Funkstille in der alten, oberösterreichischen Heimat.
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Geschichten über Frauenfreundschaften sehen keine Brüche vor. Man ist und bleibt beste Freundinnen, im Idealfall für immer.

Als wir beide einen Sommer in Berlin verbrachten und es trotzdem „nicht schafften“ uns zu treffen, merkte ich, dass etwas falsch lief. Sie hatte keine Lust mehr auf mich, war bereits auf dem Sprung zu etwas Besserem, ohne den Mut aufzubringen, es mir zu sagen. Sie traf ständig andere Menschen, konnte aber keine zehn Minuten für einen Kaffee mit mir finden. Als ich sie darauf ansprach, ließ sie mich mit dem beklemmenden Gefühl zurück, sich auf nichts und niemanden verlassen zu können. Selbst dann nicht, wenn die Chemie ganz offensichtlich stimmte, und man sich in schummrigen Bars die Überbleibsel der Vergangenheit erzählte.
Geschichten über Frauenfreundschaften sehen solche Brüche nicht vor. Man ist und bleibt beste Freundinnen, im Idealfall für immer. Man bastelt sich süße Geburtstagskarten und lädt die andere einmal im Jahr zum Sektfrühstück in die Therme ein. Es ist nicht vorgesehen, dass man verstrahlt bis sieben Uhr abends gemeinsam nackt im Bett liegt und sich leise hasst für die Dinge, die man sich angetan hat. Die kleinen Verletzungen des Alltags, die man sonst nur aus „richtigen“ Beziehungen kennt.
Als mich Simone verließ, ganz langsam, indem sie auf Zehenspitzen aus meinem Leben schlich und aufhörte, meine Posts und Fotos zu liken und schließlich sogar meine Nachrichten zu beantworten, fühlte ich einen Schmerz, der mich an Liebesbeziehungen erinnerte. Einen Schmerz, den man nur dann kennt, wenn man den anderen Menschen wirklich in sein Leben gelassen hat. Wenn der Mensch geht, nimmt er ein Stück deiner Geheimnisse mit. Deshalb ist es so schwer. Er nimmt dir erstmal das Vertrauen in zwischenmenschliche Stabilität, weil das Letzte, woran du dich nach dem Intermezzo erinnern wirst, wie unfair der Abgang war. Du fühlst dich emotional ausgebeutet. Du fragst dich, wie es sein kann, dass eine Person, der du alles anvertraut hast, mit denselben Mitteln gegen dich arbeitet, die sie noch vor wenigen Monaten ablehnte. Sich auf freundschaftliche Weise zu entlieben ist nichts, was man in der Schule lernt – jeder braucht seine eigenen Gehversuche.
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Es tut mir leid, dass ich meine Gefühle in jemanden investiert habe, der es nicht wert war.

Kurz habe ich mich natürlich auch gefragt, ob es meine Schuld ist. Sein könnte. Dass ich hier und da, ja klar, hätte anders reagieren und handeln und sprechen können. Aber im großen Ganzen? Dann dachte ich an meine beste Freundin in London, die noch genauso da ist wie meine langjährige Schulfreundin in Wien, mit der ich 2005 in die erste Oberstufenklasse ging. Meine Cousine, die mich bestimmt besser kennt, als Michaela und Simone zusammen. Dass da Ankermenschen sind, mit denen es offensichtlich zu klappen scheint. Neue wie alte. Vielleicht liegt das Grundproblem in der Inkompatibilität mancher zwischenmenschlicher Kombination. So, wie für manche bestimmte Farben oder Zutaten nicht zusammenpassen, gibt es Menschen, die sich beißen. Die sich abstoßen, die nicht nebeneinander existieren können, weil sie zu stark sind oder zu ähnlich sind. Da hilft kein Überanalysieren, kein erneutes Durchdenken bis ins letzte gesprochene Detail. Das muss man sich auch nicht noch einmal melden oder eine pathetische E-Mail schreiben. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei.
Ich würde gerne behaupten, dass ich diese Art der Freundschaft nicht bereue. Aber ich tue es. Es tut mir leid, dass ich meine Gefühle in jemanden investiert habe, der es nicht wert war. Trotz all der Vorsicht, die ich walten lasse, wenn ich mich neuen Menschen nähere, ist es passiert. Ich kann nicht leben und dabei jeden Tag aufs Schlimmste hoffen. Ich bin offen, zumindest noch so weit, dass ich mit einer fremden Person auf ein harmloses Getränk gehen würde. Es fängt immer so an. Und wenn dort jemand sitzt, der mich in seinen Bann zieht, ist es ganz gleich, ob Mann oder Frau, Beziehung oder Freundschaft.
In jeder Beziehung entstehen Emotionen, und wo Emotionen entstehen, ist auch immer Raum für Enttäuschung. Raum für Abschied. Raum für Trennung. Das zerbrechliche Bewusstsein, sich im anderen Menschen täuschen zu können.
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