Eines Abends vor ein paar Jahren attackierte mich ein junger Mann auf einem Fahrrad, als ich gerade einen Fußweg entlangging. Er tauchte hinter mir auf und gab mir einen so harten Klaps auf den Hintern, dass ich vornüber fiel und mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug. Mein Herz fängt an, schneller zu schlagen, wenn ich mich an diesen Abend erinnere – genauso wie vor Kurzem, als der Mann, mit dem ich damals ausging, hinter mir auftauchte und mir einen Klaps auf den Hintern gab. Ich erschreckte mich und ich ließ den Typen das wissen. „Bitte fasse mich nie wieder so an“, bat ich ihn.
„Warum nicht?“ Sein amüsierter Gesichtsausdruck verwandelte sich in Frustration. „Dein Hintern sah so gut aus, dass ich ihm einfach eins hintendrauf geben musste.“
Ich starrte ihn mit ernstem Blick an. Er hatte zuvor noch nie etwas gesagt, das mir so sehr das Gefühl der Objektifizierung gab, wie in diesem Moment. Ich wollte, dass er wirklich verstand, dass seine Klapse auf den Po ohne mein Einverständnis nicht akzeptabel waren – und es niemals sein würden. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, während ich ihm erklärte, dass ich mit gelegentlichen Klapsen kein Problem hätte. Solange ich wüsste, dass sie kämen, waren sie oft ein angenehmer Aspekt beim Sex. Aber wir hatten keinen Sex und ich hatte ihm nicht mein Einverständnis gegeben. „Ich verstehe nicht, warum ich dir nicht einfach einen Klaps auf den Hintern geben kann, wenn mir danach ist“, widersprach er. „Wir gehen miteinander aus!“
Am nächsten Tag entschuldigte er sich ernsthaft bei mir. Doch seine Unfähigkeit, meinen Standpunkt zu verstehen, war der Anfang vom Ende unserer Beziehung. Wenig später hörten wir auf, miteinander auszugehen.
Bevor mein Körper berührt wird, muss ich mein Einverständnis dazu geben, egal, in welchem Kontext. Jeder Mensch verdient diese Autonomie. Einverständnis ist keine Annahme oder ein „Vielleicht“. Es ist ein begeistertes „Ja“. Es ist die explizite Erlaubnis, etwas zu tun. Manche Menschen glauben, dass es so etwas wie ein „unausgesprochenes“ Einverständnis gäbe oder ein Einverständnis, welches sich aus den Handlungen einer Person ergibt. Meiner Meinung nach ist „unausgesprochenes“ Einverständnis einfach eine Umschreibung für ein Fehlen desselben.
Es gibt noch immer einige Verwirrung rund um Einverständnis. Als ich im New Yorker Babeland Store Kurse zur Sexualkunde gab, war das Thema Einverständnis vielen, die sowohl zu Sex als auch zum Einverständnis weder Vokabular noch Unterricht erhalten hatten, ein Rätsel. Und ich hatte auch meine Ausrutscher: Vor ein paar Jahren machte ich meine eigene bittere Erfahrung, als ich nicht ausdrücklich das mündliche Einverständnis eines Typen einholte und stattdessen seine physische Reaktion – seine Erektion – als Zeichen dafür ansah, dass es okay für mich sei, den nächsten Schritt zu tun.
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DIE GRENZEN, DIE MENSCHEN SETZEN, VERSCHIEBEN SICH IM LAUFE DER ZEIT. DAHER IST ES UNVERZICHTBAR, DASS WIR NICHT EINFACH ANNEHMEN, DASS ETWAS, WORAUF WIR UNS ZU EINEM BESTIMMTEN ZEITPUNKT GEEINIGT HATTEN, JEDERZEIT ERWÜNSCHT IST.
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Zugegeben, der Typ und ich waren nackt und wir hatten miteinander rumgemacht. Als ich aber die Hand nach seinem steifen Schwanz ausstreckte und er zurückschreckte, mir sagte, dass er nicht bereit war, berührt zu werden, realisierte ich, dass ich seine Erektion als Einverständnis gedeutet hatte – und dass das nicht richtig war.
Ich denke, ihm war klar, dass ich nicht mit böser Absicht handelte. Aber der Fauxpas war ein Zeichen, dass wir es langsamer angehen sollten. War mein Griff in seinen Schritt „harmlos“, weil ich eine Frau bin, die Sex mit einem Mann initiieren wollte, oder hatte ich mich einer ernsthaften Sache schuldig gemacht? Ich glaube, dass wir – unabhängig vom Geschlecht – nicht in diese unangenehme Situation geraten wären, wenn wir beide über unsere Grenzen gesprochen hätten, bevor wir das Schlafzimmer betraten. Wir hatten beide getrunken und versucht zu erraten, was die andere Person wollte und worauf sie aus war. Stattdessen hätten wir einfach einander in echten Worten sagen können, was wir wollten.
„Bedeutet das, dass ich jedes Mal, wenn ich mit oder an meinem Partner eine sexuelle Handlung ausführen möchte, ich um sein / ihr Einverständnis bitten muss – egal, wie oft wir es miteinander getan haben?“ wirst du dich jetzt vielleicht fragen. Laut der Definition des Wortes Einverständnis bedeutet es genau das. Ich glaube allerdings, dass, sobald wir eine gefestigte Verbindung mit jemandem eingegangen sind, sich ein Spielraum auftut und der Kommunikationsfluss nicht mehr ganz so formell sein muss. Andererseits zeigt die Nachfrage nach sexuellen Bedürfnissen und Wünschen, auch wenn man seit Jahren mit derselben Person zusammen ist, Respekt gegenüber dieser Person und das Verlangen, ihn oder sie ganz und gar zu verstehen. Jede Partnerschaft ist anders und eigene Beziehungsregeln aufzustellen ist absolut in Ordnung, solange wir uns darüber im Klaren sind, dass sich diese Regeln im Laufe der Zeit ändern können.
Darüber hinaus muss Einverständnis kein roboterhafter, mündlicher Vertrag sein. Viele Menschen hängen sich an der Idee auf, dass die Einverständniserklärung einem strengen Format („Darf ich X tun?“ - „Ja.“ - „Darf ich Y tun?“ - „Nein.“) folgen müsste. Doch es könnte auch eine durchgehende, flüssige Konversation zwischen allen Beteiligten sein (auch wenn das Ja-oder-Nein-Format zur Einverständniserklärung absolut legitim ist). Einverständniserklärung und Verbalerotik etwa schließen sich nicht gegenseitig aus.
In der Realität kann ein begeistertes „Ja“ auf viele verschiedene Arten ausgedrückt werden (und mich selbst zu äußern ist doch viel sexier, als zu erwarten, dass jemand meine Gedanken liest). Wer beispielsweise anstatt „Darf ich dich lecken?“ sagt „Ich möchte dich schmecken.“, kommuniziert dasselbe Verlangen und schafft Raum für einen Dialog.
Einverständnis ist keine Einbahnstraße. Mein Exfreund gab mir ohne mein Einverständnis einen Klaps auf den Hintern. Das hätte er nicht tun sollen. Doch das wirklich Bedenkliche war seine fortgesetzte Missachtung meiner Grenzen, nachdem ich sie klar zum Ausdruck gebracht hatte. Heute stelle ich sicher, dass ich einem langfristigen Partner gegenüber meine Grenzen sofort deutlich zum Ausdruck bringe: „Hey, wann immer du mit mir ficken willst, bin ich dazu bereit“, sage ich dann. „Sollte ich einmal nicht in der Stimmung sein, dann werde ich dir das deutlich sagen.“
Du kannst dein Einverständnis jederzeit zurückziehen oder es präzisieren. Zum Beispiel bringt der Satz „Du kannst mich jederzeit küssen, wenn wir unter uns sind, aber wenn wir mit meinen Freunden von der Arbeit zusammen sind, dann bitte nicht.“ dein Einverständnis zu einer Handlung (dem Küssen) zum Ausdruck, setzt dafür allerdings Grenzen (nicht unter Kollegen).
Die Grenzen, die Menschen setzen, verschieben und verändern sich im Laufe der Zeit. Daher ist es unverzichtbar, dass wir nicht einfach annehmen, dass etwas, worauf wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt geeinigt hatten, jederzeit erwünscht ist. Vielleicht bedeutet das, eine „Ja, nein, vielleicht“-Liste zu erstellen, die auflistet, was wann akzeptabel ist. Vielleicht einigt ihr euch einfach darauf, euch jeden Monat aufs Neue zu dem Thema auszutauschen.
Wie auch immer ihr es angeht, macht euch klar, dass die Durchführung sexueller Handlungen ohne Einverständnis sexuelle Belästigung ist. Einverständnis bedeutet nicht einfach nur, Ja- / Nein-Fragen zu stellen. Es geht darum, die Wünsche und Bedürfnisse des Partners zu respektieren und dasselbe auch von ihm oder ihr zu erwarten – und nichts ist sexier.
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