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Ich sah nie Models mit meiner Hautkrankheit – also wurde ich selbst eins

Foto: Sophie Kietzmann.
Das Model Jeyza Gary hat eine seltene Erbkrankheit, die dafür sorgt, dass sie sich etwa alle zwei Wochen häutet. Vor ein paar Jahren beschloss sie, eine Modelkarriere zu beginnen, während sie ihren Bachelor-Abschluss in Sonderpädagogik machte. Heute ist sie bei einer Modelagentur unter Vertrag und war unter anderem bereits in der Vogue Italia zu sehen. 
Ich kam mit einer Hautkrankheit namens Lamelläre Ichthyose (LI) zur Welt. Sie ist sehr selten, betrifft nur etwa einen von 100.000 Menschen und kommt daher, dass mir meine Eltern ein abnormales Chromosom mitgaben. Bei der Geburt sah ich so aus, als sei ich mit Frischhaltefolie eingewickelt worden. Meine Haut spannte und glänzte ganz stark. Anfangs wusste man noch nicht, was mit mir nicht stimmte, also blieb ich ein paar Wochen unter einer Wärmelampe in der Neugeborenen-Intensivstation. Nach ein paar Monaten brachte mich meine Oma zu ihrer Hausärztin, die mich an einen Spezialisten verwies, der mir dann endlich meine Diagnose gab.
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Mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass ich irgendwie anders war, als ich alt genug war, um zu erkennen, dass meine Familie mir gegenüber sehr beschützerisch war. Immer, wenn wir draußen unterwegs waren, wurde ich von anderen Kindern angestarrt. Ich weiß noch, dass das meine Mom sehr störte. Sie sagte dann: „Es ist unhöflich, zu glotzen. Stell gerne Fragen, aber starre meine Tochter bitte nicht so an.“ Manchmal sagte sie das dann auch den Eltern – denn Kindern tun nur das, was sie von ihren Eltern lernen.
Am ersten Tag jedes neuen Schuljahres kam meine Mom mit in die Schule und erklärte den Kindern und meinen Lehrer:innen, wieso meine Haut so aussah. Sie zwang mich, mich neben sie vorne vor die Tafel zu stellen. Dann sagte sie: „Das ist meine Tochter Jeyza, und sie hat eine Hautkrankheit. Wie viele von euch haben schon mal eine Schlange oder eine Echse gesehen? Jeyzas Haut ist genauso. Sie schält sich etwa alle zehn bis zwölf Tage. Das ist nicht ansteckend. Sie ist genau wie alle anderen.“
Sie wollte den anderen etwas beibringen; gleichzeitig lernte ich dabei aber auch etwas: Weil ich diese Erklärung zu Beginn eines Schuljahres immer und immer wieder hörte, war das für mich die Bestätigung, dass ich wirklich so war wie alle anderen. Meine Mom gab mir nie das Gefühl, ich sei anders als die anderen. Wenn sich meine Haut auf der Stirn abpellte, band sie mir ein Bandana um die Stirn, und ich ging ganz normal zur Schule.

Beim Casting waren auch Leute, die eindeutig aussahen wie Models – aber ich war ja auch eins. Mir wurde klar: Ich sollte positiver mit mir selbst reden. Ich musste mich mit niemandem vergleichen.

Meine Mutter war meine stärkste Verfechterin, bevor ich wusste, wie ich mich für mich selbst einsetzen sollte. Obwohl ich zwar ausführliche ärztliche Berichte in die Schule mitbrachte, die meine Situation erklärten, lasen sich die nur die wenigsten Lehrer:innen durch. Ich musste sie um manche Besonderheiten und Ausnahmen bitten. Ich schwitze nicht, und darf demnach an zu heißen Tagen nicht draußen sein. Ich brauchte jederzeit einen Regenschirm, Wasser und Vaseline. Als Kind war ich nur selten zum Spielen draußen, weil meine Haut wie eine Extraschicht ist, die mich einschränkt und davon abhält, Hitze nach draußen abzulassen.
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Als ich noch zur Schule ging, trug ich definitiv viel Make-up. Ich benutzte es, um besser „reinzupassen“ und das zu verstecken, das mich herausstechen ließ. Ich malte mir zum Beispiel Augenbrauen, weil ich selbst keine ab. Ich trug Lidschatten, Mascara und etwas auf den Lippen. Ich wusste damals nicht, dass es okay ist, nicht komplett reinzupassen.
An einem Tag schminkte ich mich gar nicht und fragte mich: „Wer ist dieser Mensch?“ Ich hatte das Gefühl, mein Make-up zu brauchen – also hörte ich damit auf. Meine Haut ist schon Kunst genug! In manchen Momenten ist sie ganz hell, orange oder hellbraun. In anderen Momenten ist sie schokoladenbraun. Ich liebe beide Farben, und ich bin stolz auf meine Haut. Ich bin stolz darauf, zwei Nuancen von Braun zu haben – gleichzeitig.
In meinem letzten Schuljahr schrieb mit eine Mitschülerin in mein Jahrbuch: „Liebe Jeyza, ich werde dich so sehr vermissen. Du hast mich immer zum Lächeln bringen können. Ich wünsche dir nur das Allerbeste. PS: Du solltest echt modeln.“ Das machte mir so viel Mut. Ich ließ also ein paar Porträts aufnehmen und schickte sie an diverse Modelagenturen, bevor ich mein Studium anfing. Ich weiß noch, dass ich danach eine Agentur anrief, um mal nachzufragen. Ihre Antwort war: „Wenn du noch nichts gehört hast, ist das deine Antwort.“
Dann, ein paar Monate später, bekam ich endlich eine E-Mail von We Speak Model Management, die mich nach New York einluden. Ich hatte aber keine Möglichkeit, hinzufliegen, weil wir in meinem Heimatstaat North Carolina gerade einen riesigen Hurricane durchmachten. Anfangs machte mich das echt fertig; ich dachte: „Das war jetzt meine Chance.“ Dann beruhigte ich mich aber wieder und sagte mir: „Wenn es das ist, was Gott für dich will, kann das heute oder in zehn Jahren passieren. Tu also einfach das, was du eben tust.“ Ein halbes Jahr später bekam ich dann eine weitere DM von der Agentur, und kurz darauf war ich dort unter Vertrag.
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Bei meiner ersten Reise nach New York machte ich ein paar Fotos für mein Portfolio und ging zu einigen Castings. Bei meinem ersten Casting trug ich ein gelbes Shirt, eine Latzhose mit Schlag und hohe Sneaker und fühlte mich definitiv anders. Da waren auch Leute, die eindeutig aussahen wie Models – aber ich war ja auch eins. Mir wurde klar: Ich sollte positiver mit mir selbst reden. Ich muss mich mit niemandem vergleichen.
Foto: Sophie Kietzmann.
Nach dem Trip postete ich eins der Bilder auf Instagram, und eine Frau meldete sich per DM bei mir. Sie schrieb: „Von deinen Fotos bekomme ich Gänsehaut. Ich habe auch Lamelläre Ichthyose, hätte aber nie den Mut, Shorts zu tragen. Du machst mir Mut, etwas zu tun, was ich noch nie getan habe.“ Es geht gar nicht um mich – sondern darum, von anderen Leuten gesehen zu werden und sie dadurch zu ermutigen. 
Ich möchte die Beste sein. Ich möchte in der Vogue landen. Ich möchte von allen angefragt werden, die mich früher abblitzen ließen. Als ich noch klein war, gab es für mich keine Vorbilder oder Idole, mit denen ich mich hätte identifizieren können. Es lag an meiner Familie, mir zu vermitteln, dass ich gut genug bin und mit mir alles „stimmt“. Und genau das möchte ich auch für andere tun.
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